Der Impfstoff ist da und er wird bereits fleißig verabreicht. Israels Ministerpräsident Netanyahu spricht von einem „Impf-Weltrekord“ in seinem Land. Innerhalb von drei Monaten sollen insgesamt 60 Prozent der israelischen Bevölkerung geimpft sein, um eine Herdenimmunität herzustellen. Doch wie ist das überhaupt möglich?
Am 20. Dezember ließ sich Benjamin Netanyahu als Erster vor laufender Kamera impfen. „Eine kleine Injektion für einen Mann und ein gigantischer Sprung für unser aller Gesundheit“, erklärt er dabei. In nur neun weiteren Tagen schaffte es das Land, rund eine halbe Million weiterer Menschen gegen das Coronavirus zu impfen, was fast fünf Prozent der Bevölkerung ausmacht. Wie Gesundheitsminister Yuli Edelstein twitterte, handelt es sich dabei um eine höhere Anzahl an Menschen also solche, die sich mit dem Virus infiziert hatten. Auch in Israel gibt es eine Prioritäten-Liste, die erklärt welche Menschen sich zuerst impfen lassen sollen. Darunter fallen alle über 60-jährigen, „chronisch Kranke und Menschen in Gesundheitsberufen“, wie die Morgenpost berichtet. Netanyahu erklärt, dass diese Bürger und Bürgerinnen mit der höchsten Priorität alle innerhalb eines Monats geimpft sein sollen. „Wenn wir das geschafft haben, können wir nach weiteren 30 Tagen das Virus hinter uns lassen, die Wirtschaft öffnen und Dinge tun, die kein anderes Land tun kann.“
Bei Israel handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Land, was Laut Arnon Afek, einem Arzt und Professor aus Tel-Aviv, das schnelle Impfen erleichtert. „Die Krankenkassen kümmern sich in Israel direkt um die Behandlung. Sie beschäftigen eine große Zahl von Ärztinnen und Pflegern. Premier Netanyahu spricht von 150.000 Impfungen pro Tag. Ich glaube, das wird eine schwere Aufgabe. Aber ich denke, dass wir das schaffen“, erklärt er. Er geht davon aus, dass das Land als erstes der Welt eine Herdenimmunität erreicht. Das Land hat nur rund neun Millionen Einwohner, „viele jungen und wenige alte Menschen“, wie die Tagesschau schreibt. Das bedeutet, dass die alte Risikogruppe schneller geimpft werden kann, als beispielsweise in Deutschland. Ein weiterer Faktor für Israels Impf-Rekord stellt wohl die schnellere Verfügbarkeit des Impfstoffes dar. Als klar wurde, wie wirksam der neu-entwickelte Impfstoff ist, bestellte das Land „bei Pfizer entschlossener als es die Europäische Union tat“, so ebenfalls die Tagesschau. Nadav Eyal, ein israelischer Journalist, begründet das auch mit einem kapitalistischen Interesse seitens der Pharmaindustrie: „Die EU zahlt für eine Impfdosis etwa 18 US-Dollar. Israel zahlt laut Medienberichten 30 US-Dollar. Für Pfizer hat das eine große Bedeutung, dass ein Land mehr zahlt, um mehr zu bekommen“. Das bedeutet, dass Israel vorerst mehr Impfstoff als Deutschland zur Verfügung haben wird.
Die Epidemiologin Ora Paltiel von der Universität in Jerusalem erklärt einen weiteren Vorteil Israels. Das Land verfügt über „eine gut ausgebaute, universale Primärversorgung“, wie es bei der Morgenpost heißt. Das bedeutet, dass die Impfung für alle zugänglich ist und in ambulanten und extra aufgebauten Einrichtungen verabreicht wird. Doch Paltiel stoppt die vorschnelle Euphorie, denn sie warnt davor, dass die jüngeren Bürger und Bürgerinnen des Landes den Impf-Wahn stoppen könnten. Es ist noch nicht ganz klar wie die jüngeren Generationen zu der Impfung stehen. Afek erklärt: „Im Internet geistern so viele Fake-News über die Impfstoffe herum, es ist zum Verrücktwerden“ und plädiert für mehr Aufklärungsarbeit.
Doch bisher gibt es von dieser vermeintlichen Ablehnung des Impfstoffes in Israel noch keine Spur. Die Israelis standen stundenlang vor den Impfzentren an. Ab Januar dürfen sich auch Lehrkräfte anstellen, denn obwohl sich das Land momentan im bereits dritten Lockdown befindet müssen diese unterrichten, weshalb auch sie mit höherer Priorität behandelt werden. Bis jetzt impft Israel tatsächlich am schnellsten, gefolgt von Bahrain und Großbritannien. Deutschland liegt erst auf dem 12. Platz in der Rangliste. Noch befindet sich Israel im Lockdown, doch sollte es so weitergehen und sollte auch die jüngere Bevölkerung sich so bereitwillig impfen lassen, ist Israel auf einem schnellen Weg der Herdenimmunität.