Die Einigung auf eine globale Mindeststeuer für Unternehmen wurde als historisches Ereignis gefeiert. Alle großen Industrie- und Schwellenländer stimmten der weltweiten Reform zu. Doch die EU-Kommission zögert. Und auch einige EU-Mitglieder stimmten bislang nicht zu. Scholz änderte nun seine Reisepläne, um Überzeugungsarbeit zu leisten.
Der G20-Gipfel hätte für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht besser laufen können. Während des Treffens in Venedig ging es unter anderem um das seit mehreren Jahren vielfach verhandelte Thema der globalen Steuerreform. Das Ergebnis: Alle 20 großen Industrie- und Handelsstaaten stimmten der globalen Mindeststeuer zu. Ein großer Erfolg für Scholz. „Wir haben wirklich hart gearbeitet in den vergangenen Wochen, aber wir haben es geschafft“, teilte Scholz mit. Nun gilt es noch die letzten Details zu klären bis im Jahr 2023 das neue Regime gegen Steuerdumping in Kraft treten soll.
US-Finanzministerin Janet Yellen bekräftigt Scholz in seinem Steuervorhaben. Durch die Beschlüsse werde der „selbstzerstörerische Steuerwettlauf nach unten“ endlich gestoppt. Allerdings ist nicht jeder der Meinung. Die EU-Kommission zeigte sich bisher skeptisch gegenüber der globalen Mindeststeuer. Diese sieht vor, dass Unternehmen künftig nicht nur dort steuerpflichtig sind, wo sie ihren Firmensitz haben, sondern überall, wo sie ihre Waren oder Dienstleistungen vertreiben. Der Steuersatz soll weltweit mindestens 15 Prozent betragen und damit das Steuer-Dumping vieler Ländern verhindern. Ein Beispiel für eine bisherige Steueroase sind die Bahamas. Die 700 Inseln am Rande der Karibik sind für viele ein wahres Paradies – besonders auch in Steuerangelegenheiten. Einkommens- und Körperschaftssteuer gibt es dort nicht und Steuerhinterziehung wird nicht strafrechtlich geahndet. Doch der Status als Steuerparadies könnte ihnen bald aberkannt werden, denn die Bahamas gehören zu den 139 Staaten, die sich dem BEPS-Projekt unter dem Dach der OECD verpflichtet haben. BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) will gegen Steuerflucht vorgehen und die Verlagerung von Gewinnen durch multinationale Konzerne ins Ausland verhindern. Das Projekt bildet die Basis, aufgrund derer der Beschluss für eine globale Mindeststeuer bedeutend vorangetrieben werden konnte.
Besonders Großkonzerne wie Amazon, Google oder Facebook, die rund um den Globus Milliardengewinne verzeichnen und beim Zahlen von Steuern zahlreiche Schlupflöcher ausnutzen können, sollen nun zur Zahlung verpflichtet werden. „Egal wo ein Unternehmen ansässig ist und wo es Tochtergesellschaften hat, es zahlt immer zumindest diesen Mindeststeuersatz“, so die Finanzwissenschaftlerin Dominika Langenmayr von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Doch das bedeute auch, dass mehr Steuern „vor allem in den USA, nicht in Deutschland“ gezahlt werden, so die Ökonomin. Denn auch nach der Mindestbesteuerung von 15 Prozent ist kein Land dazu verpflichtet, diesen Satz auch anzuwenden. Allerdings kann das Mutterland der Gesellschaft dann die Differenz zu den 15 Prozent zusätzlich eintreiben. Beispielsweise würde bei den zahlreichen US-Unternehmen diese zusätzliche Abschöpfung dann in die Staaten fließen.
Neben der EU-Kommission stimmten auch die drei EU-Mitgliedstaaten Estland, Ungarn und Irland bisher nicht zu. Sie sehen noch nicht, wie die neue Steuerreform auch in ihrem Interesse ist. Derweil plant die EU-Kommission einen eigenen Vorstoß. Dieser beinhaltet die Vorstellung von Plänen für eine europäische Digitalabgabe. Diese werde sich im Gegensatz zur globalen Steuerreform nicht gegen amerikanische Konzerne richten, erklärte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Die europäische Digitalabgabe sei auch nicht mit einer Digitalsteuer vergleichbar. Bisher sind noch keine konkreten Details zu den Plänen bekannt, doch Fakt ist: Sie können das geplante Inkrafttreten der Steuerreform vereiteln.
Doch mit einer Einigung auf eine globale Steuerreform würden alle nationalen und regionalen Versuche einer ergänzenden Digitalabgabe überflüssig werden, beteuerte Yellen. Sie wird dies den Kommissionsvertretern noch einmal in einem persönlichen Gespräch mitteilen und reiste in Richtung Brüssel.
Olaf Scholz vertraut auf Yellen‘s Überzeugungsfähigkeiten in Brüssel und ließ wenig Zweifel, dass sie dabei seine volle Unterstützung hat. Die globale Mindeststeuer beinhalte für die 100 größten Konzerne, darunter auch viele Internetfirmen, der Welt Regelungen. „Ich verstehe all die Gespräche mit meinen Freunden der G20 hier so, dass das der Weg ist, dem wir folgen werden“, so Scholz.