Erst vor kurzem verkündete die EZB (Europäische Zentralbank) das Ende des Kaufprogramms für Anleihen. So steht die Institution jetzt vor einem Problem: Die EZB braucht neue Instrumente, um die europäischen Kreditmärkte zu beruhigen. Besonders betroffen seien die Staatspapiere der südlichen Euro-Staaten. Ob sich der „Whatever it takes“-Moment wiederholt, bleibt bislang unklar.
Keine Woche, nachdem sich die EZB für eine Zinserhöhung entschied, sind Europas Währungshüter in einem außerplanmäßigen Treffen zusammengekommen. Auf einer regulären EZB-Sitzung wurde für Juli 2022 nämlich eine Zinserhöhung angesetzt. Eine Notfall-Sitzung der Währungshüter ist äußerst selten – und zeigt somit den Ernst der Lage in der Geldpolitik. Dabei bereitet der EZB die Entwicklung am Rentenmarkt, wo die Anleihen europäischer Staaten gehandelt werden, besondere Sorgen. Direkt nach der angekündigten Zinswende, waren Europas Finanzmärkte in Unruhe. Der EZB-Schlüsselsatz soll zum ersten Mal seit Sommer 2011 angehoben werden. Die Zinsen für Euro-Staatsanleihen waren lange sehr niedrig bzw. im negativen Bereich – diese schossen nun nach oben. Zu Monatsbeginn verzeichneten deutsche Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die als Benchmark gelten, noch 1,2 Prozent – Mitte Juni stieg die Rendite schon auf 1,8 Prozent. Dieses Hoch gab es seit 2013 nicht mehr. Sogar noch höher war der Aufwärtstrend der bei den Bonds der hoch verschuldeten Südstaaten der Währungsunion. Zwar sind hohe Renditen für den Anleger von Vorteil, für die Regierung bedeutet dies aber nur höhere Kreditkosten.
EZB arbeitet an neuem Instrument
Die Notenbank arbeitet derzeit an einem Instrument, das das Auseinanderdriften der Renditen von Staatsanleihen eindämmen soll. Medien sprachen von einem „Geheimplan für Europa“. Wie das Instrument am Ende aussehen soll, bleibt also erst einmal unklar. Weil die Marktteilnehmer die Notenbank auf die Probe stellen könnten, wenn die EZB frühzeitig ihre Gegenmaßnahmen verkünden würde, muss das Instrument zwangsweise geheim bleiben.
Laut Notenbankchef Klaas Knot sei das Instrument aber für den Fall gedacht, dass die Umleitung der Reinvestitionen in Richtung Anleihen südlicher Euro-Länder nicht genügt. „Wir wissen nicht, ob das ausreicht, das hängt von der Antwort der Märkte ab. Aber wenn es nicht ausreicht, seien Sie versichert, dass wir bereitstehen“, erklärt Ratsmitglied Knot.
Experten nicht erfreut – Hoffnungen nicht erfüllt
Experten äußern sich über die Gegenmaßnahmen der Zentralbank aber eher skeptisch. Laut Zinsstratege Antoine Bouvet vom Bankhaus ING sei es überhaupt erst einmal richtig, dass die EZB etwas präsentieren wolle. „Was zählt ist, dass etwas kommt und das gibt potenziellen Verkäufern italienischer Anleihen zumindest die Gewissheit, dass es für die Ausweitung der Renditeabstände eine Grenze gibt“, erklärte er.
Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer zeigt sich nicht so zuversichtlich. Nach seiner Einschätzung könnte ein neues Hilfsprogramm auf Reformauflagen für die betroffenen Staaten verzichten, würde aber wohl Nettoanleihenkäufe vorsehen. Auf diese Weise könnte wieder mehr Geld in Umlauf geraten, welches den Kampf gegen die Inflation behindern würde. „Die EZB hat heute bekräftigt, dass sie die Wiederanlage fällig werdender Anleihe nutzen will, um die Anleihen hochverschuldeter Länder wie Italien zu stützen. Aber offensichtlich ist sich die EZB nicht sicher, ob das reicht. Es rächt sich nun, dass sich das Land seit Jahren den notwendigen tiefgreifenden Reformen verschließt“, kritisiert er.
Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding ist sich sicher: „Was immer die EZB tun könnte, wird umstritten sein“, erklärt er gegenüber tagesschau.de. Laut ihm werde es auf weitere Anleihekäufe hinauslaufen, mutmaßlich sogar so, dass die Zentralbank teilweise Anleihen einiger Länder wie Deutschland durch italienische Anleihen ersetzt.
Die letzte außerordentliche Ratssitzung der EZB fand im März 2020 statt. Zu dieser Zeit startete die Notenbank ihr massives Anleiheprogramm, um Staaten wie Italien vor Verwerfungen an den Märkten zu schützen.