Noch ist völlig offen, wer demnächst als Vertreter/in Deutschlands die neu entflammte Gegenseitigkeit zu Amerika in Schwung halten soll, gibt es doch, wie Olaf Scholz jüngst sagte, eine neue Zweisamkeit, eine Beziehungsebene. „Wir spüren eine deutliche Veränderung, seit Joe Biden im Amt ist. Es gibt etwas, was uns verbindet. Wir sind Demokratien.“ Biden sei ein echter Lichtblick. Ob es ihm bei dieser Aussage auch um den Wettbewerb zu China geht, von wo aus ein neuer, kalter Krieg droht, ließ er offen. Aber eine Rückkehr der alten Wertegemeinschaft und die Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft will er erkannt haben, seit Joe Biden Donald Trump vor Kurzem abgelöst hat. Schluss mit Drohungen und Streit, denn Amerika sucht Bündnispartner, die als Teil einer amerikanischen Strategie einer epochalen Auseinandersetzung mit China, dem großen Konkurrenten, herhalten.
Für die Amerikaner spitzt sich die Situation zwischen den beiden Großmächten China und USA zu, so dass diese nur ein Szenario bewerten: Entweder gewinnt die USA technologisch, ökonomisch und politisch – vielleicht auch militärisch – oder China gewinnt. Deutschland muss in diesem Wettstreit klar Position beziehen, denn einfach den Vorteil mit chinesischen Geschäften bei Im- und Export zu nutzen, das reicht nicht mehr aus. Die Deutschen werden verpflichtet sein, auf Seiten der USA Stellung gegen China zu beziehen. Dennoch sieht man auf Seiten der Amerikaner auch eine Gefahr im harten Kurs gegen die chinesische Großmacht, denn eigentlich braucht man sie bei den Themen Klimawandel, Pandemien, Atomwaffen. Bernie Sanders, einst Präsidentschaftskandidat der Demokraten warnt vor der Konfrontation: „Don’t start another Cold War.“ (Wir sollten keinen neuen Kalten Krieg beginnen). Denn für Trump war China Rivale Nummer Eins, den man besiegen musste. Für Biden gibt es höhere Ziele: Die USA sehen China, so heißt es im letzten US-Sicherheitsberichts, als „einzigen Konkurrenten, der potenziell in der Lage ist, seine wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht zu kombinieren, um eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offen internationales System zu sein.“
Für Deutschland stellt sich die Frage: Was tut Deutschland, wo stehen sie? Denn wenn es nach Norbert Röttgen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, geht, ist Deutschland mitnichten auf die anstehende Zeitenwende unter Biden vorbereitet. Es muss neues Vertrauen aufgebaut werden, denn die vergangenen Trump-Jahre waren wie ein Angriff auf die transatlantischen Beziehungen. Erst verschwand das Vertrauen, dann die Vertrautheit. Corona erschwerte die Annährung, nun geht es auch darum, dass Deutschland nicht nur nach dem „großen Bruder“ ruft, wenn Gefahr droht, sondern auch bereit sein muss, Truppen zu mobilisieren, wenn es gegen Bündnisgegner geht. Davor hat sich Deutschland in den letzten Jahren immer gedrückt. Heiko Maas jedenfalls, Deutschlands Außenminister, sieht deutliche Fortschritte im gemeinsamen Verhältnis, wie er sagt „macht Außenpolitik nun endlich wieder Spaß“. Doch auch zukünftig wird beispielsweise der Streit um die Ostsee-Pipeline Nordstream 2 einer Dauerstreitthema bleiben, ebenso wie die Handelsabkommen zwischen Deutschland und China und USA, wo sich Deutschland gegebenenfalls für eine Seite entscheiden müsste. Immerhin glauben 4 von 5 Führungskräften in Deutschland, dass dieses Szenario eines Tages Realität werden könnte. Die Experten sind sich einig, dass der Ton gegenüber Peking sich verändern wird.
Eines ist sicher: Deutschland wird sich in Person des neuen Merkel-Nachfolgers auf die US-amerikanischen Beziehungen richtig gut vorbereiten müssen, um eine Erneuerung in dem Miteinander zu erreichen. Denn die USA sind das wichtigste Ziel deutscher Ausfuhren, während China auf Platz 2 liegt, aber bei Einfuhren das bedeutendste Land für die BRD ist. Wolfgang Ischinger, Chef der Münchener Sicherheitskonferenz sieht positive Ansätze im gemeinsamen Wiederaufbau alter Strukturen: „Eine Disruption deutscher Außenpolitik kann ich nicht erkennen.“ Natürlich gebe es Unterschiede bei der Frage bewaffneter Drohnen oder beim Umgang mit der Nato. Insgesamt aber viel Kontinuität. Und das ist wichtig, wenn man die Charmeoffensive von Joe Biden gegenüber Europa richtig interpretieren will.