Das Vorhaben der israelischen Regierung, Zwangsräumungen in Ostjerusalem durchzuführen, wurde nun aufgegeben. Die neue israelischen Regierung möchte auf solche Maßnahmen verzichten. Die Zwangsräumungen waren Anfang Mai unter anderem der Auslöser des wieder aufgeflammten Nahost-Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen Hamas gewesen.
Scheich Dscharrah – so heißt das Stadtviertel in Ostjerusalem, das für gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina gesorgt hatte. Die israelische Regierung wollte Hausräumungen in diesem Viertel vornehmen. Vielen palästinensischen Familien hätte von jetzt auf gleich ohne Obdach auskommen müssen. Die geplanten Zwangsräumungen durch jüdische Siedlerorganisationen hatten zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Palästinensern und Israelis geführt und den Nahost-Konflikt erneut aufflammen lassen.
Doch die neue israelische Regierung hat andere Pläne und verzichtet auf die Zwangsräumungen. Laut lokalen Medien wolle Israel auf solche Maßnahmen verzichten, selbst wenn bei der für kommenden Montag vorgesehenen Anhörung beim Obersten Gericht der Räumungsklage stattgegeben werden sollte. Das Entgegenkommen seitens Israels soll zur Deeskalation der Situation beitrage. Israels Ministerpräsident Naftali Bennett sagte, er wolle damit vermeiden, die Spannungen neu anzuheizen.
Bei den Auseinandersetzungen im ostjerusalemer Viertel Scheich Dscharrah ging es um vier Häuser, für die Besitzansprüche gestellt wurden. Die dort lebenden Familien gehören zu einer Gruppe von einst 28 Familien, die während des Unabhängigkeitskrieges nach Ostjerusalem geflohen waren. Ostjerusalem befand sich damals in jordanischem Besitz und wurde den Familien als Unterkunft zur Verfügung gestellt unter der Bedingung, dass sie dafür ihren Flüchtlingsstatus aufgaben. Laut des israelischen Rechts haben sie nun keine Möglichkeit mehr, an ihre ursprünglichen Wohnorte zurückzukehren. Doch die Besitzrechte der Familien wurden in Frage gestellt und sollten nun vor Gericht durch eine Räumungsklage durchgesetzt werden. Der daraus entstandene Konflikt führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Doch nicht nur die Zwangsräumungen hatten zu Spannungen zwischen den beiden Kulturen geführt. Auch die Zugangsrechte zum Tempelberg in Jerusalem und zu Altstadt im muslimischen Fastenmonat Ramadan haben den Konflikt zwischen Israel und Palästina auf die Spitze getrieben. Nach den heftigen Zusammenstößen in Jerusalem stellte die palästinensische Hamas Israel ein Ultimatum. Ein Sprecher der militärischen Organisation in Gaza forderte, Israel müsse alle Polizisten und Siedler vom Tempelberg sowie aus dem Viertel Scheich Dscharrah in Ostjerusalem abziehen. Zudem wurde gefordert, dass alle im Rahmen der jüngsten Konfrontationen festgenommenen Palästinenser freigelassen werden. Die Forderung galt als Warnung. Als Reaktion auf das Vorgehen Israels auf dem Tempelberg und in Scheich Dscharrah hatte die Hamas eine Botschaft an Israel senden wollen und feuerte Raketen aus dem Gazastreifen auf Jerusalem. Nach Angaben der israelischen Armee seien es 150 gewesen. Das israelische Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ habe Dutzende abfangen können. Während der bewaffneten Auseinandersetzungen wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 260 Palästinenser getötet, darunter 66 Kinder. Durch Angriffe mit Raketen und anderen Geschossen kamen in Israel mehrere Menschen ums Leben, darunter ein Kind und ein Jugendlicher.
Der Konflikt dauerte zunächst elf Tage an und hatte sich dann etwas beruhigt. Doch im vergangenen Monat kam es zu erneuten Angriffen. Dieses Mal jedoch nicht aus dem Gazastreifen, sondern aus dem Libanon. Von dort aus waren zwei Raketen auf den Norden Israels abgeschossen worden. Nach Angaben der israelischen Armee konnte das Abwehrsystem eine davon abfangen. Die andere jedoch sei in offenem Gelände aufgeschlagen. Verletzte oder Schäden gab es nicht. Als Reaktion darauf eröffnete Israel das Artilleriefeuer und zielte auf den Libanon.
Die UN-Friedensmission UNIFIL forderte alle Beteiligten auf, sich zurückzuhalten. Sie kündigte zudem eine Untersuchung an, um herauszufinden, wer die Raketen tatsächlich abgefeuert hatte. Laut Vertretern der israelischen Armee, lägen erste Erkenntnisse vor, dass vermutlich Palästinenser die Raketen aus dem Libanon abgeschossen hatten. „Der Staat Libanon ist verantwortlich für die Raketen, die heute Nacht abgefeuert wurden, weil er Terroristen erlaubt, auf seinem Territorium aktiv zu sein“, erklärte der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz via Twitter. Israel kündigte zudem an, dass sie nicht erlauben werden, dass die soziale, politische und wirtschaftliche Krise im Libanon zu einer Sicherheitsbedrohung werde. „Ich rufe die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Stabilität im Libanon wiederherzustellen.“
Derweil wurden aufgrund der Unruhen und instabilen Lage israelische Kinder und Jugendliche zur Erholung vom jüdischen Bildungszentrum Chabad nach Berlin geholt. Die Kinder seien stark von dem Raketenbeschuss durch die Hamas betroffen gewesen, erklärte das Zentrum in einer Mittteilung. „Es ist gerade in diesem Jahr wichtig, positive Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Israel hervorzuheben und den Bereich der Jugendarbeit zu stärken“, sagte Rabbiner Yehuda Teichtal, der Vorsitzende des Zentrums.