Nach der gewaltsamen Stürmung des US-Kapitols werden die ersten juristischen Fälle nun aufgearbeitet. Das Gericht verurteilte den ersten von Hunderten Protestlern zu einer Haftstrafe von acht Monaten. Doch nicht bei allen ist das Strafmaß für das gewaltsame Eindringen in das US-Parlament so hoch.
Knapp acht Monate ist es her, dass sich Trump-Anhänger während einer Protestaktion dazu entschlossen, gewaltsam in das US-Kapitol in Washington D.C. einzudringen, um ihrem Frust über das Wahlergebnis zu Gunsten von Joe Biden Luft zu machen. Seitdem wurden mehr als 500 Menschen angeklagt. Die ersten Gerichtsurteile folgten kürzlich mit dem Ergebnis, dass nun erstmals eine Haftstrafe gegen einen der Angeklagten verhängt wurde. Das Gericht verurteilte einen 38-jährigen Mann aus Florida am vergangenen Montag zu acht Monaten Haft. Der Mann hatte sich zuvor schuldig bekannt, am 6. Januar 2021 zu den Protestierenden gehört zu haben, die gewaltsam den Sitz des US-Kongresses gestürmt hatten. Zudem hatte der Angeklagte die Versuche der Polizei, der Menschenmenge Herr zu werden, behindert. Doch nicht nur Zivilisten wurden angeklagt. Am vergangenen Dienstag wurde der erste aktive Bundespolizist wegen seiner Teilnahme an der Stürmung angeklagt. Er soll seine Dienstwaffe mitgeführt haben, als er sich den Trump-Anhängern im US-Kapitol anschloss.
Hintergrund der Protestaktion war eine kurz zuvor gehaltene Rede Donald Trumps, in der er das Wahlergebnis als Betrug einstufte. Eigentlich hatte der ehemalige Präsident eine geordnete Machtübergabe an den neu gewählten US-Präsidenten Joe Biden versprochen. Auch wenn er das Wahlergebnis nicht akzeptierte, wolle er sich nicht gegen seinen Nachfolger sperren. „Selbst wenn ich mit dem Ergebnis der Wahl absolut nicht übereinstimme und die Fakten mich bestätigen, wird es trotzdem am 20. Januar eine ordentliche Amtsübergabe geben“, versprach er in einer vom stellvertretenden Stabschef Dan Scavino per Twitter verbreiteten Mitteilung.
Seinen Worten ließ er Taten folgen. Jedoch anders, als erwartet. In einer Rede am vergangenen Mittwoch hatte er seinen versammelten Anhängern zugerufen, sie müssten Stärke zeigen und rief dazu auf, zum Kapitol zu gehen. Die Situation eskalierte, als ein Mob anfing die Barrikaden umzustürzen und gewaltsam das Kapitol zu stürzen. Da Donald Trump sich weigerte, gab laut New York Times Vizepräsident Mike Pence den Befehl die Nationalgarde einzuschalten, um die Polizei vor Ort zu unterstützen. Am späten Nachmittag des 6. Januars rief Donald Trump dann doch noch via Twitter zum Rückzug auf und bedankte sich für die Unterstützung seiner Wählerschaft.
Trump kritisierte das Verhalten seiner Wähler kurz darauf in einer Videobotschaft. „Wie alle Amerikaner bin ich empört über die Gewalt, Gesetzlosigkeit und das Chaos“, so der ehemalige US-Präsident. Es sei eine „abscheuliche Attacke“ auf den Kongresssitz und die Eindringlinge hätten den „Sitz der amerikanischen Demokratie geschändet“. Jene, die Gewalt angewendet hätten, repräsentieren nicht das Land und müssten „zahlen“. Eine etwas überraschende Reaktion angesichts seiner aufstachelnden Rede, bei der er dazu aufforderte: „Geben Sie ihnen die Art von Stolz und Mut, die sie brauchen, um unser Land zurückzuerobern.“
Die Staatsanwaltschaft versucht seitdem, die Ereignisse vom 6. Januar aufzuarbeiten und alle, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Eventuell gebe es auch Risiken für die nationale Sicherheit, da noch nicht klar sei, welche Dokumente aus den Büros der Senatoren im Kapitol entwendet wurden.
Die Randale am Kapitol sorgte national wie international für entsetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich folgendermaßen: „Wir alle haben die verstörenden Bilder von der Erstürmung des Kongresses … gesehen. Mich haben diese Bilder wütend und auch traurig gemacht.“ Sie verwies zugleich auf die Grundregeln der Demokratie. Nach einer Wahl gäbe es immer Gewinner und Verlierer und beide müssen ihre Rolle mit „Anstand und Verantwortungsbewusstsein“ zu spielen, damit der wichtigste Sieger, die Demokratie, erhalten bleibt.
„Dieser Tag hinterlässt einen Schandfleck auf unserem Land, der nicht leicht auszuradieren wird“, sagte Chuck Schumer, Fraktionsvorsitzender der Demokraten im US-Senat und fügte hinzu: „Es ist das endgültige, schreckliche Vermächtnis des 45. Präsidenten. Er war ohne Zweifel unser schlimmster.“ Selbst aus den eigenen Reihen werden Kritik und Entsetzen über Trumps Verhalten laut. „Wir haben einen Aufstand erlebt, angezettelt von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten“, so Mitt Romney, republikanischer US-Senator. Joe Biden selbst sprach von einem „unvorhersehbaren Angriff auf die Demokratie“ und fügte hinzu: „Die Worte eines Präsidenten machen einen Unterschied, egal wie gut oder wie schlecht er ist. Die Worte können im besten Fall inspirieren, im schlechtesten Fall aufrühren.“