Am 11. September war der bundesweite Tag der Obdachlosen. Doch Wohnungslosigkeit ist nicht nur ein Thema, mit dem man sich einmal im Jahr beschäftigen sollte, denn die Anzahl der wohnungslosen Menschen wächst stetig an. Es gibt immer weniger Sozialwohnungen und gleichzeitig werden die Mieten immer teurer. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) hat in einer neuen Studie herausgefunden, dass vor allem jüngere Menschen immer mehr unter Wohnungslosigkeit leiden. Die meisten von ihnen sind zwischen 30 und 39 Jahren alt. Jede fünfte obdachlose Frau ist noch unter 25 Jahren, bei den Männern ist es jeder sechste. Verena Rosenke, die Geschäftsführerin der BAGW erklärt, dass auch immer mehr Familien mit Kindern bei Hilfsorganisationen nach Obdach suchen, was viele Einrichtungen vor neue Herausforderungen stellt.
Gerade in der Corona-Pandemie hat sich die Situation für die meisten wohnungslosen Menschen verschlechtert: „Essens- und Kleiderausgaben mit vielen älteren Ehrenamtlichen“ fallen weg, so die tagesschau. Auch medizinische Versorgung durch Ärzt*innen im Ruhestand ist nicht mehr möglich, da auch diese zur Risikogruppe gehören. Vor allem im Winter werden einige Mehrbettzimmer aufgrund der Abstandsreglungen nicht vollständig besetzt werden können. Dirk Hauer, der Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung weiß die Lösung: „In der Corona-Zeit haben wir gute Erfahrungen mit Einzelunterbringungen gemacht – in diese Richtung muss sich das Hilfesystem weiterentwickeln. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen die Menschen wirklich zur Ruhe kommen können. Nur so können nachhaltige Hilfsperspektiven erarbeitet werden“. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Gelder für derartige Unterkünftige fehlen.
In Berlin gab es laut freiwilligen Zähler*innen von der „Nacht der Solidarität“ im Januar diesen Jahres rund 2000 Menschen, die auf der Straße leben, doch die Dunkelziffer sieht vermutlich viel höher aus. Außerdem kommen noch einmal mehr als 34.000 Wohnungslose hinzu, die derzeit in Sozialunterkünften untergebracht sind. Auch in München ist die Zahl der Obdachlosen um rund 4.000 Menschen angestiegen. Deutschlandweit ist der Trend von steigender Wohnungslosigkeit zu verzeichnen. Mario Frombeck, ein Bereichsleiter vom Evangelischen Hilfswerk in München, bemerkt, dass vor allem mehr Frauen mit Kindern bei ihnen Hilfe suchen. Die BAGW „schätzt, dass Frauen mehr als ein Viertel (27%) der Wohnungslosen ausmachen“, so das Sonntagsblatt. Kinder und Jugendliche machen laut den Schätzungen etwa acht Prozent aus. Hauptsächlich steigt die Wohnungslosigkeit wegen dem stark überlasteten Wohnungsmarkt. Wie die tagessschau erklärt, ist oft eine „Verkettung ungünstiger Lebensumstände“ daran schuld, warum Menschen ihre Wohnung verlieren. Die Kombination von Krankheiten, der Verlust vom Arbeitsplatz oder Geldsorgen bilden oft Gründe für eine plötzliche Obdachlosigkeit. Die Mietpreise steigen besonders in Städten an, in denen gleichzeitig wenig neuer Wohnraum erschlossen wird.
Die einzige Lösung besteht darin Hilfsangebote weiter auszubauen und zu verbessern. Einige deutsche Städte haben sich schon mit dem Hilfsansatz namens „Housing First“ bekannt gemacht. Dieses Konzept geht davon aus, „dass Wohnen Menschenrecht ist“, wie es auf der Website heißt. Den obdachlosen Menschen wird erst eine Wohnung vermittelt und dann ein Arbeitsplatz. Das Projekt sieht die Sicherung eines Wohnraums als Grundbedürfnis und leistet den Betroffenen langfristige Unterstützung. Das Ziel von Housing First ist es, innerhalb von drei Jahren, mindestens 40 Menschen eine Wohnung zu verschaffen und ihnen auch danach weiter auf die Beine zu helfen. Die Teilnehmenden für das Projekt werden mittels eines Auswahlverfahrens bestimmt, in welchem geschaut wird, ob die Personen „willens und fähig“ dazu sind, mit dem Team von Housing First zu kooperieren. Auf der Website steht ausdrücklich, dass bei akuten psychischen Problemen, Suchterkrankungen und bei „Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten“ keine Hilfeleistungen von dem Projekt erfolgen können. Doch auch, oder gerade diesen Menschen muss geholfen werden. Nicht jeder und jede kann Teil eines derartigen Projektes sein. Daher muss auch die Politik mit anpacken und auf lange Sicht bezahlbaren Wohnraum schaffen, auch für Menschen und Familien, die nicht viel Geld im Monat zur Verfügung haben, psychisch krank sind oder unter Suchterkrankungen leiden.