Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina nehmen kein Ende. Eine Deeskalation rückt in weite Ferne. Israel mobilisiert 9000 Reservisten, die die Streitkräfte verstärken sollen. Der gegenseitige Beschuss ging auch am vergangenen Donnerstag weiter. Militante Palästinenser schossen Raketen auf Israel. Die israelische Armee verschärft ihrerseits die Angriffe im Gazastreifen.
Im Nahen Osten herrscht Ausnahmezustand. Ein Ende der Kämpfe zwischen Israel und militanten Palästinensern rückt in weiter Ferne. Das israelische Militär setzte am vergangenen Donnerstag seine massiven Angriffe auf dem Gazastreifen fort. Die Gegenseite in dem Küstenstreifen setzten ihrerseits die Raketenangriffe fort und leiteten weitere Luftangriffe gegen Israel ein. Auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Bewohnerinnen und Bewohnern in mehreren israelischen Städten nehmen rapide zu. Im Großraum Tel Aviv, dem am dichtesten besiedelten Gebiet Israels, heulten in der Nacht zum Donnerstag die zweite Nacht in Folge Warnsirenen. Tausende Menschen im Süden des Landes flüchteten sich in Luftschutzbunker. Nach Angaben der Polizei wurden fünf Menschen nahe Tel Aviv durch eine Rakete verletzt, die von Palästinensern abgefeuert worden war. In der Stadt Sderot war nach Angaben der Stadtverwaltung am Mittwochabend ein fünf Jahre alter Junge getötet worden. Einem Armeesprecher zufolge sind in Israel bislang sieben Menschen durch Beschuss getötet worden.
Nachdem am vergangenen Dienstag bereits 5000 Reservisten von der israelischen Armee mobilisiert worden waren, reagierte Israels Verteidigungsminister Benny Gantz auf die andauernde Eskalation im Gaza-Konflikt und genehmigte die Mobilisierung von weiteren 9.000 Reservisten. Dies teilte sein Büro am vergangenen Donnerstag mit. Die Reservisten sollen die Streitkräfte des südlichen und zentralen Regionalkommandos als zusätzliche Kräfte verstärken.
Nach Angaben der Armee wurden seit Montagabend rund 1750 Raketen auf Israel abgefeuert. Dabei kamen bisher sieben Menschen in Israel ums Leben. Im Gazastreifen starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums 87 Menschen.
Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Deeskalation und Beruhigung im Nahen Osten blieben bislang erfolglos. Emmanuel Macron sprach am vergangenen Donnerstag mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Während eines Telefonats habe Macron die Raketenangriffe der islamischen Hamas und „anderer terroristischer Gruppen“ auf Israel kritisiert, teilte der Élyséepalast in Paris mit. Macron habe auch sein Beileid für die zahlreichen Opfer in der palästinensischen Zivilbevölkerung bekundet. Macron beabsichtigt auch mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu zu sprechen. Geplant seien auch weitere Kontakte mit Partnern in der Region, unter anderem mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Auch die USA versuchten zu intervenieren und schickten einen Diplomaten in die Krisenregion, um sich mit führenden Vertretern beider Seiten zu treffen und auf eine Deeskalation der Gewalt zu drängen.
US-Präsident Joe Biden erklärte nach einem Telefonat mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu, er gehe davon aus, dass die Kämpfe bald enden würden. Anzeichen dafür gab es bislang aber nicht. Im Gegenteil: Netanyahu hatte zuvor gesagt, die bisherigen Kämpfe seien nur der Anfang. „Wir werden sie schlagen, wie sie es nie für möglich gehalten hätten.“ Auch Hamas-Chef Ismail Hanija sprach von einer „unbefristeten Konfrontation mit dem Feind“.
Doch der Konflikt verschärfte nicht nur die ohnehin schon angespannte politische Situation, sondern auch die Wirtschaft. Mehrere Fluglinien strichen die Flüge nach Israel. Nach den US-Airlines Delta und American strichen auch British Airways und Lufthansa Flüge in die Krisenregion. Die israelischen Behörden untersagten sämtlichen Passagierflügen die Landung am internationalen Flughafen Ben Gurion und leiteten alle Flüge zum südlichen Flughafen Ramon bei Eilat um. Derweil fuhr auch der US-Energiekonzern Chevron die Produktion auf der Erdgas-Plattform „Tamar“ vor der Küste Israels herunter.
Hintergrund des erneuten Aufflammens des Nahost-Konflikts waren mehrfache gewaltsame Konfrontationen im Laufe des muslimischen Fastenmonats Ramadan zwischen Israelis und Palästinensern in Jerusalem und insbesondere auf dem Tempelberg. Auslöser waren unter anderem Polizeiabsperrungen an der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Viertel Scheich Dscharrah durch israelische Behörden.
Nach den heftigen Zusammenstößen in Jerusalem stellte die Hamas Israel ein Ultimatum. Ein Sprecher der militärischen Organisation in Gaza forderte, Israel müsse alle Polizisten und Siedler vom Tempelberg sowie aus dem Viertel Scheich Dscharrah in Ost-Jerusalem abziehen. Zudem wurde gefordert, dass alle im Rahmen der jüngsten Konfrontationen festgenommenen Palästinenser freigelassen werden. Die Forderung galt als Warnung. Als Reaktion auf das Vorgehen Israels auf dem Tempelberg und in Scheich Dscharrah hatte die Hamas eine „Botschaft“ an Israel senden wollen und feuerte am vergangenen Montag Raketen aus dem Gazastreifen auf Jerusalem.