Privatsphäre und Smart Home scheinen zwei verschiedene Welten zu sein – so werden immer öfter Vorwürfe laut, dass die nützlichen Sprachassistenten ihre Nutzer belauschen. Doch warum lassen die Nutzer das zu?
Samsung hat Bixby, Apple hat Siri, Amazon hat Alexa und Google hat den Google Assistant. Chatbots oder Sprachassistenten, wie sie in Deutsch genannt werden finden immer mehr Einzug in unseren Alltag. Der Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) hat eine Studie veröffentlicht, nach welcher über 39% der Internetnutzer sich auf die sogenannten Smart Speaker verlassen. Es wurden insgesamt 1.004 Personen in Deutschland nach ihren Verhaltensmustern und Vorlieben befragt. So gewinnen Sprachassistenten immer mehr an Bedeutung im Alltag der Menschen, jeder Zweite (56%) greift mittlerweile täglich auf die Hilfe von Sprachassistenten zurück.„Intelligente Sprachassistenten entwickeln sich rasant und sind in immer mehr Geräten verfügbar – von der Dunstabzugshaube bis zum Auto“, sagt Bitkom-Experte Dr. Sebastian Klöß. „Eine Gerätesteuerung per Stimme wird künftig so selbstverständlich sein wie das Knöpfedrücken oder Wischen auf einem Display.“
Sprachassistenten haben eine enorme Karriere gemacht in den letzten 5 Jahren. So liegt der weltweite Marktumsatz von Smart Speakern mittlerweile bei 939 Millionen Euro, wie Zahlen von Statista bestätigen. In allen Bereichen unseres Alltags begleiten uns nützlichen Sprachassistenten Schritt für Schritt. „Siri, mach die Soul Musik an!“ oder „Alexa, mach die Lampe an!“ gehören schon mittlerweile zu Standardsätzen, wenn Menschen ihre Wohnung betreten.
Smart-Home-Geräte verbinden das Internet mit Haushaltsgeräten und werden dadurch intelligent. So steuert der Sprachassistent mithilfe eine „Weckworts“ programmierte Befehle. Dementsprechend kann er die fehlende Milch bestellen, Wetterprognosen ausgeben oder den Kontostand vorlesen. Dabei testen die Nutzer auch gern alle verbalen Möglichkeiten aus und beleidigen ihre digitalen Helfer. Laut einer Studie sind es in der EU vor allem die Deutschen und Niederländer, welche die Sprachassistenten mit Beschimpfungen und Unfreundlichkeit traktieren.
Aber wie werden die Voice Assistants eigentlich genutzt? Vor allem bei peinlichen Fragen werden die Assistenten mit künstlicher Intelligenz oft ihren menschlichen Kollegen vorgezogen. Unternehmen setzen immer öfter Chatbots ein, um den Kundenservice rund um die Uhr anbieten zu können und Mitarbeiter zu entlasten. Oft gestellte Fragen werden dann schnell im Chat beantwortet und der Kunde muss nicht stundenlang in der Warteschleife auf eine Reaktion warten.
Multinationale Unternehmen wie Amazon haben aus der neuen Gewohnheit der Menschen einen enormen Gewinn gezogen: Echo und Alexa gehören zu den Platzhirschen auf dem Markt. Mittlerweile hat jedoch auch die Konkurrenz mitgezogen: Nur in Deutschland waren es im Jahr 2019 bereits 11,7 Millionen Smart-Speaker-Nutzer.
Doch wie funktionieren die Smart Speaker? Eigentlich sind sie nichts anderes als Lautsprecher mit einem Mikrofon, welche mit dem Internet verbunden sind. Das gesprochene Wort wird ins Internet gestreamt, welches mit verschiedenen Text-to-Speech-Services verbunden ist. In dieser sogenannten Cloud wird dann dank künstlicher Intelligenz nach einer geeigneten Antwort auf die Nutzeranfrage gesucht. Ist die Antwort gefunden, wird aus dem Antworttext Sprache generiert und der Sprachassistent spricht.
Doch häufig kommt es auch dazu, dass die Sprachassistenten fälschlich reagieren. So gehen die Sprachassistenten auch an, wenn sie Wörter hören, die aber gar nicht dazu dienen sollten ihn anzustellen. So nimmt das System das Gesagte des Nutzers auf und streamt es irrtümlich ins Internet. Doch seine Nutzer bemerken nicht, dass ihr Smart Speaker sie belauscht. Auch der Google Assistant hat „aus Versehen“ bei einigen Nutzern von Google Home-Geräten Aufzeichnungen von Umgebungsgeräuschen aufgezeichnet. Das große Problem: Oft werden die Aufnahmen auch von Mitarbeitern überprüft, um die Spracheeingabe per Künstlicher Intelligenz zu verbessern. Doch dieselben Mitarbeiter haben auch zugegeben, dass sie gern in den Leben von anderen herumspionieren und länger zuhören als vorgesehen.
„Machen Sie sich bewusst, dass auch Familienmitglieder und Gäste im Raum durch das stetige Lauschen auf einen „Alexa“-Zuruf des Geräts potenziell ausgehorcht und sich damit in Ihrem Persönlichkeitsbereich berührt fühlen könnten“, erinnert die Verbraucherzentrale. Denn ein Smart Speaker ist nichts anderes als ein Mikrofon mit Internetzugang, der permanent sensible Daten ins Internet streamen kann.
In einem Projekt von Professorin Dorothea Kolossa und Professor Thorsten Holz der Ruhr-Universität Bochum wurde untersucht, auf welche Wörter die Sprachsysteme falsch reagieren. So reagierte Alexa auf Wörter wie „unacceptable“ und „election“ und Siri auf „a city““. Amazon bekräftigt, dass nur ab dem Weckwort die Aufnahme startet. Zudem kann die Aufnahme auch per Abschaltknopf unterbrochen werden. Zudem können alte Aufnahmen direkt im Alexa-Portal gelöscht werden.
Doch mittlerweile bahnt sich auch ein neuer Markt von Sprachassistenten an, die nicht Daten in die Cloud übertragen. Das Fraunhofer Institut hat mit dem Projekt SPEAKER das Ziel eine Plattform „Made in Germany“ für sprachgesteuerte Dialogsysteme zu entwickeln. Zudem gibt es immer mehr Unternehmen, die Sprachassistenten mit Privatsphäre anbieten. „Kunden wird bewusst, dass sie auch Alternativen haben und greifen zu Smart Speakern, die ihre persönlichen Daten schützen“, sagt Pàscal Casadei van Raamsdonk von Wikifriend, welche Voice Assistenten mit Privatsphäre entwickeln. Mit den Skandalen um die Smarten Spione hat sich eine Käuferschicht entwickelt, welche die Kontrolle über ihre Daten behalten möchte. Auch auf der IFA 2020 war dieses Thema präsent.
Stiftung Warentest moniert in einem Test der Smart Speaker, dass Nutzer über die Smart Speaker nicht nur belauscht, sondern auch segmentiert werden können – nach Musikgeschmack, politischen Interessen und biometrischen Informationen. Die Voice-Assistenten zeigen sich beim Daten versenden alles andere als vorbildlich: „Die Anbieter der drei Sprachassistentensysteme von Amazon, Apple und Google setzen in ihren Datenschutzerklärungen grundlegende Prinzipien des strengen europäischen Datenschutzrechts nicht angemessen um“, so die Tester. Für einige ist es deshalb der absolute Alptraum, dass diese Geräte bald auch mit Kamera und Gesichtserkennung funktionieren werden, andere können sich nichts Bequemeres vorstellen.