2009 gewann Sara Nuru im Alter von 19 Jahren die vierte Staffel von Heidi Klums Germany’s Next Topmodel. Damit wurde sie zur ersten schwarzen Siegerin des ProSieben Formats. In den darauffolgenden Jahren lief sie unter anderem auf den Laufstegen der Fashion Week in Berlin, London, Mailand und New York. Ihr Gesicht schmückte das Cover der deutschsprachigen Ausgabe der Cosmopolitan, sie drehte Werbespots für die Kosmetikmarke Maybelline, für C&A und für McDonalds, und war in den verschiedensten Fernsehformaten zu sehen. Manch einer würde sie für diesen Aufstieg nach oben und für ihre selbstergatterte Prominenz beneiden. Doch für Sara Nuru ist das alles nicht erfüllend und sie fängt damit an ihr Leben von Grund auf zu hinterfragen. Warum ein Eisbecher ihr Leben veränderte und wie sie jetzt Mikrokredite an äthiopische Frauen vermittelt.
Die Familie Nuru floh in den 80er Jahren aus Äthiopien nach Deutschland, ins oberbayerische Grünbach, wo Sara als drittes Kind zur Welt kam. Saras Mutter und ihre beiden Geschwister wurden nach ihrer Flucht von einer bayerischen Familie aufgenommen, die dabei half, auch ihren Vater nach Deutschland zu bringen. So erzählt sie dem Deutschlandfunk in einem Interview wie sie mit den beiden Kulturen zusammen aufgewachsen ist: „Ich mag deftiges Essen und Bier. Aber ich mag es auch, wenn es hektisch und laut ist. Ich habe beide Kulturen in mir und bin froh, dass ich mich nicht entscheiden muss.“ Nachdem sie Germany’s Next Topmodel gewonnen hatte, wurde sie von der Hilfsorganisation Mensch für Mensch angefragt, ob sie als Botschafterin für Äthiopien tätig werden möchte. Bevor sie zusagt, wollte sie sich aber die Entwicklungshilfe Vorort anschauen und reist in das Land, wo sie das erste Mal mit „wirklicher Armut konfrontiert“ wurde, wie sie der Zeit erzählt. Diese Reise machte ihr klar, wie privilegiert sie aufwachsen durfte und „worum es tatsächlich im Leben geht“.
Dennoch hat Sara Nuru erstmal mit ihrem bisherigen Leben weitergemacht und ging nach wie vor zu Shootings, Castings und Drehtagen. Das Fass wurde allerdings zum Überlaufen gebracht, als sie für eine deutsche Fernsehsendung nach New York flog, um dort den teuersten Eisbecher der Welt für 1.000 Euro zu probieren. Sie erklärt der Zeit: […] als ich dabei in die Kamera schaute, kam ich mir so blöd vor. Danach nahm ich mir eine Auszeit, in der ich mich von allem getrennt habe.“ In ihrer Auszeit las sie das Buch „Start Something That Matters“, welches erklärt, wie mit wirtschaftlichem Handeln etwas Gutes getan werden kann. Sie und ihre Schwester Sali Nuru ließen sich davon inspirieren und entschieden sich dazu, fair gehandelten Kaffee aus Äthiopien zu vertreiben. Dem Deutschlandfunk erzählt Sara warum sie sich für das Produkt Kaffee entschieden haben und was neben dem wirtschaftlichen Aspekt ihr Ziel ist: „Viele assoziieren Äthiopien mit Dürre, Armut und Hunger. Uns ist wichtig, den Blick auf dieses Land zu ändern. Da war Kaffee sehr nahe liegend. Jeder trinkt Kaffee. Und nur die wenigsten wissen, wo er herkommt. Dafür wollen wir ein Bewusstsein schaffen.“
Gemeinsam mit ihrer Schwester gründet sie das Unternehmen nuruCoffee und die Organisation nuruWomen. Mit ihrer gemeinnützigen Organisation vergeben sie durch die Erträge aus dem Kaffeehandel Mikrokredite an äthiopische Frauen. Diese Kredite erstrecken sich auf eine Summe von 100 bis 250 Euro, die Leben verändern können. „Es sind die Frauen, die von Armut betroffen sind. Es sind auch die Frauen, die die meiste Arbeit machen, aber leider keinen Zugang zu eigenem Einkommen haben“, erklärt Sara im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die Frauen erhalten aber nicht nur die Mikrokredite, sondern auch einige Schulungen, die ihnen dabei helfen einen Finanzplan zu erstellen und, die sie darüber informieren, wie sie das Geld nachhaltig anlegen. Die Summen werden nach erfolgreicher Umsetzung der Projekte der Frauen wieder zurückgezahlt und in weitere, höhere Kredite reinvestiert. „So fördern sich die Frauen nachhaltig gegenseitig und generieren ein gesundes Wachstum“, wie es auf der Website der Organisation heißt.
Sara Nuru erzählt der Zeit, dass es von der Idee des Projekts bis zur tatsächlichen Umsetzung rund drei Jahre gedauert hat. Sie und ihre Schwester starteten ohne jegliches Vorwissen und mussten einige Male in die Regionen reisen, aus denen sie ihren Kaffee beziehen. Sie erklärt, dass sie jetzt endlich „nicht nur das Gesicht“ eines Produktes ist, sondern auch dahintersteht und Verantwortung dafür trägt.