Nach den vergangenen Monaten konnte die Reisebranche zunächst aufatmen. Mit dem Ende des Lockdowns und dem Rückgang der Infiziertenzahlen schöpften viele Hoffnung. Doch die neue Zwangspause im November wiegt schwer.
Mit dem teilweisen Lockdown im November erwarte die Tourismusbranche erneute Einnahmeverluste in Milliardenhöhe. Die Umsatzeinbußen durch Betriebsschließungen und die Kontaktbeschränkungen werden für November 2020 auf 10,2 Milliarden Euro geschätzt. Nach dem Einsturz der Branchen in den Monaten März bis August ist das fatal. Das Minus durch die Coronakrise beläuft sich laut Berechnungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institutes für Fremdenverkehr auf etwa 46,6 Milliarden Euro, wie der Deutsche Tourismusverband (DTV) am Donnerstag mitteilte. Viele Unternehmen aus dem Tourismus- und Gastgewerbe befinden sich nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in einer kritischen Lage.
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), warnte vor einer Stigmatisierung der Tourismusbranche. „Wir haben die letzten Monate viel dazu gelernt und wissen, mit pauschalen Maßnahmen kommen wir nicht weiter“, erklärte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium dem „Tagesspiegel“. Man wolle bewusst „differenziert und faktenbasiert“ vorgehen, damit auch sicheres Reisen weiter möglich sei. Pauschale Reisewarnungen und ein Lockdown der Reisebranche müssen vermieden werden. „Dafür brauchen wir glaubwürdige, vertrauensbildende und nachvollziehbare Maßnahmen“, erklärte der CDU-Politiker. Eine Reisewarnung verhindert nicht die Ausbreitung des Coronavirus. Das RKI betonte in einem Strategiepapier, dass durch erhöhte Mobilität, sprich berufliche oder private Reisen, das Risiko der Ausbreitung steigt. Allerdings sei das Risiko nicht an den Ort gebunden, sondern abhängig von dem Verhalten des Einzelnen während der Reise. Die Lösung: „Risikobehaftetes Verhalten muss bekannt sein, so dass es vermieden werden kann.“ Wer weiß, wie er sich im Ausland verhalten muss, kann sich und andere besser schützen – „Sicher mit Mobilität“, heißt es laut RKI.
Seit vergangenem Montag haben Hotels, Restaurants, Kinos, Museen und Theater sowie andere Freizeiteinrichtungen weitestgehend den Betrieb eingestellt. Im Gegensatz zum ersten Lockdown Anfang des Jahres bleiben Kitas, Schulen und Geschäfte weiterhin geöffnet. Allerdings kämpfen vor allem die Gastronomie- und die Tourismusbranche ums Überleben. Die Corona-Pandemie habe eine Milliardenloch in die Kassen von Gastronomie- und Unterkunftsbetrieben, Veranstaltern sowie von Kultur- und Freizeiteinrichtungen gerissen, teilte DTV-Präsident Reinhard Meyer mit und fügte hinzu: „Selbst in den Sommermonaten konnten die Verluste nicht aufgeholt werden. Der November-Lockdown droht vielen Betrieben endgültig die wirtschaftliche Basis zu entziehen.“ Sollten die Beschränkungen weiter aufrechterhalten werden, befürchtet der Tourismusverband weitere Einbußen von circa 9,5 Milliarden Euro.
Die Lösung laut Meyer: „Es ist ganz wichtig, dass die Betriebe jetzt zügig und unbürokratisch Nothilfen bekommen.“ Die Bundesregierung hatte Nothilfen in Höhe von 10 Milliarden Euro für November beschlossen. Diese seien auch mehr als notwendig, denn „selbst gesunde Unternehmen sind finanziell längst am Limit und brauchen diese Hilfen“, erklärte Meyer. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) hat rasche Hilfen bis Ende des Monats angekündigt. Ziel sei es, vor Ende November zumindest Abschlagszahlungen zu leisten, sagte Altmaier nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur. Da die Reserven vieler Unternehmen bereits vollkommen ausgeschöpft sind, werden zudem Wege über die Sparkassen und Volksbanken gegangen.
Die Tourismusbranche hatte eigentlich sofortige Abschlagszahlungen für notleidende Betriebe gefordert. Die Hilfe werden benötigt, und zwar „nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort“, hieß es in einem Appell des Deutschen Tourismusverbandes, des Deutschen Reiseverbands (DRV) und des internationalen Bustouristik-Verbands (RDA). Die Existenz vieler Betriebe sei gefährdet, denn seit 1. Oktober 2020 sei es wieder verpflichtend, bei Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden. Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen zwar eine schnelle Lösung, aber auch eine pragmatische. Man arbeite mit Hochdruck am Ausgleich für jene, die wegen der staatlichen Anordnung ihre geschäftliche Tätigkeit einstellen mussten. Da dies allerdings nicht einfach sei, müsse man sich ein paar Tage Zeit dafür lassen, sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern in der Online-Sitzung der Fraktion.