Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden will Iran die Spannungen gegenüber den Vereinigten Staaten wieder abbauen und Verhandlungen über eine Wiederaufnahme des Atomabkommens führen. Auch der tödliche Anschlag auf einen bedeutenden iranischen Atomwissenschaftler soll die Verhandlungen nicht hinauszögern.
Die bislang angespannte Beziehung zwischen dem Iran und den USA soll nun unter Biden abgebaut werden. „Wir wollen ja keine Freundschaft anfangen, sondern nur unnötige Spannungen und Feindseligkeiten abbauen“, teilte der Außenminister Mohammad Dschawad Zarif vergangenen Montag in einem Video-Interview des Nachrichtenportals Entechab mit. Eine Annäherung an die Vereinigten Staaten nach Bidens Amtsantritt sei im Interesse des Landes und Volkes. Parteipolitische Erwägungen sollten daher diese Annäherung auch nicht infrage stellen.
Zarif kenne Biden noch aus seiner Zeit als iranischer UN-Botschafter in New York City und habe ihn auch persönlich getroffen. „Biden ist seit den 1970er Jahren in der amerikanischen Außenpolitik tätig und kennt sich darin weitaus besser aus als Trump“, so der iranische Außenminister. Laut Zarif wird es auch künftig unter dem amerikanischen Präsidenten Biden noch Misstrauen und Differenzen zwischen den beiden Ländern geben, allerdings weniger als zuvor unter Donald Trump.
Die Hoffnung ist eine Wiederaufnahme des Wiener Atomabkommens 2015 und die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran. Trump war 2018 aus dem Atomabkommen ausgetreten. Nur wenige Tage, nachdem der israelitische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das sogenannte „Atomarchiv“ in Tel Aviv veröffentlich hatte. Dabei handelte es sich um tausende Dokumente, die Mossad-Agenten aus Teheran nach Israel gebracht hatten. Damit wollte Israel belegen, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm 2003 nicht beendet hatte, sondern weiterhin daran geforscht habe – unter der Führung von Mohsen Fakhrisadeh, einer Schlüsselfigur des iranischen Nuklearwaffenprogramms. Israel sieht Irans Atomwaffenprogramm als Gefahr für die eigene Sicherheit und versucht es daher zu verzögern.
Eine Neuauflage des Abkommens könnte für den Iran den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten. Als Trump damals aus dem Atomdeal ausstieg, verhängte er zudem scharfe Sanktionen, die die islamische Republik in den vergangenen zwei Jahren in die schlimmste Wirtschaftskrise der Geschichte des Landes stürzte. Die Corona-Pandemie hatte die Situation weiter verschärft. Nur eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem neuen amerikanischen Präsidenten kann Iran aus der Krise helfen.
Allerdings gab es am Freitag, den 27. November 2020, einen tödlichen Anschlag auf Fakhrisadeh, bei dem der Iran annimmt, Söldner der Vereinigten Staaten sowie Israels wären dafür verantwortlich. Der Zeitpunkt der Ermordung steht in Zusammenhang mit dem politischen Kalender Washingtons. Bis Biden am 20. Januar 2021 die Präsidentschaft annimmt, versucht Israel den Iran wirtschaftlich und militärisch soweit es geht zu schwächen. Es geht vor allem auch darum, die von Biden angekündigten neuen Verhandlungen über ein wiederaufgelegtes Atomabkommen abzuwenden.
Der Anschlag kann zudem für weitere Spannungen zwischen Teheran und Washington sorgen. Zugleich könnte das Attentat zu einer gewaltsamen Antwort seitens des Iran führen, was wiederum ein Vorwand für einen amerikanischen Schlag auf die iranischen Atomanlagen liefern könnte. Damit würde der Einstieg in die Verhandlungen verzögert und erschwert. Trump soll schon vor zwei Wochen einen Militärschlag erwogen haben. Aber auch mit Fakhrisadeh als Schlüsselfigur des iranischen Nuklearwaffenprogramms glauben wenige, dass seine Ermordung das Atomprogramm vereiteln werde.
Die Neuaushandlung des Atomdeals sei auch im Interesse der Bundesrepublik, so Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). „Eine Rückkehr zum bisherigen Abkommen wird nicht ausreichen“, erklärte Maas dem „Spiegel“ laut einer Vorabmeldung vom Freitag und fügte hinzu: „Es wird eine Art „Nuklearabkommen Plus“ geben müssen, was auch in unserem Interesse liegt“. Die Erwartungen der Bundesregierung an den Iran sind klar: „keine Nuklearwaffen, aber auch kein ballistisches Raketenprogramm, das die ganze Region bedroht“, sagte der SPD-Politiker und betonte: „Wir brauchen dieses Abkommen, gerade weil wir Iran misstrauen.“
Biden gab kürzlich in einem Interview bekannt Verhandlungen über ein Folgeabkommen anzustreben, um die Atombeschränkungen gegen den Iran zu „verschärfen und zu verlängern“. Dabei solle es auch um das iranische Raketenprogramm gehen.