Ein Angestellter der Finanzaufsichtsbehörde soll bis kurz vor dem Auffliegen des Finanzskandals mit Wirecard-Papieren gehandelt und dafür Insiderwissen genutzt haben. Der Beschäftigte wurde mit sofortiger Wirkung suspendiert. BaFin-Chef Felix Hufeld gerät unter Druck.
Der Wirecard-Skandal nimmt kein Ende. Nun hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegen ihre eigenen Mitarbeiter ermittelt und Anzeige erstattet. Der Vorwurf: Insiderhandel mit Wirecard-Papieren. Der Beschäftigte habe am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard verkauft, teilte die BaFin in einer Pressemitteilung mit. Einen Tag machte der Finanzdienstleister ein Bilanzloch in Höhe von 1,9 Milliarden Euro öffentlich. „Die Finanzaufsicht hatte den Verdacht im Rahmen ihrer Sonderauswertung entdeckt. Sie hat den Beschäftigten sofort freigestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet“, hieß in der Erklärung der Presseabteilung.
Doch nicht nur der Mitarbeiter steht im Fokus der Kritik. Auch der Chef der Aufsichtsbehörde, Felix Hufeld, gerät ins Kreuzfeuer der Kritik. Dieser hatte sich in der Vergangenheit wiederholt vor seine Mitarbeiter gestellt. Die Mitarbeiter, die mit Wirecard-Aktien handelten, hätten soweit ihm bekannt sei, nichts Unrechtes getan, sagte er im November letztes Jahr. Allerdings fügte er damals auch hinzu, dass die Untersuchungen andauerten. Doch nun hatte die BaFin nach eigenen Angaben bei ihrer kurz vor dem Abschluss stehenden Sonderauswertung den Insiderhandelsverdacht entdeckt. Der Verdacht wurde vergangenen Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart angezeigt. Die Aufsichtsbehörde wollte sich bislang nicht dazu äußern, in welcher Position der angezeigte Mitarbeiter stand und wie stark er in die Aufsicht über den DAX-Konzern involviert war. Auch zur Höhe des gehandelten Betrags äußerte sich die BaFin bislang nicht.
Im Sommer 2020 war bereits bekannt geworden, dass Mitarbeiter der BaFin vor dem Bilanzskandal massiv mit Wirecard-Aktien gehandelt hatten. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums machten 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter knapp 500 Aktiendeals mit Wirecard seit Anfang 2018. Im Zuge des Finanzskandals sollen die Finanzaufseherinnen und -aufseher mehr Kontrollbefugnisse bekommen haben, aber zugleich auch häufiger wechseln und bei Fehlern schärfer sanktioniert werden. Im Oktober vergangenes Jahr verschärfte die Behörde zudem die Compliance-Regeln für private Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter. Doch diese Änderungen kamen viel zu spät, sagen Kritiker. „Herr Hufeld behauptete kürzlich noch, alles sei bei der BaFin korrekt gelaufen“, sagte der Finanzpolitiker Fabio De Masi. Die Anzeige strafe Felix Hufeld selbst Lügen, so De Masi. Er fordert einen ähnlichen Verhaltenskodex für den Umgang mit Wertpapiergeschäften auch für Ministerien und den Bundestag.
Seitens der Opposition im Bundestag ist die Konsequenz daraus eindeutig. „Olaf Scholz muss endlich einsehen, dass die derzeitige Leitung der BaFin nicht mehr in der Lage sein wird, den Ruf und die Autorität dieser Behörde wieder herzustellen“, sagte der FDP-Politiker, Florian Toncar, und forderte einen Neuanfang an der Spitze der Bundesbehörde. Zudem soll sich die BaFin zur Position des angezeigten Mitarbeiters und seiner Rolle in der Aufsicht des Finanzdienstleisters äußern.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) äußerte sich wie folgt zur Anzeige des Mitarbeiters: „Das ist ein schwerwiegender Vorgang, den die Sonderprüfung in der BaFin jetzt zutage gefördert hat.“ Auf Hufeld ging der Finanzminister jedoch nicht ein.
Die BaFin steht seit Monaten in der Kritik. Ihr wird vorgeworfen, im Wirecard-Skandal zu lange weggeschaut zu haben. Ende Juni 2020 hatte der Dax-Konzern Wirecard einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Landgericht München gestellt. Der Grund: Laut Aussagen des Unternehmens drohen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Hinter der Zahlungsunfähigkeit steckte jedoch kein Liquiditätsengpass, sondern ein Finanzloch in Höhe von 1,9 Milliarden Euro, das der Wirtschaftsprüfer Ernst and Young (EY) im Jahresabschluss entdeckt hatte. Das Geld befand sich offiziell auf Treuhandkonten auf den Philippinen. Doch wie sich herausgestellt hatte gab es besagte Konten nie und folglich eine Summe in dieser Höhe auch nicht.
Der größte Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik endete aber lange nicht mit der Aufdeckung unrechtmäßiger Geldströme und dubiosen Drittpartnergeschäften. Im Zuge der Ermittlungen waren die BaFin und EY ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Fragen, wie Wirecard jahrelang die Bilanzen vor den Augen der Finanzaufsicht verschleiern konnte und die Testate vom Wirtschaftsprüfer EY für vergangene Jahresabschlüsse erhalten hatte, sind bislang ungeklärt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass britische Medien seit mehreren Jahren über die finanziellen Ungereimtheiten berichtet hatten, rückte die deutsche Finanzpolitik in den Fokus der Kritiker.