Der Berliner Mietendeckel wurde vergangenen Donnerstag für verfassungswidrig erklärt und damit stoppt das Bundesverfassungsgericht die Vorhaben des Senats der Hauptstadt. Die rot-rot-grüne Regierung verlangt jetzt einen bundesweiten Mietendeckel. In Berlin gingen noch am Tag der Verkündung tausende wütende Mieter*innen auf die Straße.
Die Demonstrationen gegen die Auflösung des Mietendeckels fanden vor allem in den Stadtteilen Neukölln und Kreuzberg statt. Bezirke, in denen die Miete besonders rasant ansteigt. Eine Wohnung in der Hauptstadt zu finden gleicht damit immer mehr einer Wunschvorstellung, die oft unerfüllt bleibt, bei einem Mangel an Wohnungen und Mietpreisen, die den Bereich des Möglichen immer weiter übersteigen. Rund 10.000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Ihre Forderungen eindeutig: Wohnen ist keine Ware. Die Proteste liefen weitestgehend friedlich ab, einige Teilnehmer*innen waren laut Polizei gewaltbereit und es kam zu „Sachbeschädigungen durch polizeifeindliche und linksextreme Schmierereien“. Die Berliner Polizei setzte Pfefferspray ein, bei einer Rangelei wurde auch ein Journalist von einem Polizisten verletzt. Später am Abend gab es 48 Festnahmen. Warum die Protestierenden so sauer sind ist klar, denn „mehr als jeder fünfte Berliner hat wegen des Mietendeckels zunächst weniger Miete bezahlt“, so die Berliner-Zeitung. Die Mietpreise steigen jetzt wieder an und eine Rückzahlung wird ebenfalls von rund Hunderttausend Mieter*innen gefordert.
„Insgesamt gehen wir von rund 40.000 Berlinern aus, die potenziell finanzielle Unterstützung benötigen können“, so der Senat für Stadtentwicklung und Wohnen. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ist: Mietbremsen sind Sache des Bundes, nicht der einzelnen Länder. Die Bundesregierung hat bereits 2015 eine Mietpreisbremse beschlossen, daher ist der Berliner Mietendeckel, welcher die Mieten ab Juni 2019 einfrieren wollte, ungültig. Laut der „Welt am Sonntag“ geht der Senat davon aus, dass insgesamt bei rund 340.000 Haushalte die Miete ab November 2020 gesenkt wurde. Die Nachzahlungen sollen auf einen Schlag erfolgen, was dazu führen wird, dass jeder zehnte von diesen Haushalten in eine finanzielle Notlage geraten wird. Zusätzlich wurden während des Bestehens des Mietendeckels neue Mietverträge abgeschlossenen, in denen unterschrieben werden musste, dass die Differenz des Mietpreises bei Zerfall des Mietendeckels nachgezahlt werden muss. Diese „Schattenmieten“- Verträge, werden auf rund 57.000 geschätzt. Der Senat ist besorgt, denn „wenn man ebenfalls davon ausgeht, dass zehn Prozent derer, die eine Schattenmietvereinbarung getroffen haben, finanzielle Unterstützung benötigen, beträfe das rund 5700 Mietverhältnisse.“
Der Berliner Senat will die Mietenden unterstützen, die unbedingt finanzielle Hilfe benötigen. Der Immobilienkonzern Vonovia erklärte bereits kurz nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass sie keine Nachzahlungen haben wollen. Rolf Buch, der Vorstandschef verkündet: „Wir verzichten auf bis zu zehn Millionen Euro.“ Weiterhin erklärt er: „Ich bin aber auch überzeugt, dass der Verzicht im Sinne unserer Aktionäre ist. Wir alle brauchen gesellschaftliche Akzeptanz für unser Geschäftsmodell.“ Der Konzern vermietet in Berlin rund 42.000 Wohnungen. Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen hingegen „besitzt gut 155.000 Wohnungen, fast drei Viertel davon im Großraum Berlin“, so die Süddeutsche Zeitung. Der Konzern verlangt allerdings Rückzahlungen von seinen Mieter*innen. Deutsche Wohnen versprach immerhin auch, dass niemand, aufgrund des gekippten Mietendeckels, seine oder ihre Wohnung verlieren soll.
Die Antwort auf die bundesweite Wohnungsproblematik scheint eindeutig, denn da sind sich ausnahmsweise mal alle einig. Sowohl die Senatorin für Wohnen in Berlin, Katrin Lompscher, sowie Bundesinnenminister Horst Seehofer wollen für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. „Meine Devise heißt bauen, bauen, bauen“, so Seehofer. Doch das ist offensichtlich einfacher gesagt als getan, denn in Deutschland fehlen insgesamt 670.000 Wohnungen. Um diesen Mangel auszugleichen müssten jährlich rund 60.000 Wohnungen gebaut werden, so der Tagesspiegel. Doch die Umsetzung dieses Vorhabens liegt wohl noch sehr weit in der Zukunft, denn momentan vermindert sich die Anzahl an Sozialwohnungen sogar, besonders in Berlin.
Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts erscheint besonders während der Pandemie problematisch, da viele Mieter*innen momentan sowieso mit wenig Geld auskommen müssen und derartige Nachzahlungen kaum alleine überstehen können. Die Stadt Berlin verzeichnet außerdem einen extrem hohen Zulauf an Bewohner*innen, weswegen sie nicht mit anderen Städten bundesweit verglichen werden kann. Die Mietproblematik als Sache des Bundes zu sehen ist daher äußerst fragwürdig und die Begründung dazu mehr als unpassend.