Nahezu kein LKW fährt auf den deutschen Straßen ohne den Treibstoffzusatz AdBlue. Die massive Verteuerung und der drohende Mangel könnten die Wirtschaft empfindlicher treffen als erwartet. Als Folge könnte es wieder einmal leere Regale geben.
Durch den Gaspreisanstieg ist auch die Produktion von AdBlue seit Monaten deutlich teurer geworden. In erster Linie geht die Furcht in der Transport- und Logistikbranche um, dass eine Verknappung des Zusatzes den Güterverkehr in Deutschland lahmlegen könnte. Diese Harnstofflösung AdBlue wird bei der Abgasnachbehandlung von Dieselmotoren eingesetzt und soll eine Verringerung der ausgestoßenen Stickoxide bewirken. Dieser Ausstoß wird so um 90 Prozent verringert. Dem Bundesverband Gütertransport (BGL) zufolge fährt fast jeder Lastwagen der Speditions-, Logistik- und Transportbranche in Deutschland mit Diesel. Laut BGL liegt der AdBlue-Verbrauch der Lkw auf deutschen Straßen bei etwa fünf Millionen Liter pro Tag. Sogar zehn Prozent der Pkw in Deutschland benötigen den Treibstoffzusatz.
Binnen eines Jahres vervierfachte sich der Preis für AdBlue – die Produktion wird wegen des Einsatzes von immer kostspieligerem Erdgas für viele Hersteller immer weniger rentabel.
SKW stellt Bedingungen
Die jüngste Meldung eines der wichtigsten deutschen Hersteller von AdBlue hat womöglich für ein wenig Erleichterung in der Transportbranche gesorgt: SKW Priesteritz fährt nach dreiwöchigem Stillstand eine von zwei Anlagen wieder hoch. Das Unternehmen sträubt sich allerdings erst einmal die Produktion in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) wieder aufzunehmen. Laut einem SKW-Sprecher kann der Startschuss für die AdBlue-Produktion erst dann fallen, wenn die Politik ein Zeichen sende. Ein solches Zeichen könnte die Befreiung von der Gasumlage für die SKW sein. Die SKW müsse monatlich ca. 30 Millionen Euro Gasumlage zahlen – das sei finanziell einfach nicht zu stemmen.
Bundeswirtschaftsministerium sieht keine Mangellage
Doch auch nach den zahlreichen Hilfeschreien darf bezweifelt werden, dass die Politik sich bald entscheiden wird. Die Ansichten über die Versorgung mit AdBlue sind in Deutschland nicht einheitlich. Beispielsweise sieht das Bundeswirtschaftsministerium derzeit keine Mangellage bei der Produktion des Treibstoffzusatzes. Falls es dazu kommen sollte, werde man reagieren, sagte ein Sprecher des Ministeriums
Sogar der ADAC sieht derzeit keine Knappheit auf dem Markt. Bevor eine flächendeckende Verknappung eintrete, müsse die Industrie auch bei hohen Gaspreisen eine Versorgung mit dem Kraftstoffzusatz sicherstellen, so der ADAC.
Leere Supermarktregale
Der Transportverband BGL warnte bereits gegen eine Mangellage von AdBlue. Laut ihm müsse die Bundesregierung den Ernst der Lage erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. „Ohne AdBlue stehen die meisten Lkw still – es drohen nicht nur leere Supermarktregale“, so BGL-Geschäftsführer Dirk Engelhardt. Zusätzlich sei AdBlue noch schwer aus dem Ausland zu importieren. Überall stünden die Werke still. Darüber hinaus fehlen Transportkapazitäten, um die benötigten Mengen zu transportieren.
Anders als bei SKW läuft die Produktion bei zwei großen Herstellern für den deutschen AdBlue-Markt noch weitgehend normal. Dabei will der Düngemittelkonzern Yara seine Kunden in Deutschland und Europa mit dem Diesel-Reiniger versorgen. „Wir erwarten keine Probleme bei der Verfügbarkeit für unsere Vertragskunden“, so hieß es zuletzt vom norwegischen Chemiekonzern.
Schwache AdBlue-Erträge sind verkraftbar
Sogar bei BASF in Ludwigshafen läuft die AdBlue-Produktion noch uneingeschränkt. Das Unternehmen sieht angesichts der gestiegenen Gaspreise aber ein „herausforderndes Marktumfeld“. Doch BASF liefere weiterhin und stehe auch in engem Kontakt mit seinen Kunden. Ob der Chemie-Riese den Ausfall von SKW am Markt kompensieren könnte, bleibt noch unklar. Wegen der hohen Preise für Gas will BASF Ammoniak vom Weltmarkt zukaufen – auch Ammoniak ist für die Herstellung von AdBlue ein wichtiges Vorprodukt.