Ab 2022 dürfen beim Einkauf keine Einkaufstüten aus Plastik mehr angeboten werden. Allerdings gibt es Ausnahmen – dünne Plastikbeutel sind weiterhin erlaubt. Von der Opposition hagelt es deshalb Kritik.
Union, SPD und Grüne haben im Bundestag für ein Verbot von Plastiktüten gestimmt. Das Gesetz soll ab Januar 2022 gelten und die Ausgabe von Plastiktüten in Supermärkten verbieten. 2016 wurde bereits eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Umweltministerium und dem Handelsverband Deutschland getroffen, um den Plastiktütenverbrauch zu verringern. Die Bundesregierung will mit der Neuregelung nachziehen und den Verbrauch der Kunststofftüten weiter reduzieren. Bereits im September hatte das Onlinemagazin „Mitteldeutsches Journal“ einen Bericht veröffentlicht, in dem ein rigoroser Stopp von Plastikabfällen seitens der Bundesregierung gefordert wird.
Ursprünglich sollte es nur eine Übergangsfrist von sechs Monaten geben. Allerdings müssen die bisherigen Vorräte erst einmal verbraucht werden. Deshalb wurde die Frist auf Drängen des Handels auf 12 Monate verlängert, sodass ab 1. Januar 2022 keine Plastiktüten mehr in Supermärkten verwendet werden dürfen. Allerdings gilt das Verbot nur für leichte Plastiktüten. Das schließt Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke zwischen 15 und 50 Mikrometern ein – die Standardtüten, die in der Regel an den Ladenkassen erhältlich sind. Daneben sind vielfach auch schon umweltfreundlichere Alternativen, wie Beutel, erhältlich. Allerdings nutzen die meisten Einkäuferinnen und Einkäufer bevorzugt die preisgünstigeren Plastiktüten. Ausgenommen von dem Verbot sind die besonders stabilen Mehrweg-Tüten sowie die dünnen Plastikbeutel, die in der Obst- und Gemüseabteilung erhältlich sind.
Dafür hagelt es seitens der Opposition heftige Kritik. „Die Plastiktüte ist der Inbegriff der Ressourcenverschwendung“, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die das Verkaufsverbot auf den Weg gebracht hatte. „Gute Alternativen sind Einkaufskörbe, waschbare Stoffbeutel für Obst und Gemüse und wiederverwendbare Boxen für Waren von der Frischetheke.“
Auch die deutsche Umwelthilfe (DUH) übte Kritik, denn die verlängerte Übergangsfrist würde das Ende der Plastiktüte nur unnötig hinauszögern. In den kommenden 12 Monaten fielen pro Minute weitere 3700 Einwegplastiktüten an, die häufig in der Umwelt landen.
Die Umweltorganisation WWF sieht in dem neuen Gesetz nur ein Symbol. Es sei zwar grundsätzlich gut weniger Plastiktüten zu produzieren und in Umlauf zu bringen. Allerdings mahnte sie zugleich auch, dass lediglich ein Prozent des deutschen Kunststoffverbrauchs auf Plastiktüten zurückzuführen sei. Für Linke und Grüne ist der Beschluss nicht ambitioniert genug. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Bettina Hoffmann, forderte „eine konsequente Abfallvermeidungspolitik und eine echte Mehrwegstrategie“. Das schließt nicht nur leichte Plastiktragetaschen im Supermarkt mit ein. Gebraucht werden verbindliche Vermeidungsziele für Verpackungsmüll ebenso wie der gesetzliche Vorrang von Mehrwegprodukten. Es muss „auch über den Getränkebereich hinaus gedachte werden“. Das schließt beispielsweise Versand- und Lebensmittelverpackungen ein. Auch hierfür werden langfristig umweltfreundliche Lösungen gefordert. Das beschlossene Gesetz stellt für Hoffmann nur ein Tropfen auf einem heißen Stein dar. „Der Trend zu Einwegverpackungen wird mit diesem Mini-Gesetz leider nicht gestoppt.“
Während der Beschluss für die einen nicht ambitioniert genug ist, ist er für die AfD und FDP ein unberechtigter Eingriff in den Markt ohne nachweisbare Vorteile für die Umwelt. Der AfD-Abgeordnete Andreas Bleck verwies unter anderem darauf, dass die freiwillige Regelung den Plastiktüten-Verbrauch in Deutschland innerhalb weniger Jahre mit einem Rückgang um zwei Drittel bereits drastisch reduziert habe. Das Verbot sei deshalb „das sinnloseste umweltpolitische Verbot dieser Legislaturperiode.“
Neben dem Plastiktüten-Verbot hat der Bundestag auch das Verbot von Einwegplastikprodukten beschlossen. Dies betrifft vor allem Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Wattestäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff, sowie Becher und Behälter für Essen aus Styropor. Der Verkauf von bereits vorhandenen Lagerbeständen ist jedoch auch nach dem 1. Juli 2021 noch erlaubt. Neu produziert werden darf aber nicht mehr. Laut EU-Kommission zählen die im neuen Gesetz verbotenen Produkte zu den am häufigsten an europäischen Stränden gefundenen Plastikgegenständen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat ausgerechnet, dass mehr als 40 Prozent der Abfälle in öffentlichen Mülleimern, auf Straßen oder in Grünanlagen Produkte aus Einwegkunststoff oder Verpackungen sind. Die negativen Folgen des Plastikverbrauchs treten inzwischen in großem Ausmaß zu Tage. Laut des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) schwimmen pro Quadratkilometer rund 18.000 Plastikpartikel unterschiedlichster Größen im Meer. Der größte Teil der Kunststoffabfälle sinkt auf den Meeresboden, sodass nur die Spitze des Eisberges sichtbar ist. Und diese Spitze hat sich in Form eines Müllteppichs im Nordpazifik angesammelt und inzwischen die Größe Mitteleuropas erreicht.
Kritiker äußerten aber auch hier Bedenken, da das Gesetz Raum für Schlupflöcher ließe. Es werde zwar die Produktion von Einweg-Plastikprodukten verboten. Allerdings können diese von anderen umweltunfreundlichen Materialien ersetzt werden. Beispielsweise ist die Produktion von Papiertrinkhalmen wasserintensiv und Becher aus Bambus können Schadstoffe abgeben.
Das Regelwerk für ein Einwegplastik-Verbot reicht den Grünen und Umweltorganisationen deshalb noch nicht aus. „Der Weg aus der Plastikkrise führt nur über eine echte Verpackungswende“, erklärte die Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth. „Wichtig ist, dass wir insgesamt viel weniger Müll produzieren, egal ob dieser aus Plastik, Papier oder Aluminium besteht.“ In ihrer Rede im Bundestag fordert Hoffmann eine „Revolution der gesamten Güterproduktion“, erklärte Hoffmann gegenüber dem Tagesspiegel.