„Brain Drain“ – der Abfluss von Gehirn. Der Begriff steht für das Abwandern von hochqualifizierten Spitzenkräften. Das Problem kennt man bereits von einkommensschwächeren Ländern, doch auch Deutschland verliert vor allem in Wirtschaft und Wissenschaft wichtige Nachwuchskräfte. Beispielsweise wer in der VWL-Forschung Karriere machen möchte, zieht häufig in die USA. Dabei ist Geld ein wichtiger Grund, aber auch weitere Faktoren spielen eine Rolle.
Die besten Forschungsbedingungen gibt es in den USA
Michael Weber, einer der klugen Köpfe, ist nach seinem Studium an der Universität Mannheim 2009 in die USA ausgewandert. Daraufhin promovierter er in Berkeley und ist mittlerweile Professor für VWL an der Universität Chicago. Dort solle er mit Schwerpunkt Inflationserwartungen forschen. Er ist sich sicher, dass die Entscheidung, in die USA zu gehen, die richtige gewesen sein muss. „Wir hatten damals eine sehr engmaschige Betreuung. Wenn viele schlaue Köpfe aus der ganzen Welt zusammenkommen, entsteht fast schon automatisch ein sehr stimulierendes Arbeitsumfeld.“
Für den Professor an der Universität Frankfurt und Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung, Jan Pieter Krahnen, ist diese Betreuung einer der Hauptgründe, weshalb viele junge Spitzentalente in die USA gehen. „An einige US-Universitäten gibt es in meinem Fachbereich etwa 40 Professoren, hierzulande sind es höchstens mal ein Dutzend.“ Krahnen betont, dass sich hieraus ein deutlicher Wettbewerbsnachteil ergibt. „Generell befinden wir uns im Wissenschaftsbereich auf einem internationalen Markt. Die besten Talente gehen dorthin, wo sie die besten Bedingungen vorfinden.“
Unterschiede zwischen Deutschland und USA
Die akademischen Rahmenbedingungen sind laut Michael Weber einer der gravierendsten Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. Beispielsweise die Gewichtung von Lehre und Forschung. In den USA steht das Forschen im Vordergrund, während viele seiner Kollegen in Deutschland nur selten über einen längeren Zeitraum ausschließlich forschen. Er verbringt laut eigenen Angaben im Jahr etwa ein Quartal in der Lehrtätigkeit, die restlichen drei Quartale widmet er sich ausschließlich seinen Forschungsprojekten.
Eine deutlich höhere Zahl an Publikationen in Fachzeitschriften ist dabei einer der Konsequenzen. Im kürzlich erschienenen Ranking des „Handelsblatts“ belegt Michael Weber Platz 3 bei den deutschsprachigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter 40 Jahren. Ein Erfolg, der ihm in Deutschland vermutlich kaum gelungen wäre. Ein weiterer Aspekt, der laut Weber für die USA spricht, ist der ständige Austausch mit der Politik. Die Expertise von Top-Forschern ist in den USA deutlich gefragter als in Deutschland.
Die Exzellenzstrategie
Vor einigen Jahren wurde in Deutschland die Exzellenzinitiative ins Leben gerufen. Diese wird als Exzellenzstrategie fortgeführt und hat das Ziel den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit somit zu verbessern. Ein guter Schritt, doch die Spitzenforschung voranzutreiben ist bisher nur in Mannheim und Bonn gelungen. „Wir müssen akzeptieren, dass der föderale Gedanke in der Wissenschaft nur bedingt funktioniert. Wenn wir uns international mit den besten Universitäten messen wollen, brauchen wir eine Clusterbildung. Das bedeutet, dass wir drei bis vier Spitzenuniversitäten haben.“ Daraufhin könnten die Fördermittel dann gezielt dorthin fließen. Die Einstiegsgehälter in den USA sind oft doppelt so hoch wie in Deutschland. Um also Spitzenkräfte in Deutschland zu behalten, muss mehr auf die Märkte geachtet werden.
Was muss getan werden?
Laut Krahnen müssen viele der alten Strukturen aufgelöst werden. Er wünscht sich noch mehr Offenheit für Veränderungsprozesse an deutschen Universitäten. „Nur, wenn wir Forschung und Lehre für junge Spitzenkräfte attraktiv gestalten, wird es uns gelingen, die abgewanderten Talente wieder nach Deutschland zurückzuholen. Ein Teil dieses Prozesses muss es sein, alte Strukturen aufzulösen. Zum Beispiel Lehrstühle nach dem alten Prinzip abzuschaffen.“
In vielen Universitäten wird nach wie vor in hierarchischen Strukturen gearbeitet. In Frankfurt ist die Abschaffung von tradierten Prozessen und Strukturen bereits geschehen.