Die zweite Welle rollt über alle Länder Europas und die einzelnen Länder versuchen der Naturkatastrophe Herr zu werden. Die Zügel werden unterschiedlich angezogen. Eine Übersicht:
Der gesamte europäische Kontinent leidet, denn das Coronavirus kommt mit voller Wucht zurück. Starke Anstiege sind in vielen Ländern zu beobachten, die teils drakonische Einschränkungen mit sich ziehen. 700.000 Corona-positive gab es laut WHO in der letzten Woche, das bedeutet einen Anstieg um ganze 36 Prozent. Europas Politiker probieren jetzt den Schulterschluss und wollen den Menschen mit einer einheitlichen Corona-Ampel Risikogebiete abstecken. So wird diese Ampel in den Farben grün (Inzidenz unter 25), orange (Inzidenz unter 50) und rot (Inzidenz über 50) unterteilt. Grau gibt es auch und bedeutet, dass kaum Daten vorhanden sind. So wird der Inzidenz pro 100.000 Bewohner gemessen und die Testquote mit positiven Ergebnissen.
Italien
Über 80 Prozent der Neuinfektionen finden im privaten Kreis statt. Deswegen hat die Regierung hier die Empfehlung ausgesprochen, bei privaten Treffen auf den Mindestabstand zu achten, Masken zu tragen und nicht mehr als sechs Menschen einzuladen. Partys sind mittlerweile in ganz Italien verboten, nur Hochzeiten sind vom Verbot ausgenommen – mit 30 Teilnehmern. Sollten sich die Feiernden nicht daran halten, drohen bis zu 400 Euro Strafe pro Hochzeitsgast.
Die Ansteckungen sind in dem südeuropäischen Land besorgniserregend hoch und haben längst die 10.000er-Marke überschritten. DieAngst keimt wieder auf, dass es so schlimm werden könnte wie im März/April, als dem Land ein drastischer Lockdown verordnet wurde. Doch die italienischen Labore sind diesmal gut gerüstet und testen fünfmal mehr als noch im Frühjahr. Im März waren es 27.000 Tests täglich, im Oktober sind es 163.000 Tests.
Die Region Kampanien musste nur vier Wochen nach Schulbeginn seine Schulen und Universitäten wieder schließen, weil der sogenannte R-Wert die kritische 1 überschritten hat und die Region diesmal besonders hohe Infektionszahlen zu beklagen hat. Im März hingegen konnte sich die Region noch als „coronafrei“ betiteln. „Das ist eine schwerwiegende Entscheidung. Das ist zutiefst falsch und auch nicht angemessen. Die Schule sollte die absolute Priorität in diesem Land sein, sie sollte die letzte Sache sein, die geschlossen wird“, sorgt sich Bildungsministerin Lucia Azzolina. So scheint die Ansteckungsrate in Schulen nur bei 0,1 Prozent zu liegen.
Auch in den Krankenhäusern ist die Situation noch nicht brenzlig. So werden fünfmal weniger Patienten intensivmedizinisch betreut als noch im März. Im Oktober sind es 586 Personen. Der Virologe Fabrizio Pregliasco von der Universität Mailand sagt: „Das wird ein ganz entscheidender Indikator sein, wie sich die Situation auf den Intensivstationen entwickelt. Derzeit ist die Belegung der Betten dort noch gering. In allen Regionen Italiens gibt es noch ausreichend Kapazitäten, um sich um die schwierigsten Fälle zu kümmern.“
Frankreich
Die Franzosen haben schwierige Wochen vor sich. Es wurde eine nächtliche Ausgangssperre eingeführt für Großstädte mit der höchsten Corona-Warnstufe. Die Neuinfektionen liegen inzwischen bei 20.000 Fällen, über 40 Prozent der Betten auf den Intensivstationen sind schon belegt. Also griff der französische Präsident Emmanuel Macron zu einem extremen Schritt: „Die Entscheidung, die wir getroffen haben, ist eine nächtliche Ausgangssperre. Sie gilt für den Großraum Paris und acht weitere Metropolen. Für Grenoble, Lille, Lyon, Marseille, Aix-en-Provence, Saint-Etienne, Rouen und Toulouse.“ Die Ausgangssperre soll für vier Wochen gelten.
Falls sich doch jemand zwischen 21 Uhr und 6 Uhr morgens auf den Weg macht und keinen wichtigen Grund dafür vorbringen kann, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 135 Euro. „Es geht vor allem darum, die privaten Kontakte zu reduzieren. Die Momente zu minimieren – und das ist das Grausame beim Kampf gegen diese Pandemie -, in denen wir schöne Erlebnisse mit Freunden und Bekannten haben, mit Menschen, die nicht zu unserem Haushalt gehören. Das sind die Momente, in denen das Infektionsrisiko hoch ist. Denn wir kommen uns zu nahe.“ In Deutschland darf die Anzahl der Menschen, die sich privat treffen von der Bundesregierung eingeschränkt werden – in Frankreich ist das nicht möglich. Den betroffenen Branchen wie Kinos, Bars, Theater und Restaurants versprach Macron, mit staatlicher Unterstützung zu helfen. Dann sagte Macron den denkwürdigen Satz: „Wir schaffen das.“ Bei seiner kämpferischen Rede zum Volk im Frühjahr nahm er noch das Wort „Krieg gegen den Virus“ in den Mund.
Niederlande
Auch in den Niederlanden gibt es starke Einschränkungen seitens der Regierung. Dort wurden Bars, Restaurants und Kneipen geschlossen. Zudem dürfen sich Menschen zu privaten Feiern nur noch zu dritt treffen. Bei einer Bevölkerungsanzahl von 17 Millionen Menschen gab es sogar 36.000 Neuinfektionen. So entschied der niederländische Premierminister Mark Rutte, Kontaktbeschränkungen für private Treffen einzuführen. Doch das Tragen von Mund-Nase-Schutz in der Öffentlichkeit wird von der Regierung nicht voll unterstützt, bemängeln Kritiker. Mit dem starken Anstieg, mit dem die Gesundheitsbehörden konfrontiert sind, werden sie nicht fertig und schaffen es nicht mehr, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Somit hat die Regierung einen teilweisen Lockdown beschlossen.
Auch die niederländischen Krankenhäuser stehen vor einer großen Herausforderung und vorübergehend mussten sogar die Notaufnahmen geschlossen werden, wie in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag – wegen zu großer Auslastung.