Die ESA will endlich dem Weltraumschrott den Kampf ansagen. Denn die waschmaschinengroßen Schrottstücke in der Umlaufbahn sorgen für Ärger.
Das Schweizer Startup Clearspace hat die Zusage der ESA bekommen, im Rahmen ihres «Space Safety»-Programms die Mission zum Einfangen von Weltraumschrott zu auszuführen. Das EU-Industriekonsortium wurde von der ESA ausgewählt, diese Aufgabe im All zu bewältigen. Dort soll innerhalb von fünf Jahren haushaltsgerätegroßer Schrott abgetragen werden. Eine Mammutaufgabe, denn die Schweizer mit ihrem Startup Clearspace sind dabei erst zwei Jahre alt und wurden 2018 in Lausanne gegründet.
Auf der École polytechnique fédérale de Lausanne, der technisch-naturwissenschaftlichen Universität, kamen Forscher zusammen, um zu ergründen, wie man Altlasten wie Satelliten mit Kameras aufspüren kann, um sie dann aufzusammeln. Während ihrer Forschungszeit ging es um den Schweizer Kleinsatelliten namens Swiss Cube, welcher von den dortigen Hochschülern gebaut wurde und dann seit 11 Jahren die Erdumlaufbahn umkreist.
Somit gewann das Startup immer mehr Wissen um die Frage, wie sich Weltraumschrott aus der Erdumlaufbahn wieder entfernen lässt. Nach einem mehrmonatigen Auswahlverfahren fiel die Wahl vor einem Jahr auf den Vorschlag, den Clearspace zusammen mit Firmen aus sieben anderen Ländern ausgearbeitet hatte. So haben sich mit dem Startup weitere Unternehmen zu einem internationalen Konsortium zusammengeschlossen, welches 14 Millionen beisteuert und mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) einen Vertrag über 86 Millionen Euro unterschrieben hatte. Im Konsortium sind sehr große Unternehmen vertreten wie zum Beispiel Airbus, die den Schweizern bei ihrer Mission unter die Arme greifen.
Was ist die Aufgabe von Clearspace?
Es soll den im Weltall herumfliegenden Nutzlastadapter einfangen, danach soll er gezielt abstürzen. Somit wird dann seine 2013 begonnene Irrfahrt durchs All beendet. Der Auftrag für die Schweizer ist mit 100 Millionen dotiert. Das Unternehmen beschäftigt schon über 30 Mitarbeiter. „Das ist für uns fantastisch“, sagt Piguet,Mitgründer von Clearspace. Schlau war die Gründung auf jeden Fall, denn mit zunehmender Wirtschaftlichkeit von Weltraumfahrten und der Privatisierung wird auch dieser Wirtschaftszweig der Weltraumschrott-Entsorgung in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Private Unternehmen wie Space X schießen in den nächsten Jahrzehnten noch mehr Satelliten ins All, welche für Kollisionsrisiken sorgen werden. Der Generaldirektor der ESA, Jan Wörner, sagte, dass die ESA ihre Verantwortung für den Weltraum ernst nehme.
Warum ist Weltraumschrott ein Problem?
„Wenn zwei Objekte, die nicht mehr funktionieren, in Kollision kommen, generiert das eine sehr große Menge Schrott im Weltraum, und das ist ein Risiko für alle Missionen, die wir in der Zukunft haben“, so Piguet. ClearSpace soll in Zukunft den die Erde umkreisenden Schrott aufräumen. „Was wir eigentlich machen ist, diese Objekte, die nicht mehr funktionieren, aus dem Weltraum rauszunehmen. Wir holen sie ab und bringen sie zurück in die Erdatmosphäre, wo sie verbrennen“, erklärt Piguet.
Mittlerweile ist der Orbit voll von ausrangierten Satelliten, über 5000 umkreisen dort immer noch die Erdumlaufbahn seit den 1950ern. Insgesamt sind es rund 42.000 Objekte, die durchs All fliegen. Sie können wie Geschosse für Satelliten oder Raumstationen gefährlich werden. Nun soll der Friedhof der kaputten Satelliten endlich aufgeräumt werden. Pro Tag tauchen bei der ESA über hundert Kollisionswarnungen auf, sagt Rolf Densing, der bei der ESA den Missionsbetrieb leitet. Zum Glück ist der Großteil der Warnungen nach einer Überprüfung unbegründet. Dennoch ist es ungefähr aller 14 Tage nötig, dass ein Satellit ein Ausweichmanöver fliegen muss. Der Nachteil: die Satelliten verlieren so an Lebensdauer und verbrauchen Brennstoff.
Schon seit einigen Jahren ist in der Raumfahrt-Branche das Problem erkannt und es wird in neue Technologien investiert, welche in Zukunft das All sauber halten sollten. Der Industriezweig nennt sich Deorbiting und steckt noch in den Kinderschuhen. Neuere Satelliten sind mit einer Technologie ausgestattet, welche es ermöglicht, dass sie nach einem Viertel Jahrhundert selbständig von ihrer Umlaufbahn weichen. Doch bei älteren Modellen kann diese bequeme Möglichkeit des Aufräumens nicht realisiert werden.
Genau deswegen müssen die alten Satelliten auch irgendwann per Mission aus dem Weltall entfernt werden. Doch wer kommt für die Kosten dieses Unterfangens auf? Satellitenbetreiber werden nicht für die Säuberungsmissionen zahlen wollen. Doch je mehr Marktteilnehmer im Weltall ihren Platz suchen, desto wichtiger wird auf lange Sicht das Zurückholen der Satelliten. Der Kostenfaktor ist dabei entscheidend, dass sich Satellitenbetreiber bei den Kosten der Rückholmissionen beteiligen werden.
Die Clearspace-1-Mission ist für das Jahr 2025 vorgesehen und wird hoffentlich erfolgreich zeigen, wie über 100 Kilogramm wieder zurück zur Erde gebracht werden können, die mit starker Geschwindigkeit um die Erde rasen. Natürlich müssen die Kosten für solche Entsorgungs-Missionen sinken, sagt Luc Piguet. Nur dann gebe es für die Satellitenbetreiber einen Anreiz, ihren Müll auch wieder zu entsorgen.
Ungewöhnlich ist tatsächlich, dass die ESA einem Startup soviel Geld anvertraut, um diese Pionier-Mission zu starten. Dies ist mit Sicherheit nicht frei von Risiko. Zudem erfolgt die Bezahlung der Mission nach erreichten Etappen. Doch sicher hoffen alle, die an der Mission beteiligt sind, dass sich in Zukunft ein neuer Markt entwickeln wird und damit die Nachfrage auch die Kosten sinken lässt.