Am vergangenen Wochenende starben 14 Menschen bei einem Seilbahnunfall im Norden von Italien. Ein Seil der Bahn ist gerissen und die Gondel fiel auf den Boden des Berges. Ein fünfjähriger Junge befindet sich noch im Krankenhaus. Einige Tage nach dem Unglück nahmen die Behörden drei Verdächtige fest, die offenbar das Bremssystem der Bahn manipuliert hatten.
Die Ermittlungen um den Absturz der Gondel am Lago Maggiore bestätigen nun, dass es sich um eine mutmaßliche Straftat handelt und nicht um einen Unfall. Nachdem sie stundenlang verhört wurden, verhaftete die italienische Polizei schließlich drei Mitarbeiter der Betreibergesellschaft von der Seilbahnanlage Ferrovie del Mottarone. Die Verdächtigen hatten „das Notbremssystem der Gondel wissentlich deaktiviert“, so die Süddeutsche Zeitung. Bereits nachdem die Ermittler*innen das Überwachungsvideo analysiert hatten, fanden sie heraus, dass nicht nur ein Seil riss, sondern, dass außerdem die Notbremse ausfiel. An der gestürzten Gondel fand die Polizei eine Klemmgabel, eine sogenannte „forchettone“, welche eine der Bremsen deaktivierte. Dabei handelt es sich aber nicht, wie erst angenommen, um einen fahrlässigen Fehler, sondern pure Absicht. Die Kabine machte bereits seit April immer wieder Probleme und blieb oft einfach stehen, sodass die Mitarbeiter*innen eine Vorrichtung ausschalteten, damit die Gondel reibungslos weiterfahren würde.
Am Tag vor dem Absturz machte die Kabine schon Schwierigkeiten, bis schließlich einige Techniker*innen die Bahn wieder zum Laufen brachten. „Wenn es dort Probleme gegeben hätte, wäre natürlich die logische Entscheidung, die Anlage nicht mehr in Betrieb zu nehmen, das einer Reparatur zuzuführen, bis eben der Sicherheitsstandard wieder zu 100 Prozent erfüllt ist,“ erklärt Christian Felder n-tv, der Vorsitzende des Technikerkomitees der Österreichischen Seilbahnen. Doch genau das taten die Betreiber*innen der Ferrovie del Mottarone Seilbahn offenbar nicht. Aufgrund der Corona-Reglungen durften die Gondeln erst am vergangenen Wochenende wieder öffnen, weswegen die entsprechende Seilbahn nicht gleich wieder wegen Wartungsarbeiten geschlossen werden sollte, um nicht noch mehr Einnahmen einzubüßen. „Man wollte die Seilbahn in Betrieb halten, auch als sich das Problem offenbarte“, so die Ermittler*innen. Die Notbremse blieb also gesperrt, damit die Gondel fährt, doch unglücklicherweise riss eines der Seile, die Bremse konnte nicht greifen und die Kabine stürzte in die Tiefe. Jedes einzelne Seil besteht aus rund 200 einzelnen kleinen Drähten. „Das Seil ist grundsätzlich das sicherste Bauteil, das eine Seilbahn hat. Von diesen Drähten dürfen im Normalfall sehr, sehr viele gebrochen sein, und es passiert überhaupt nichts“, versichert Christian Felder.
Nach dem Vorfall sprach Olimpia Bossi, die zuständige Staatsanwältin, mit allen Mitarbeiter*innen der Seilbahngesellschaft. Die bestätigten ihr, dass die Bahn nicht hätte fahren dürfen und es „einen radikalen Eingriff“ hätte geben sollen, wie Bossi es beschrieb. „Und das hätte eine längere, wenn nicht sehr lange Schließung bedeutet“, welche die Betreiber*innen abwenden wollten, damit sie nicht länger auf Arbeit und Einnahmen verzichten müssen. Der Chef der Seilbahn, Luigi Nerini, wurde im Zusammenhang mit dem Unglück verhaftet. Die Familie Nerini ist bekannt in der Gegend um den Lago Maggiore, denn sie besaß einen Busdienst und eine Reiseagentur in der Gegend. Später wurde die Seilbahn wichtiger, da sie viele Tourist*innen anzieht. Nerini beteuerte kurz nach dem Absturz der Gondel, dass es sich so anfühle als wären „meine eigenen Verwandten, meine eigenen Kinder bei dem Unfall ums Leben gekommen“. Neben Nerini wurden in dem Fall auch ein Manager und ein Ingenieur verhaftet.
Der einzige Überlebende der Katastrophe ist ein fünfjähriger Junge, der zurzeit in einem Krankenhaus in Turin behandelt wird. Nachdem er aus dem künstlichen Koma aufgewacht ist, saßen seine Tante und eine Psychologin am Bett. Der kleine Junge verlor bei dem grauenvollen Unglück seine Eltern, seinen Bruder und auch seine Urgroßeltern. Seine Klassenkameraden schickten ihm eine Stoffdecke ins Krankenhaus, auf die „Forza“, zu deutsch „Kraft“ und „wir haben dich lieb und warten auf dich“ geschrieben wurde.