War es Streit oder ein freundschaftlicher Knuff? Der Milzriss von Dennis Hohloch, zugefügt von seinem Parteikollegen Andreas Kalbitz, wirft Fragen auf.
In der AfD-Fraktion Brandenburg ist ein hitziger Streit entfesselt. „Andreas, bitte geh“, fordert Kai Laubach, Mitarbeiter der AfD-Fraktion auf Facebook: „Du hättest beinahe Dennis Hohloch fahrlässig getötet. Du verspottest ihn danach noch mir selbst gegenüber als zerbrechliches Weichei.“
Vom Krankenhaus aus beschreibt Hohloch die Situation folgendermaßen: die Abgeordneten kamen vom Mittagessen zurück und er saß im Büro eines Fraktionskollegen.Dann öffnete Kalbitz plötzlich die Tür. Ohne ihn zu begrüßen boxte Kalbitz unkontrolliert heftig in die Seite. Kurz danach klagte Hohloch über starke Magenschmerzen, welche sich als innere Verletzungen der Milz herausstellten. Er sei sogar kurz auf der Intensivstation gewesen, wird berichtet.
Der damalige Brandenburger AfD-Fraktionschef soll dem Parlamentarischen Geschäftsführer Fraktionschef Dennis Hohloch zur Begrüßung einen „freundschaftlichen“ Fausthieb verpasst haben. Die Folge ist ein Krankenhausaufenthalt mit Milzriss. Nach ersten Presseberichten ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Doch diese Version wird nicht von allen in den AfD-internen Foren geteilt. So werten einige die Körperverletzung als Begrüßungsschlag, der etwas zu heftig war. So wäre der „freundschaftliche Knuff“ eine ganz normale Geste unter den beiden Männern. Danach hätte Hohloch auch ganz normal weitergearbeitet. Doch dann hätte Hohloch Schmerzen bekommen und Kalbitz hätte ihn dann zum Arzt gebracht. Dort sei nicht etwa ein Milzriss diagnostiziert worden, sondern eine „Zyste auf der Milz“. Andere Parteimitglieder sind der Ansicht, dass Kalbitz seinen Kollegen „krankenhausreif geprügelt“ habe.
Kalbitz selbst ist jedoch der Meinung, dass es sich ihm gegenüber um eine Schmutzkampagne handelt: Die „gerüchtehalber kolportierten Vorhalte und Spekulationen Dritter“ seien „Bestandteil eines innerparteilichen Schmierentheaters, das ich nicht weiter kommentiere“. So hätte eine Verflechtung unglücklicher Umstände dazu geführt, dass Hohloch im Krankenhaus gelandet ist.
Doch ein andere Parteikollege widerspricht ihm sehr entschieden. Laubach, ehemaliger stellvertretender Fraktionsgeschäftsführer der AfD-Fraktion in Brandenburg sagt: „Es ist keine Schmutzkampagne deiner Partei. Du bist so unfassbar dreckig! In genau dieser Angelegenheit zeigt sich wie unter einem Brennglas, was für ein verlogener und mickriger Charakter du bist.“ Und weiter: Du bist Parteikrebs.
Kalbitz moniert, dass mit der Entrüstung seiner Parteikollegen über den Faustschlag nur versucht wird, ihn loszuwerden. So habe die Fraktion über zwei Stunden darüber beraten, ob Kalbitz seinen Posten abgeben sollte. Dabei haben ihm auch ehemalige Parteifreunde die Unterstützung verweigert. Damit war eindeutig klar, dass Kalbitz um einen Rücktritt nicht mehr herumkommt.
Der Amtsabtretung Kalbitz’ ist auch ein Wendepunkt für den rechten „Flügel“ in der AfD. So besteht der Flügel aus über Tausend Mitgliedern, welche jedoch mit dem rechtsaußen Flügel im Streit liegen.
Um Kalbitz Person gibt es seit längerem große Unzufriedenheit: Klagen über seinen Führungsstil, über seine auf sich selbst ausgerichtete Personalpolitik und wie er nur enge Vertrauten um sich scharte und wie wenig sachpolitische Impulse er gab. Zudem kommen andere Vorwürfe zu Tage: auf der Fraktionsklausur 2019 soll Kalbitz einen Fraktionsmitarbeiter geschlagen haben.
Außerdem geht auch eine Auseinandersetzung mit Kalbitz Lebenslauf voraus. So hatte er bei seiner Parteiaufnahme nicht angegeben, dass er Verbindungen ins rechtsextreme Lager hat. Das Bundesschiedsgericht bestätigte Ende Juli einen Beschluss des Bundesvorstands: Kalbitz habe bei seinem Eintritt in die AfD vorherige Mitgliedschaften in rechtsextremen Vereinigungen nicht angegeben. Die AfD-Führung erklärte daher Kalbitz Parteimitgliedschaft für ungültig.
Daraufhin entschied Kalbitz seinen Fraktionsvorsitz ruhen zu lassen. Der Chef der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag scheiterte mit der Anfechtung seines Rauswurfs vor dem Bundesschiedsgericht der Partei. In einigen Tagen wird vor Gericht verhandelt, ob sich Kalbitz erfolgreich wieder in die AfD einklagen kann. Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski sagte: „Ich bin erleichtert, dass sich das Buch Kalbitz nun endgültig schließt. Es waren zu viele unerträgliche Kapitel, die der Partei massiv geschadet haben. Dieser Mann ist nicht politikfähig!“
Pazderski weiter: „Die AfD hat nun die Chance, ihre Glaubwürdigkeit bei den bürgerlich-konservativen Wählern spürbar zu stärken. Diese müssen wir mit Nachdruck nutzen!“ Auch AfD-Parteichef Jörg Meuthen reagierte erleichtert: „Die heute schließlich getroffene Entscheidung von Herrn Kalbitz, von der Position als Vorsitzender der Brandenburger Landtagsfraktion endgültig zurückzutreten, ist im Lichte der Geschehnisse unvermeidbar und überfällig“, sagte Meuthen dem ZDF.
Auch nach dem Verzicht auf den Fraktionsvorsitz bleibt ein fader Nachgeschmack, denn die Parteiführung hat sich nicht politisch von Kalbitz distanziert. So waren von Alexander Gauland, Alice Weidel und Tino Chrupalla keine kritischen Stimmen zu hören. Hohloch hält sich zurück. Er schreibt auf Facebook: „Ja, ich liege aktuell noch im Krankenhaus mit einem Milzriss (keine Zyste o.ä.).“
Wie geht der Streit juristisch weiter? Vor dem Landgericht Berlin wird im Eilverfahren verhandelt, ob Kalbitz wieder in die AfD zurückdarf. Dabei werden ihm von Parteirechtlern gute Chancen eingeräumt. Doch auch wenn er es am Ende schafft, er wird am Ende keinen Rückhalt mehr in seiner Partei haben.