Russlands Krieg gegen die Ukraine soll künftig nicht mehr durch Ölimporte von der EU mitfinanziert werden. Tatsächlich sind die russischen Einnahmen nämlich durch den Verkauf des Öls aber noch gestiegen.
Damit der Geldfluss nach Russland weiterhin gedrosselt werden kann, soll kein russisches Öl mehr in die EU fließen – so lautet jedenfalls der Plan hinter dem Öl-Embargo, das die Europäische Union im Juni beschlossen hat. Das Ziel: Die EU will den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht mehr mitfinanzieren.
Dabei hat die EU eine Überbrückungszeit von sechs Monaten für die Einfuhr von Rohöl und acht Monate für Ölprodukte wie Benzin errechnet. Das heißt, dass die Sanktionen erst ab dem 5. Dezember 2022 und 5. Februar 2023 gelten können.
17 Prozent Rückgang
Bislang sind die Öl-Importe aus Russland in die EU nach einer Datenanalyse des „Centre of Research on Energy and Clean Air“ (CREA) nur um 17 Prozent gesunken. Laut Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat Deutschland im ersten Halbjahr 2022 neun Prozent mehr Rohöl aus Russland importiert, als im selben Zeitraum des Vorjahres.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen weltweit die Preise. Beispielsweise kostete der Import von Rohöl aus Russland nach Deutschland im Juni durchschnittlich 622 Euro pro Tonne. Das sei laut BAFA im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von rund 51 Prozent. Unter Hinzuziehung von anderen Ursprungsländern wie die USA, Großbritannien und Kasachstan, kostete eine Tonne Rohöl durchschnittlich sogar 811 Euro.
Einkauf für Vorräte
Noch können die Sanktionen der EU gegen Russland also kaum wirken. „Russland verdient so viel wie noch nie mit Öl-Exporten“, so Erdal Yalcin, Experte für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Konstanz. „Ein wesentliches Problem besteht darin, dass die forcierte Reduktion von russischen Öl-Exporten den Weltmarktpreis für Öl hochgetrieben hat.“ Das bedeute, dass Russland mehr Geld aus den EU-Staaten für die Exporte erhält.
Bis zum Ende des Jahres soll die Einfuhr nach Europa um bis zu 90 Prozent sinken. Mit Ausnahme von EU-Staaten, die eine hohe Abhängigkeit von russischem Öl haben – darunter Tschechien, Ungarn und die Slowakei.
Laut Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, haben die Übergangsfristen nun dazu geführt, dass im Gebiet der EU vermehrt Öl als Vorrat angekauft wurde. Erst wenn das nicht mehr möglich sei, könne man die wahren Auswirkungen des Embargos beobachten.
Abnehmer für russischen Export
Nicht nur die gestiegenen Marktpreise und langen Überbrückungszeiten verschaffen Russland hohe Export-Einnahmen. „Die Sanktionen sind nicht effektiv, weil sich zu wenige Länder dahinter versammelt haben“, so Yalcin. „Der Öl-Fluss wurde durch die EU-Sanktionen nur umgelenkt. Russland verkauft zwar weniger Öl nach Europa, dafür mehr nach Indien oder China“, fügt er hinzu. Beide Länder beziehen mit einem erheblichen Preisnachlass Öl aus Russland. Derzeit bekommt China das meiste Öl aus Russland. Indien habe erst kurz nach Ausbruch des Krieges seine Öl-Importe aus Russland reduziert. Zusätzlich dazu, sind auch Exporte nach Ägypten und in die Vereinigten Arabischen Emirate gestiegen.
Folgen des Öl-Embargos
Die CREA-Experten sehen die Europäische Union in der Handlungspflicht: Der Transport von Öl in Drittländer mit Schiffen aus der EU sollte nach Einschätzung des Forschungszentrums verboten werden. Ebenso der Einkauf von Rohöl und Ölprodukten aus Ländern, die russisches Öl beziehen.
Letztendlich wird die Effektivität des Öl-Embargos durch die nicht handelnde EU untergraben. Andererseits sind es die Drittstaaten, die von den Sanktionen profitieren. Andresen appelliert diesbezüglich an die Staaten: „Wir müssen so schnell wie möglich unabhängig von fossiler Energie aus Russland werden. Das Öl-Embargo ist dabei eine unabdingbare Maßnahme. Wir erwarten, dass es von den EU-Mitgliedsstaaten konsequent umgesetzt wird.“