Ein leichtfertiger Umgang mit hohem Blutdruck, die Vermeidung eines Arztbesuches oder das Ignorieren von Alarm-Zeichen können zu einer tödlichen Gefahr werden, weil ein hoher Blutdruck oft unterschätzt wird und eher unauffällig einhergeht.
Man kann es so klar sagen: Bluthochdruck ist tödlich. Und bei der Hälfte der Patienten reichen Medikamente nicht aus, um Normalwerte zu erreichen. Drei kleine Änderungen des Lebensstils könnten 50 Prozent der Schlaganfälle und Herzinfarkte aber verhindern. Auch wenn Bewegungsmuffel es nicht hören wollen: 20 – 30 Minuten schnelles Gehen, Joggen oder Sport an mindestens 5-6 Tagen in der Woche sind das absolute Minimum an „Eigenleistung“, um dem Bluthochdruck entgegenzuwirken.
Das tödliche Risiko, das Bluthochdruck in sich trägt, wird unterschätzt: 2,2 Millionen Frauen und 1,8 Millionen Männer in Europa sterben pro Jahr an den Folgen von Bluthochdruck, dabei vor allem an Schlaganfall und Herzinfarkt. „Dabei wären etwa 50 Prozent der Herzinfarkte und Schlaganfälle vermeidbar, wenn Bluthochdruck rechtzeitig diagnostiziert und optimal gegengesteuert würde“, sagt Martin Halle, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der TU München und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung.
Der optimale Blutdruckwert ist nicht der Grenzwert
Dabei gelten erst Blutdruckwerte ab 140/90 mmHg laut den geltenden europäischen Leitlinien als zu hoch. „Der optimale Blutdruck liegt jedoch bei 120/80 mmHg“, stellt der Professor klar. Die Maßeinheit mmHg steht bekanntlich für die Millimeter (mm), die der Druck des Blutes eine Quecksilbersäule ansteigen lässt.
Häufig geben sich Patienten damit zufrieden, wenn der Blutdruck bei 140/90 oder ein bisschen darunter liegt. „Doch immer nur knapp an der Obergrenze entlang zu schrammen, ist kein guter Weg“, warnt der Kardiologe und rät, nicht den Grenzwert als Ziel zu haben, sondern den Topwert von 120/80. Sonst ist das Risiko ernsthaft zu erkranken ein ständiger Begleiter.
Bereits geringfügig erhöhter Blutdruck schädigt die Gefäße
Bereits zehn oder 20 mmHg mehr stressen die Gefäße, schädigen sie auf Dauer und lösen in der Folge Herz-Kreislauf-Ereignisse aus. Nur mit dem Bestwert von 120/80 mmHg werden die Gefäße nicht ungünstig belastet. Beträgt der Blutdruck 20 oder sogar 40 mm mehr, lässt sich die negative Wirkung anhand eines Beispiels verdeutlichen, wie Martin Halle erklärt: Erreicht der Blutdruck statt 120 schon 160, steigt die Quecksilbersäule um vier Zentimeter höher als normal.
Blut ist aber viel dünner als Quecksilber. Damit eine Wassersäule um die vergleichbaren 50 Zentimeter steigt, ist sehr viel Kraft nötig. Wenn nun ein Mensch versucht, mit einer Spritze diese 50 Zentimeter in der Messröhre bei jedem Herzschlag zu erreichen, ist er nach einer Minute erschöpft. Das ist jedoch die Leistung, die das Herz bei Bluthochdruck ständig liefern muss. „Der Unterschied zwischen einem Blutdruck von 160 und 120 ist enorm und belastet das Herz außerordentlich“, betont der Kardiologe. Gleichzeitig überlastet und schädigt der hohe Druck die Gefäße.
Tödliche Folgen für Gehirn, Nieren und Herz
Das wirkt sich besonders an den Gefäßen im Gehirn, dem Herzen und den Nieren aus. So kann im Gehirn ein Gefäß platzen (Schlaganfall), am Herzen (Herzinfarkt) und wenn die Gefäße in den Nieren nach und nach versagen, stellt sich Niereninsuffizienz ein mit der Folge Dialyseabhängigkeit.
Noch weniger bekannt ist, dass Bluthochdruck zusätzlich auf Dauer den Herzmuskel schädigt. „Der Herzmuskel muss ständig gegen den hohen Druck ankämpfen, er leiert dadurch aus“, sagt Halle. Das elektrische Zentrum im Herzen wird dadurch ebenfalls abgenutzt, so kommt es zu Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern. Die Neigung zu Blutgerinnseln nimmt dadurch zu, es können sich Thromben bilden. Wenn sie Gefäße verstopfen, entsteht je nach Lokalisation Herzinfarkt, Schlaganfall oder Embolien, etwa in Bein oder Leiste.
Was dabei ebenfalls häufig übersehen wird: Schlaganfall und Herzinfarkt sind keine harmlosen Krankheiten. „50 Prozent enden über kurz oder lang tödlich, bei den anderen hinterlässt ein Schlaganfall oft ausgeprägte Gebrechlichkeit, nach dem Herzinfarkt kommt es zu deutlichen Leistungseinbußen“, warnt der Kardiologe.
Die drei wichtigsten Ursachen für Bluthochdruck
Doch Bluthochdruck betrifft inzwischen schon fast jeden Dritten in Deutschland. „Bluthochdruck ist zu einer Seuche geworden“, warnt der Professor.Die Gründe warum Bluthochdruck immer mehr Menschen betrifft, liegen auf der Hand. Es sind Übergewicht, Bewegungsmangel und die falsche Ernährung.Nehmen diese Faktoren zu, tritt Bluthochdruck, medizinisch Hypertonie, immer häufiger auf. „Vor allem unsere Ernährungsweise in Deutschland mit Wurst, Käse und Brot, ist optimalen Blutdruckwerten nicht eben zuträglich, weil diese Lebensmittel zu viel Salz enthalten“, nennt Martin Halle einen der wichtigsten Risikofaktoren für Bluthochdruck.
Bluthochdruck tut nicht weh – deshalb jährlich messen lassen
Oft wird die Hypertonie erst erkannt, wenn der hohe Druck schon Spuren in den Gefäßen und Organen hinterlassen hat. Spezifische Symptome wie bestimmte Schmerzen löst Bluthochdruck nämlich nicht aus. Treten häufig Tagesmüdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzenauf, sollte das jedoch ein Arzt abklären, sagt Halle und empfiehlt grundsätzlich für jeden eine jährliche Blutdruckkontrolle. Eine Altersgrenze nach unten gäbe es dabei nicht, denn bereits Schulkinder hätten Bluthochdruck, verursacht durch die drei Hauptrisikofaktoren Bewegungsmangel, falsche Ernährung, Übergewicht. Dabei gelten für Kinder übrigens andere Normwerte, sie liegen bei höchstens 120/85 mmHg.
Bluthochdruck-Therapie: Fünf Medikamente
Wurde Bluthochdruck diagnostiziert, gehören vor allem bei höheren Werten Medikamente zur Therapie. Dabei stehen verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung, hier die wichtigsten: Sogenannte ACE-Hemmer, Sartane, Kalzium-Antagonisten, Beta-Blocker und Entwässerungsmittel.„Zwischen ACE-Hemmern und Sartanen gibt es keine wirklichen Unterschiede, sie sind effektiv und erweitern die Gefäße in der Peripherie“, erklärt der Experte ihre Wirkung. Ähnlich ist das mit Kalzium-Antagonisten. Anders wirken die Wassertabletten, sie entziehen dem Körper Flüssigkeit, reduzieren damit das Blutvolumen und der Druck auf die Gefäßwände nimmt ab. Beta-Blocker senken die Pulsfrequenz und entlasten damit das Herz.Dabei gilt die Monotherapie inzwischen als überholt, am sinnvollsten ist es, zwei Wirkstoffe zu kombinieren, etwa ACE-Hemmer mit Wassertablette.
Trotz Blutdrucksenkern bleibt der Blutdruck oft zu hoch
Rund die Hälfte der Patienten, die mit Medikamenten behandelt werden, haben aber immer noch zu hohe Blutdruckwerte, auch wenn sie Medikamente einnehmen. Denn die Mittel wirken ziemlich milde. „Ein Wirkstoff senkt den Blutdruck um 5 bis 7 mmHg, zwei immerhin um 10 bis 14“, nennt er die Fakten. Bei einem Bluthochdruck von 160/95 mmHg ist das zwar eine deutliche Senkung, die aber letztendlich nicht zu den angestrebten 120/80 mmHg führt.
Bluthochdruck natürlich senken – in einer Viertelstunde pro Tag
Wesentlich deutlichere Resultate dagegen haben schon drei kleine Lebensstiländerungen. „Besonders eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang Bewegung – bereits ein täglicher 15-minütiger Spaziergang kann den Blutdruck um 5 bis 8 mmHg senken“, sagt der Präventionsexperte.Allerdings ist das ein Mindestmaß – und man sollte diese Bewegungseinheit wirklich täglich in seinen Tagesplan einbauen. Optimal sind zusätzlich Ausdauersportarten wie Radfahren, Wandern, Nordic Walking und Joggen – dabei sich nicht unter Druck setzen, keine Leistung fordern, sondern einfach die Bewegung an der frischen Luft genießen.
Jedes Kilogramm weniger entlastet Herz und Gefäße
Mindestens genauso wichtig ist Gewichtsabnahme, Lebensstiländerung Nummer zwei. „10 Kilogramm weniger lassen den Blutdruck um 5 bis 10 mmHg sinken“, nennt Martin Halle die exakten Zahlen. Am einfachsten geht das mit einer modifizierten Ernährungsumstellung, eine strenge Diät ist nicht nötig. „Viel mehr Gemüse, also nicht nur eine Sorte pro Mahlzeit, sondern besser zwei oder drei, dafür viel weniger Brot, Wurst und Käse“, fasst er Lebensstiländerung Nummer drei zusammen. Positive Nebenwirkung: Mit gemüselastiger Kost wird übrigens auch weniger Salz verzehrt. Eine hohe Salzaufnahme kann Bluthochdruck zusätzlich begünstigen.
So lassen sich Blutdrucksenker natürlich ersetzen
Gesunde, gemüsereiche Ernährung plus täglicher Bewegung führen automatisch zu Gewichtsreduktion – und das sind die drei wichtigsten, natürlichen Hilfen gegen Bluthochdruck, die vielleicht mindestens so gut wirken wie ein Blutdrucksenker.
Abnehmen und Ernährungsumstellung empfehlen Ärzte deshalb bei mildem Bluthochdruck sogar als alleinige Therapie – oft normalisiert sich der Blutdruck damit und auf Medikamente kann ganz verzichtet werden. Auch wer bereits Medikamente einnehmen muss, kann von dieser Kombination deutlich profitieren. „Bei nicht allen, aber vielen Patienten können wir dann nach und nach die Medikamente reduzieren“, berichtet der Experte aus der Praxis. Selbstverständlich darf dieses Ausschleichen nicht ohne ärztliche Kontrolle durchgeführt werden.
„Bluthochdruck ist zwar eine Seuche, aber man kann ihn auf diese Weise in den Griff bekommen“, fasst der Präventionsexperte zusammen. Empfehlenswert ist diese gesunde Lebensweise auch in anderem Zusammenhang – so kann sie Diabetes verhindern sowie das Risiko für Krebs, Alzheimer und Athrose senken. Jeder profitiert also auf vielfältige Weise davon.
Auf die Uhrzeit kommt es an
Schauen Sie genau auf die Uhr: Millionen Deutsche schlucken Blutdrucksenker zur falschen Zeit. Weil der Blutdruck morgens besonders hoch ist, raten Ärzte zur Einnahme der senkenden Medikamente beim Frühstück. Für viele Patienten ist das aber genau die falsche Zeit, um ihr Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zu verringern. Diuretika, ACE-Hemmer oder Sartane – die Wirkstoffe gegen hohen Blutdruck gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten in Deutschland. Um bis zu 50 Prozent sinkt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, wenn der Blutdruck dauerhaft auf unter 140/90 gesenkt wird. Der Idealwert liegt bei 120/80.
Mediziner empfehlen meist Einnahme am Morgen
Um gesunde Werte zu erreichen, müssen Hochdruck-Patienten (Hypertoniker) meist nur einmal täglich eine Tablette schlucken, und die meisten nehmen sie gleich morgens. Dazu raten auch die Ärzte, da der Blutdruck in den Morgenstunden besonders hoch ist. Diese Empfehlung ist möglicherweise falsch. Eine große Studie aus Spanien kam nämlich zu dem Schluss, dass Blutdruckpillen besser wirken, wenn sie abends, am besten vor dem Schlafengehen, eingenommen werden. Die Forscher um Studienleiter Ramón Hermida von der Universität von Vigo gehen davon aus, dass es mit der inneren Uhr des Körpers zusammenhängt, die auch auf die Verwertung von medizinischen Substanzen einwirkt.
Hoher Blutdruck ist nachts am gefährlichsten
Eine deutliche Blutdrucksenkung in der Nacht ist wichtig, wie frühere Studien gezeigt hatten: Hohe nächtliche Werte stellen ein großes Herzrisiko dar, selbst wenn der Blutdruck tagsüber im Normalbereich liegt. Für die Studie nahm eine Hälfte der 19.000 Teilnehmer ihre Blutdrucksenker gleich morgens, die andere vor dem Zubettgehen ein. Die Frauen und Männer mussten ihren Blutdruck regelmäßig messen und Buch darüber führen. Die Forscher verfolgten die gesundheitliche Entwicklung der Patienten im Schnitt sechs Jahre lang. Patienten, die ihre Medikamente vor dem Schlafengehen einnahmen, hatten sowohl nachts als auch tagsüber einen signifikant niedrigeren Blutdruck als Patienten, die ihre Medikamente jeden Morgen einnahmen.
Blutdrucksenker am Abend halbieren Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko
Während der Nachtruhe sinkt der Blutdruck ganz natürlich etwas ab, und die abendliche Medikamenteneinnahme forcierte den Effekt offenbar so nachhaltig, dass er über die kritischen Morgenstunden und den Tag anhält.Als langfristige Wirkung halbierte sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den „Abend-Patienten“ gegenüber den Hypertonikern, die ihre Medikamente immer morgens einnahmen. Studienleiter Hermida sieht im Wechsel von morgendlicher zu abendlicher Einnahme der Blutdrucksenker eine einfache Möglichkeit, Leben zu retten: „Und es ist völlig kostenlos.“