Christine Lambrecht (SPD) hat den Spieß einfach umgedreht: die Geschäftsführerin, die Schuldnerin, die Verbraucherin sind die Standardbezeichnungen in ihrem Gesetzesentwurf. Die männliche Form wird natürlich miteingeschlossen. Ist doch gerecht!
Das Hauptargument von Menschen, die nicht gendern und einfach „Kläger“ sagen statt „Klägerin“, ist, dass damit doch auch Frauen gemeint seien. Die männliche Form eines Wortes würde nicht automatisch bedeuten, dass Frauen in der Bedeutung ausgeschlossen sind.
Doch jetzt hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) einen Gesetzentwurf zum neuen Sanierungs- und Insolvenzrecht vorgelegt. Die Besonderheit: er ist im generischen Femininum geschrieben. So ist dort von die „Geschäftsführerin“, „Verbraucherin“ und „Schuldnerin“ die Rede. So wird im Referentenentwurf folgendermaßen formuliert: „Ist die juristische Person (….) drohend zahlungsunfähig (§ 18 der Insolvenzordnung), wahren die Geschäftsleiterinnen die Interessen der Gesamtheit der Gläubigerinnen.“ und „Der Restrukturierungsplan kann auch die Rechte der Inhaberinnen von Restrukturierungsforderungen gestalten, die diesen (…) als Bürgin, Mitschuldnerin oder aufgrund einer anderweitig übernommenen Haftung oder an Gegenständen des Vermögens dieses Unternehmens (gruppeninterne Drittsicherheit) zustehen.“
Eine Sprecherin der Bundesjustizministerien erklärt: „Generell wird bei Gesetzentwürfen darauf geachtet, dass die Sprache fachlich korrekt und verständlich ist. Darüber hinaus sollen die Gesetzentwürfe nach der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen.“
Das von Horst Seehofer geführte Innenministerium hat das sofort kritisiert mit dem Argument, dass es sprachwissenschaftlich „nicht anerkannt“ sei. Somit könnten die Männer denken, das Gesetz gelte nur für die Frauen. Vielleicht sei es sogar verfassungswidrig. Horst Seehofers Ministerium (CSU) führt aus: „Während das generische Maskulinum, also die Verwendung der männlichen Sprachform, anerkannt ist für Menschen von männlichen und weiblichen Geschlecht, ist das generische Femininum zur Verwendung für weibliche und männliche Personen bislang sprachwissenschaftlich nicht anerkannt.“
Das Bundesjustizministerium bekräftigt, dass die Verwendung des generischen Femininums die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern unterstreichen soll. Somit sorgt das Gesetz für landesweite Presse, aber nicht wegen seines brisanten Inhalts, sondern wegen seines innovativen Sprachgebrauchs.
Jetzt soll der Referentenentwurf „angepasst“ werden, wird im Innenministerium verkündet. Ministeriumssprecher Steve Alter sagt: „Nach Ansicht des Verfassungsministeriums hat das bei formaler Betrachtung zur Folge, dass das Gesetz möglicherweise nur für Frauen oder Menschen weiblichen Geschlechts gilt, und damit möglicherweise verfassungswidrig ist.“ Das generische Femininum führt tatsächlich zum Aufschrei, gerade das rechtsextreme Lager fühlt sich in seinen Grundfesten erschüttert. Doch Frauenrechtlerinnen sind begeistert.
Aber warum ist die Debatte um Sprachmuster so politisch aufgeladen? Sprache hat sehr viel mit Weltbild zutun und wie es uns vermittelt wird. So ist es eben nicht egal, ob wir miteinander reden und bei einem „Arzt“ waren, obwohl es eine „Ärztin“ war. Permanent werden im Alltag Rollen besetzt und ausgehandelt, doch zu oft werden sie automatisch männlich benannt. Frauen fallen in diesem Weltbild scheinbar nicht ins Gewicht, so als würden sie gar nicht am Berufsleben teilnehmen. Die Geschlechterordnung und der Zeitgeist leben in der Sprache fort.
Seit mehr als 25 Jahren wurden von der Bundesregierung und den Bundesländern Gesetze und Verordnungen erlassen, welche eine geschlechtergerechtere Sprache sichern sollen. Sprache ist lebendig und ändert sich permanent auch mit unseren gesellschaftlichen Zusammenhängen.
Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik der Grünen, verdeutlicht: „Es wird Zeit, dass sich die Union sowohl im Kabinett als auch in der Koalition endlich bewegt und modern aufstellt. Einen gut verständlichen Gesetzentwurf, der in weiblicher Form verfasst ist, zu kritisieren, weil er die bisherige sogenannte „Gebrauchsgewohnheit“ des generischen Maskulinums (hier sollen alle Geschlechter „mit gemeint“ sein) ist absurd“.
Bei der Frage, ob auch andere Bundesministerien bei ihren Gesetzesentwürfen zum generischen Femininum wechseln werden, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert knapp: „Das sehe ich nicht“. Doch die Bundeskanzlerin begreift sich selbst auch nicht als Feministin.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung debattiert zurzeit darüber, ob das Gendersternchen ins deutsche Regelwerk aufgenommen werden soll. Denn Sprache beeinflusst die Wahrnehmung der Menschen, da sie auch immer soziale Verhältnisse „mitspricht“. So ist es erwiesen, dass bestimmte Paradigmen durch Sprache verstärkt werden. Das klassische Beispiel ist die Nennung von Berufsrollen wie „Ingenieur“. Kinder nehmen hier wahr, dass es sich bei dem Beruf um typisch männliche Berufe handeln muss und beziehen das weibliche Geschlecht natürlich nicht mit ein.
Umgekehrt ist es erwiesen, dass Mädchen Berufe als erreichbar einschätzen, wenn typisch männliche Berufe im generischen Femininum geschrieben werden wie „Ingenieurin“. So wird nachweislich das Selbstvertrauen der Kinder erhöht, wenn die Menschen eine geschlechtergerechte Bezeichnung benutzen. Auch bei Erwachsenen erfolgt die gleiche psychosoziale Reaktion: bei Jobausschreibungen, die im generischen Maskulinum geschrieben sind, bewerben sich weniger Frauen.
Die Linguistik hat längst nachgewiesen, dass das Genus eine direkte Auswirkung auf die Vorstellung von Sexus hat. Personenbezeichnungen in unserer Alltagssprache liefern auch immer das sogenannte „soziale Geschlecht“ mit. So denken wir bei „Terrorist“ automatisch an einen Mann, bei „Kosmetiker“ automatisch an eine Frau, da wir den Geschlechteranteil in Personenbezeichnungen immer mitdenken.
Auf Regierungsebene hat vor allem die AfD mit ihrer Kritik an einer geschlechtergerechten Sprache für neue Diskussionen im Bundestag beigetragen. Im Parteiprogramm der AfD ist die Abschaffung des „Genderns“ festgehalten, auch englische Wörter sollen verbannt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am 2. März mit Stimmen aller Fraktionen abgelehnt.