Griechenland lockt „digitale Migranten“ mit einem Steuernachlass in den Süden. Wer sich entscheidet seinen Wohnsitz nach Griechenland zu verlegen, braucht nur die Hälfte seines Einkommens zu versteuern. Gerade zu Corona-Zeiten könnte das für viele eine verlockende Alternative sein.
Aus dem Urlaubsort einen mobilen Arbeitsplatz machen? Das klingt für viele zu schön, um wahr zu sein. Und die Szenerie in Berlin macht das Homeoffice in Corona- und Lockdownzeiten nicht unbedingt angenehmer. Insbesondere mit Blick auf die kalten, dunklen Wintertage klingt Meer und Sonne weitaus verlockender. Die griechische Regierung will ausländischen Berufstätigen die Möglichkeit sogar noch schmackhafter machen: Wer seinen Steuerwohnsitz nach Griechenland verlegt, bekommt einen Nachlass von 50 Prozent auf die Einkommenssteuer.
„Wir haben in der Covid-Pandemie gelernt: Dank der technologischen Fortschritte können wir wählen, wo wir leben und arbeiten“, teilte Alex Patelis, Chef-Wirtschaftsberate von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, mit. Griechenland sei dabei besonders verlockend für Arbeitnehmer aus dem Homeoffice. „Wir haben nicht nur die Sonne zu bieten, sondern auch steuerliche Anreize“, erklärte Patelis. Derzeit werden Einkommen über 40.000 Euro im Jahr mit dem Spitzensteuersatz von 44 Prozent versteuert. Nach dem geplanten Modell wären es nur noch 22 Prozent. Die Vergünstigung wird für sieben Jahre gewährt. Gefragt sind vor allem Selbstständige aus der IT- und Finanzbranche, da diese meist von überall auf der Welt ihrer Arbeit am Computer nachgehen können. Aber durch das Corona-bedingte Homeoffice werden auch anderen Berufsgruppen neue Möglichkeiten eröffnet. Wer würde nicht gerne dem Corona-Alltag entkommen, indem der Lebensunterhalt am Strand verdient wird – inklusive Steuervergünstigungen?
Aber nicht nur die griechische Sonne soll Arbeitnehmer nach Griechenland bringen. Patelis hofft, dass auch der bevorstehende Brexit Ausländer nach Griechenland zieht. Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU ist laut Untersuchungen des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Kooperation mit der Oxford-University inzwischen für viele Briten der wichtigste Emigrationsgrund. Seit dem Referendum 2016 haben über 31.000 Briten die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Neben Deutschland wandern viele aber auch nach Frankreich und Spanien aus. Vielleicht auch nach Griechenland? Mit der Steuervergünstigung wirbt die griechische Regierung um Ausländer, die das Land nach Ablauf der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 verlassen werden. „Wir wollen uns nur einen Teil von diesem Kuchen abschneiden“, sagte Patelis. Besondere Vorteile biete laut Patelis vor allem die „Verlagerung von Finanzdienstleistungen.“ Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ erklärte er, dass bereits „fortgeschrittene Gespräche mit drei Finanzinstitutionen, die wegen des Brexits aus London heraus diversifizieren möchte“, stattfinden. Die griechische Wirtschaft würde von der Umsiedlung profitieren und auch die Mitarbeiter der Unternehmen würde die Steuervergünstigung zugutekommen. Die Idee hinter allem ist für den Wirtschaftsberater klar: Es soll „aus dem Brexit eine Grentry werden“ – raus aus Großbritannien und rein nach Griechenland. Das Gesetz soll noch vor Ende des Jahres vom Athener Parlament verabschiedet werden. Einsprüche von der EU-Kommission oder anderer EU-Mitgliedstaaten wegen Steuerdumpings werden nicht erwartet, so Patelis.
Aber nicht nur Arbeitnehmer können mit Steuervergünstigungen rechnen. Auch Rentner, die ihren Ruhestand in Griechenland verbringen möchten und dauerhaft dorthin umsiedeln, zahlen weniger Steuern. Nur sieben Prozent Einkommenssteuer müssten sie bezahlen – unabhängig von der Höhe der Bezüge. Und für Nebeneinkünfte wie Kapitalerträge oder Mieteinnahmen gelten die gleichen Steuervergünstigungen. „Der Steuersatz von sieben Prozent gilt für alle Einkommen aus dem Ausland, seien es Pensionenoder andere Einkommen“, zitiert das Handelsblatt Alex Patelis, den ökonomischen Chefberater des griechischen Ministerpräsidenten.
Aber damit noch nicht genug. Ein im Dezember 2019 verabschiedetes Gesetz sieht vor: Wer mindestens eine halbe Million Euro in Griechenland investiert, beispielsweise in eine Immobilie, zahlt unabhängig von der Höhe des jährlichen Einkommens eine Steuerpauschale von 100.000 Euro pro Jahr. Damit wird auch für besonders wohlhabende Bürgerinnen und Bürger das Leben im Süden Europas reizvoller.
Voraussetzung für die Steuervergünstigung ist ein Mindestaufenthalt von sechs Monaten und es profitiert nur, wer in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben Jahre nicht steuerpflichtig in Griechenland war. Darüber hinaus müssen deutsche Rentner beachten: „Im Ausland lebende Rentner mit Einkünften aus Vermietung oder aus Gewerbebetrieben sind in Deutschland zumindest beschränkt steuerpflichtig“, warnt der Berliner Steuerberater Patrick Straßer. „Diese beschränkte Steuerpflicht ist mehr als unschön“, sagt Straßer, „denn vieles, was die Steuerbelastung mindern könnte wie Grundfreibetrag, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und sogar das Ehegattensplitting geht bei der beschränkten Steuerpflicht verloren.“ Es muss also vorher sehr genau geprüft werden, inwieweit eine Umsiedlung vorteilhaft ist oder nicht.