Der US-Heimatschutz befürchtet, dass der Sturm auf das Kapitol erst der Anfang war. Radikale Trump-Anhänger könnten sich nach dem Angriff auf das Kapitol ermutigt fühlen, schreibt das Heimatschutzministerium. Da weiterhin Gewalt droht, hat die US-Behörde nun eine Terrorwarnung verhängt.
Nach dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. und der Vereidigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden befürchtet das Heimatschutzministerium, dass radikale Trump-Anhänger weitere Gewalttaten planen. Die Gefahr durch potentielle extremistische Gewalttaten in den Vereinigten Staaten sei groß. Deshalb veröffentlichte das Ministerium vergangenen Mittwoch ein Bulletin zur nationalen Risikolage mit Blick auf mögliche terroristische Bedrohungen. Die Gefahr besteht, dass sich gewalttätige Extremisten durch den Angriff auf das Kapitol Anfang Januar ermutigt fühlen, Staatsvertreter und Regierungsstellen anzugreifen, heißt es in dem Bericht. Informationen deuten darauf hin, dass ideologisch motivierte Extremisten aus Widerstand gegen den Staat oder die Amtsübergabe im Weißen Haus zu Gewalt aufrufen oder Gewaltakte begehen könnten.
Die Gefahr besteht jedoch nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern landesweit. „Eine Gefahr gibt es nicht nur in Washington oder zur Inauguration Bidens, sondern in allen 50 Landeshauptstädten“, erklärte der Terrorismusexperte, Peter Neumann, in einem Interview mit der Tagesschau und fügte hinzu: „Die gute Nachricht ist, dass die Sicherheitsbehörden sicher besser vorbereitet sein werden … . Gewalt lässt sich trotzdem nicht ausschließen.“ Neumanns Einschätzung nach sei Gewalt in den kommenden Wochen sogar sehr wahrscheinlich.
Die US-Heimatschutzbehörde hat aufgrund dessen eine Terrorwarnung rausgegeben. Durch die „ideologisch motivierte, gewalttätige Extremisten“ besteht ein „erhöhtes Bedrohungsumfeld im ganzen Land, erklärte das Ministerium. Zwar gebe es derzeit keine Hinweise auf konkrete Angriffspläne, es drohe aber womöglich über Wochen neue Gewalt. Es besteht die Sorge, dass „unrichtige Erzählungen“ die Menschen zu Gewalttaten anstiften könnten. Damit wird auf die Behauptungen des ehemaligen Präsidenten Donald Trump angespielt, der weiterhin behauptet, ihm sei der Wahlsieg durch einen Betrug der Demokraten gestohlen worden. Der Republikaner hatte bereits vor Monaten damit angefangen, Zweifel am amerikanischen Wahlsystem zu verbreiten. Nach seiner Wahlniederlage wurden daraus konkrete Vorwürfe. Die US-Wahl 2020 sei „ein kompletter Betrug“ gewesen, sagt Trump vergangenes Jahr in einem Fernsehinterview. „Auf keinen Fall hat Joe Biden 80 Millionen Stimmen erhalten.“
Seine Anhänger glauben ihm und folgten deshalb der Aufforderung in seiner Rede am 6. Januar 2021 und marschierten zum US-Kapitol. Die Situation vor Ort eskalierte, als ein Mob anfing, Barrieren umzustürzen und gewaltsam das Regierungsgebäude zu stürmen. Die Sicherheitskräfte vor Ort waren dem Ansturm nicht gewachsen. Mindestens fünf Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben, darunter ein Polizist.
Laut Neumann fragen sich viele Experten, warum das nicht schon früher passiert sei. „Es gibt ein ganz erhebliches Potenzial von Leuten, die fanatische Trump-Anhänger sind, dem ihre Loyalität gilt“, sagt Neumann. Die Trump-Anhänger lebten in einer Art Paralleluniversum und glauben, dass die Wahl gestohlen wurde und dass Trump weiter der legitime Präsident sei. „Und jetzt, wo klar geworden ist, dass keiner der bisherigen Versuche zu einer Änderung des Wahlergebnisses führt, nehmen diese Anhänger das Heft in die eigene Hand“, so der Terrorismusexperte.
Doch nicht nur die Wahlergebnisse und der Regierungswechsel könnten für weitere Unruhen sorgen. In dem Bulletin mahnte das Heimatschutzministerium auch, dass insgesamt ein Risiko bestehe, dass sich gewaltsame Aktionen fortsetzen könnten, bei denen Extremisten aus Wut über Migrationspolitik, ethnische Spannungen oder Corona-bedingte Restriktionen Gewalttaten planen und begehen könnten. Laut dem US-Heimatschutz habe die Gefahr von Angriffen auf kritische Infrastrukturen, beispielsweise im Telekommunikations- oder Gesundheitssektor, im vergangenen Jahr zugenommen. Schuld seien mitunter Desinformationen und Verschwörungstheorien, die rund um die Corona-Pandemie kursierten und Extremisten zu gewalttätigen Aktionen angetrieben hatten.
Aufgrund des extremen Gefahrenpotenzials hatte die Amtseinführung Bidens unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. 20.000 Nationalgardisten sowie zahlreiche Polizisten und Agenten des Secret Service sicherten die Amtseinführung in Washington D.C. ab. Die Gegend rund um das Kapitol wurde abgesperrt und um das Gelände wurde ein Sicherheitszaun errichtet.
Die Ermittlungen zu den Vorkommnissen am 6. Januar laufen noch. Der Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI), Christopher Wray, warnte jedoch auch schon zur Amtseinführung Bidens, dass es „besorgniserregendes Online-Gerede“ über potentielle Gewaltaktionen gebe. Bislang seien mehr als 200 Verdächtige identifiziert worden, die möglicherweise Aktionen nach dem Vorbild der Stürmung des Kapitols planten. Für die Unruhestifter und Gewalttäter hatte Wray eine Botschaft: „Wir wissen, wer ihr seid.“ Wer also in den kommenden Tagen Gewaltaktionen plane, kann mit dem FBI rechnen.