Die NDR, WDR und SZ legen Dokumente vor, die anhaltende Probleme Facebooks zeigen. Darunter befinden sich vor allem polarisierende Algorithmen und Defizite bei der Moderation. Darüber hinaus legen die Dokumente offen, dass die Plattform wenig Zuspruch bei jüngerem Publikum findet.
Whistleblowerin Frances Haugen stellte dem US-Kongress mehr als Tausend interne Dokumente zur Verfügung. Darunter Chats zwischen Mitarbeitern und Untersuchungen von Facebook selbst.
Haugen arbeitete 2019 bis 2021 als Produktmanagerin bei Facebook und sollte Strategien entwickeln, um Nutzer vor Falschinformationen vor der US-Wahl zu schützen.
Schon Anfang Oktober hat die Datenspezialistin Frances Haugen vor dem US-Kongress dazu ausgesagt. Am 25.10.2021 sollte sie vor dem britischen Parlament auftreten. Mittlerweile soll Haugen durch ein großes Team von Anwälten beraten werden, darunter auch solche, die der Demokratischen Partei nahestehen.
Neue Erkenntnisse
Durch eine weitere Auswertung eines Medienkonsortiums in Zusammenarbeit mit WDR, NDR und SZ wurden zudem neue Details zu Facebook enthüllt.
In einigen Versuchen und Testläufen mit fiktiven Nutzern, betonen Facebook-Forscher, wie schnell die Nutzer auf der Plattform abdriften. Im Sommer 2019 wurden „Carol Smith“ und „Karen Jones“ bei Facebook angemeldet. Beide sind 41 Jahre alt, stammen aus derselben Kleinstadt und gaben dieselben Interessen auf der Plattform an. Dabei unterstützt die fiktive Nutzerin „Carol Smith“ aber Donald Trump und „Karen Jones“ Bernie Sanders. Nur eine Hand voll Likes waren genug, um ihnen binnen weniger Tage extreme hasserfüllte, abwertende und misogyne Inhalte vorzuschlagen. Dabei wurde beobachtet, dass an „Carol“ vermehrt Verschwörungserzählungen herangetragen wurden.
Im Fazit heißt das, dass die Inhalte des eigentlichen Empfehlungssystem in extrem kurzer Zeit besorgniserregende Züge annahmen. Forscher in Indien reproduzierten die Testläufe und auch hier ist das Ergebnis gleich. Es dauert nur wenige Tage, bis Nutzer in einem endlosen Strom aus Hass und Hetze untergehen.
Die Plattform Facebook wird durch die Experimente in die Ecke gedrängt und äußert sich diesbezüglich. Die veröffentlichten Dokumente seien unvollständig, aus dem Kontext gerissen und überhaupt nicht aktuell.
Facebooks künstliche Intelligenz
Täglich bekommen mehrere Zehntausend Menschen problematische Inhalte angezeigt. Content-Moderatoren, also digitale Aufsichtspersonen, kommen mit dem Löschen der Inhalte nicht hinterher. Daher liegt es im Interesse der Plattform die Moderatoren durch Maschinen zu ersetzen. Facebook-Oberhaupt und Gründer, Mark Zuckerberg, lobt schon seit Jahren die künstliche Intelligenz des sozialen Mediums. Laut ihm macht der Algorithmus große Fortschritte, wenn es darum geht Hassreden, Gräuelvideos und terroristische Inhalte zu löschen. Doch vor allem Facebooks Angestellte misstrauen dem System. Ein Forscher schrieb im Jahr 2019, dass es vermutlich nie ein Modell geben wird, dass Integritätsverletzungen und sensible Inhalte verlässlich erkennt. Dabei nennen Forscher immer eine Erkennungsrate von nur zwei bis fünf Prozent.
Darüber hinaus gibt es nicht genügend Moderatoren für einzelne Länder.
Junge Nutzer und Facebook
Interne Auswertungen und eine Vielzahl von Diagrammen sollen zeigen, dass die junge Zielgruppe abwandert. Facebook gilt längst schon als „uncool“ und als Plattform ihrer Eltern. Das Kinderprodukt „Messenger-Kids“ aus dem Hause Facebook stellt bis dato die einzige Anwendung für Kinder dar. Offiziell gilt aber für jegliche Apps Facebooks ein Mindestalter von 13 Jahren, dass die Plattform selbst aber ohnehin kaum kontrolliert.
Profit steht über Allem
Frances Haugen kommentiert die veröffentlichten Daten und beschreibt, dass Facebook immer wieder bei Konflikten zwischen Profit und Sicherheit zugunsten der eigenen Geldbörse entscheidet. Als letzte Instanz entscheidet immer die Marketing-Abteilung und diese setzt immer auf weltweites Wachstum. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass der Konzern nun seinen Namen der übergeordneten Holding von Facebook auf META geändert hat, um mit neuem Branding am Markt erneut anzugreifen.