Die EU-Kommission will die Regelungen für staatliche Unterstützung in der Corona-Krise weiter lockern. Den EU-Mitgliedsstaaten soll dazu ein entsprechender Vorschlag aus Brüssel vorgelegt werden.
2639 Neuinfektionen und zwölf Todesfälle verzeichnete das Robert Koch Institut (RKI) am Dienstag. Nach der Lockerung der Maßnahmen vor einigen Monaten beginnen die Infiziertenzahlen erneut anzusteigen. Mit Blick auf den Winter und die beginnende Grippe-Saison für viele ein Anlass zur Sorge. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgt sich um den Wiederanstieg. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Saarland, Markus Söder (CSU) und Tobias Hans (CDU), stimmen Merkel zu. „Es wird auf jeden Fall kein einfacher Herbst und Winter“, sagte Söder dem bayerischen Rundfunk. Die Maßnahmen wurden bereits wieder verschärft, aber inwieweit die Corona-Pandemie die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben erneut stoppen wird, ist nicht absehbar. Viele EU-Länder litten in den letzten sechs Monaten stark unter der ersten Corona-Welle. Der Lockdown, der wirtschaftliche Abschwung und gesundheitliche Versorgung führten dazu, dass die Länder hohe Schulden aufnahmen, um die Corona-Krise einigermaßen abfedern zu können. Allerdings reichten die eigenen finanziellen Maßnahmen bei weitem nicht aus. Die EU-Kommission hat deshalb beschlossen die Regeln für staatliche Hilfen bis zur Mitte des kommenden Jahres weiter zu lockern. Einen entsprechenden Vorschlag erhielten die Mitgliedsstaaten vergangenen Freitag aus Brüssel, wie die EU-Kommission mitteilte. Mit Anpassungen an die ansonsten strengen Vorschriften zu den finanziellen Subventionen der EU-Länder für Unternehmen und Forschungseinrichtungen soll die Wirtschaft wieder angeregt werden.
Ursprünglich sollten die Sonderregelungen zum Jahresende hin auslaufen, doch nun wird eine Verlängerung bis Mitte des nächsten Jahres angestrebt. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen die Lockerung für Beihilfen bis Juni 2021 gelten. Dazu könnte auch der Umfang der zulässigen Beihilfen erhöht werden. Die EU-Länder sollen außerdem die Möglichkeit haben bestimmte Kosten von Betrieben mit den Subventionen abdecken zu dürfen, in denen es Umsatzeinbrüche gab. Ziel ist es Arbeitsplätze zu sichern und die wirtschaftlichen Engpässe vieler Unternehmen abzumildern. Die bisherigen Lockerungen ermöglichten es Hilfen in Höhe von fast drei Billionen Euro für Unternehmen in Notsituationen bereitzustellen. Bereits in der Vergangenheit hatte die EU-Kommission ihre Regelungen zur Beihilfe gelockert, doch EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte: „Die Auswirkungen der Krise werden noch für eine Weile bei uns bleiben“, sodass Förderungen und Hilfen weiterhin notwendig sind.
Neben der Lockerung der Subventionsregelungen setzt die EU-Kommission die Schuldenregeln auch 2021 aus. Somit dürfen sich die Mitgliedstaaten auch nächstes Jahr höher verschulden, als normalerweise gestattet ist. „Die allgemeine Ausweichklausel wird im Jahr 2021 aktiv bleiben“, teilte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni nach Beratung der EU-Finanzminister mit. Wie auch bei der Lockerung der Subventionsregelungen wurden auch die Regeln für Haushaltsdefizite und Gesamtverschuldung für EU-Mitgliedstaaten in der Vergangenheit bereits einmal ausgesetzt. Das Ziel war es, den Ländern die Möglichkeit zu geben, Hilfspakete zu finanzieren, die die Wirtschaft wiederbeleben, ohne dabei Sanktionen aus Brüssel befürchten zu müssen. Allerdings ist die Corona-Krise ist noch nicht überstanden. Die Ausweichklausel soll die Staaten bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne für 2021 unterstützen.
Dennoch warnte Gentiloni die Maßnahmen in der Krise mit Vorsicht zu wählen. Sie müssen zielgerichtet sein und vor allen vorübergehend. Es handele sich um eine Ausnahmesituation, aber auf lange Sicht wird eine Rückkehr zur Normalität angestrebt. Deshalb müssen die Auswirkungen regelmäßig überprüft werden. Gleichzeitig wurde betont, dass der Übergang von der Pandemie in die Nach-Pandemie-Phase kein einzelner, klarer Schritt ist. Die kommenden Monate werden entscheidend sein. „Wir müssen die europäische Wirtschaft durch diese rauen und unbekannten Gewässer lotsen“, so der Wirtschaftskommissar. Am wichtigsten sei es, den vereinbarten EU-Fonds im Rahmen des 750-Milliarden-Euro-Programms zur Erholung der Wirtschaft einzusetzen.
Bislang wurden noch keine Beratungen zur Rückkehr zu den Regeln geführt. Laut Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe gebe es einen „starken Konsens“, dass primär die Wirtschaft und der Erhalt von Arbeitsplätzen unterstützt werden müssen.