Mit jeder neuen Meldung hat man das Gefühl, dass Clemens Tönnies einem mehr und mehr unsympathisch wird – mehr noch: Der Unternehmens-Boss muss laut aktueller Enthüllungen ein ganz mieser Charakter sein, dem es in seinem Wirken als Fleischverarbeiter nur um Gewinnmaximierung und eigenen finanziellen Vorteil geht. Es ist erstaunlich, dass man ihm und seinen Handlangern nicht schon längst das Handwerk gelegt hat und den tiefen Sumpf um Betrügereien, Urkundenfälschung, Lohn-Dumping und Menschenschinderei trockengelegt hat. Ein weltweit agierendes Großunternehmen, ein Gigant in der Fleischverarbeitung, das gelenkt wird von einem skrupellosen Geschäftsmann, der sein wahres Gesicht jahrzehntelang hinter der Maske eines wohlwollenden Funktionärs und Gönners (Schalke 04), eines wohltätigen Spenders und Weltmannes verstecken konnte. Dieser Clemens Tönnies ließ und lässt seine Arbeiter unter erbärmlichen Bedingungen leben und arbeiten, bereichert sich an ihrem Einsatz und ignoriert, dass „leben und leben lassen“ einander bedingen und zur anständigen Arbeitsweise eines ehrbaren Kaufmanns und Konzern-Chefs gehören sollten. Die meisten Menschen in seinen Fabriken und in Rheda-Wiedenbrück, der Firmenzentrale von Tönnies, dürften ihren Respekt vor dieser üblen Person verloren haben – mit recht, wie sich mehr und mehr herausstellt.
Erforderliche Nachweise werden einfach gefälscht
Um in der fleischverarbeitenden Industrie arbeiten zu können, brauchen die Menschen Gesundheitszeugnisse und eigentlich auch entsprechende fachliche Qualifikationen. Beim Fleischkonzern Tönnies, wo die meisten Arbeiter von Subunternehmen gestellt werden und aus dem europäischen Ausland kommen, hat man sich ein raffiniertes System ausgedacht, um die gesetzlichen Richtlinien zu umgehen und den Arbeitern die geforderten Nachweise zu beschaffen: Man stellt dort ganz einfach Mitarbeiter/innen aus der Verwaltung ab, die kurzerhand die Gesundheitszeugnisse der ausländischen Arbeitskräfte fälschen und somit das eintragen, was die Behörden fordern. Ob die Angaben der Wahrheit entsprechen, interessiert niemanden. Hauptsache man bekommt und bekam die Leute ans Arbeiten. Ein Investigativ-Team von Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat jetzt im Fernsehsender RTL neue Erkenntnisse veröffentlicht, wonach der Konzern aus Rheda-Wiedenbrück seine Arbeiter unter erbärmlichen Bedingungen hausen und arbeiten lässt. Hauptsache billige Arbeitskräfte, die so arm sind, dass sie selbst für 7 Euro pro Stunde 60 Stunden in der Woche Fleisch zerteilen und verarbeiten, was dann in deutschen Wohnstuben, Kantinen und Restaurants auf den Tisch kommt. Dass die meisten dieser Leiharbeiter keine echte Qualifikation besitzen, noch gesundheitlich geprüft wurden, weil die Angaben zum Gesundheitszustand gefälscht wurden, macht fassungslos. Dass sie unter dem gesetzlich vereinbarten Mindestlohn malochen müssen und bedingt durch fehlende Ausbildung die Fleischqualität leidet und beeinträchtigt wird, scheint auch niemandem aufzustoßen. Die Behörden jedenfalls werden systematisch getäuscht und Gesundheits- und Veterinärämter werden belogen und hintergangen. Nur so ist es möglich, dass Tönnies und Familien milliardenschwere Vermögen zusammenraffen und nach außen den Anschein von „Gutmenschen, Gönnern und Förderern“ erwecken konnten. Dieser Anschein brachte so manche Anerkennung in Politik und Gesellschaft, in deren Licht speziell Clemens Tönnies sich jahrzehntelang gesonnt hat. Seit die Corona-Krise ein neues Licht auf ihn und sein Machwerk geworfen hat, hat sich das Blatt gewendet. Erst wurde eine Großfabrik geschlossen, dann wurden die Arbeitsbedingungen im Schlachtbetrieb mittels versteckter Kamera offenbart. Es gab „Terrorakte“ gegen Tönnies und seine Familie, aber dies scheint dem geldgierigen Geschäftsmann nicht zu belasten. Er arbeitet bereits an neuen Übernahmen von anderen fleischverarbeitenden Betrieben, wie der Schlacht- und Zerlegefirma Lazar, die sein Imperium weiter vergrößern soll. Auf Kosten tausender Arbeiter mit sogenannten Werksverträgen, die sie zu austauschbaren Arbeitstieren ohne jegliche Rechte machen. „Ausbeutung“ ist nur einer der Begriffe, die man Tönnies vorwirft.
Eiskalt und mit dickem Fell
Clemens Tönnies selbst ist skrupellos genug, als dass er den Demonstranten, die noch vor kurzem vor einem seiner Betriebe in Kellinghusen in Schleswig-Hollstein demonstriert hatten, nun auf 30.000 Euro Schadenersatz verklagt hat, weil sie seine Zufahrtswege blockiert hatten. Als man ihn seinerzeit bei seinem Lieblings-Verein Schalke 04 herausgeworfen hatte, nachdem er sich mit Rassismus-Formulierungen disqualifizierte, und sein Amt als Vereinsvorstand nicht mehr ausüben durfte, konnte man annehmen, Tönnies wäre geläutert und würde für eine Art Wiedergutmachung sorgen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Mann versucht mit allen Mittel – erlaubt oder unerlaubt – sein Fleischimperium zu vergrößern und andere Dritte als die Schuldigen den Behörden und der Justiz auszuliefern. Denn es droht neues Ungemach wegen neuer Gesetze. Das Bundeskabinett hatte Ende Juli 2020 schärfere Regeln für die Fleischindustrie herausgebracht. Der entsprechende Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) sieht vor, dass in größeren Betrieben der Branche ab dem 1. Januar 2021 im Kerngeschäft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine Werkvertragsarbeiter und ab 1. April 2021 auch keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden dürfen. Bei Verstößen drohen Bußgelder. Da wird sich der saubere Großunternehmer schnellstens etwas einfallen lassen. Ein „Schachzug“ ist die Übernahme der Firma Lazar, die genau diese Leiharbeiter beschäftigt und diese nun in das Imperium von Tönnies als feste Angestellte übergehen würden. Dass diese in verdreckten, völlig überfüllten Behausungen wohnen, wie versteckte Kamerabilder gezeigt haben, muss Clemens Tönnies und die Seinen nicht stören, sie residieren herrschaftlich in Villen mit 20 und mehr Zimmer samt Personal, Chauffeur und Security. Ein „feiner Herr“, dieser Clemens Tönnies!