Digitale Platzhirsche bekommen immer mehr Macht und nutzen diese auch ohne Zögern aus. Das deutsche Kartellrecht wird jetzt mit dem Digitalisierungsgesetz modernisiert. Ein wichtiger Schritt.
In erster Lesung am 29. Oktober 2020 diskutierten die Bundestagsabgeordneten über den Gesetzentwurf zur Digitalisierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das deutsche Kartellrecht muss der Marktmacht der Internetriesen angepasst werden. Denn diese probieren ständig, sich durch ihre Datenflut und Marktmacht in eine noch bessere Position zu kaufen. So war das Zahlungsdienstleistungsgesetz schon richtungsweisend. Es schreibt fest, dass Schnittstellen zum digitalen Zahlungsverkehr offen für alle Anbieter sein müssen und eben nicht nur von einem Anbieter monopolisiert. Mit diesem Gesetz wurden endlich Schranken gegen Bezahlsysteme wie Apple Pay gelegt.
Apple hat sich vor der Abstimmung zum Zahlungsdienstleistungsgesetz schwer gerüstet. Heerscharen an Anwälten, Lobbyisten und Einflüsterern (Whistleblower) waren losgezogen, um das Gesetzesvorhaben noch abzuwenden. In Sitzungsausschüssen, im Kanzleramt, in Fraktionsvorständen und sogar bei der Europäischen Kommission wurden sie vorstellig. Glücklicherweise ließ das Parlament den Druck der Lobbyisten verhallen.
Auch Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßt die Modernisierung des Wettbewerbsrechts. Somit wird es an die Entwicklungen der digitalen Ökonomie angepasst. Natürlich mit der Einschränkung, dass bei der praktischen Umsetzung von Datenzugangsansprüchen stets die europäischen Datenschutzrichtlinien beachtet werden müssen.
Europa wehrt sich gegen die Übermacht der amerikanischen Tech-Riesen. Doch auch in den Vereinigten Staaten wird deren zunehmende Macht kritischer gesehen. Vor wenigen Tagen war dies ersichtlich durch die Klage der US-Regierung gegen Google. Aus dieser geht hervor, dass die Suchmaschine systematisch seine Monopolsituation ausnutzt und seine Marktmacht schamlos ausbaut.
Bei Apple ist es nicht weniger schlimm – so ist von der sogenannten „Apple-tax“ die Rede. Denn das Unternehmen hat sich für App-Anbieter in ihren Stores ein besonderes Geschäftsmodell überlegt. So müssen diese Bedingungen für die Bezahlung von Abonnements innerhalb der App akzeptieren wie zum Beispiel eine Provision in Höhe von 30 Prozent. Zudem werden den App-Anbietern sämtliche Informationen über Kundenbeziehungen ihrer Wettbewerber vorenthalten. So hat das Unternehmen Epic Games versucht, diese Spielregeln zu umgehen und eine andere Einkaufsmöglichkeit seiner App ohne Apple Pay angeboten. Das Ergebnis: „Fortnite“, das weltweit bekannte Videospiel von Epic Games wurde sofort aus dem Apple Store entfernt.
Auch Amazon benachteiligt Händler, welche nicht an ihrem Abo-System teilnehmen und lenkt somit das Käuferinteresse auf Händler, welche brav die Abonnement-Gebühren an den Versandriesen abzweigen. So nutzt Amazon auch schamlos die enorme Datenflut seiner Warenanbieter aus. Amazon analysiert zum Beispiel, welche Produkte sich besonders gut verkaufen und produziert diese einfach kurzerhand selbst.
Auch Facebook handelt nach derselben neoliberalen Logik: Nutzer, welche die größten Datenmengen auf der Plattform hinterlassen werden vom Newsfeed häufiger berücksichtigt. Zudem spielt es eine Rolle, welche anderen Facebook-Produkte gekauft wurden.
Bundesminister Peter Altmaier erklärt: „Die Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle, Märkte und die wirtschaftlichen Machtverhältnisse immer schneller. Die Corona-Pandemie hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie die Bedeutung von digitalen Geschäftsmodellen gewachsen ist und weiterwächst. Mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz reagieren wir darauf. Große marktbeherrschende Digitalunternehmen werden einer verschärften Missbrauchsaufsicht unterworfen. Wir schaffen die Möglichkeit, dass das Kartellamt mit einstweiligen Maßnahmen schneller reagieren kann – denn wenn ein Markt erst einmal verteilt ist, nützt es einem herausgedrängten Unternehmen nach Jahren nichts mehr, wenn ein Verstoß eines jetzt dominierenden Wettbewerbers festgestellt wird. Mittelständische Unternehmen werden zudem bei der Fusionskontrolle entlastet und sie erhalten mehr Rechtssicherheit, damit sie die Chancen der Digitalisierung nutzen können.“
Das GWB-Digitalisierungsgesetz (GWB = Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) schafft ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht, bei welchem die marktbeherrschenden Unternehmen und Plattformen dazu gebracht werden sollen, mehr Chancen für Innovationen und Datenzugängen zu ermöglichen. Ziel des Gesetzes ist es, mehr Wettbewerb auf den Plattformmärken zuzulassen. So soll in der Ergänzung zu Paragraph 19 a formuliert werden, dass der Konditionenmissbrauch der marktbeherrschenden Unternehmen ins Blickfeld rückt. So soll es in Zukunft unzulässig sein einen Wettbewerber anders zu behandeln als eigene Produkte oder Angebote. Dieses Problem trifft auf alle Internetriesen zu. Diese „erpressen“ regelmäßig ihre Kunden bei der Preisgestaltung, bei der Herausgabe von Daten oder der Lizenznutzung.
Der Begriff, mit welcher diese Art der Ausnutzung von Marktmacht beschrieben wird ist das „Self-Preferencing“. Auch Michael Theurer (FDP) weiß um dieses Problem, denn die Digitalökonomie neigt generell zum Monopol. Als Beispiel nennt er die Börse: Wie wäre es, wenn der Börsenbetreiber die gesammelten Transaktionsdaten der Händler nutzen würde, um selbst Geschäfte damit zu machen – doch in der Digitalökonomie sei das ganz normal, stellte Theurer fest. Auch Falko Mohrs (SPD) beanstandet das Self-Preferencing der Plattformen. Matthias Heider (CDU) moniert, dass bei der bisherigen Regelung eine Schieflage aus einem Gewinner und vielen Verlieren entstanden ist.
In Zukunft sollen Monopolisten dazu gebracht werden, den Datenzugang für Wettbewerber zu ermöglichen und im Falle einer Weigerung des Unternehmens auf das Wettbewerbsrecht einschalten zu können. So werden Vorgaben zur Portabilität und zur Interoperabilität geschaffen. Parteiübergreifend ist die Wichtigkeit dieser Neuregelung ein Konsens. So fordern mittlerweile alle Parteien ein Ende dieser Übermacht der Internetriesen. Zudem soll das Bundeskartellamt gestärkt werden.