Bunte imposante Kostüme, laute Musik und eine tanzende Menge: Dafür ist der Karneval in Rio de Janeiro, Brasilien weltbekannt. Anfang des neuen Jahres muss das Spektakel leider wegen des Coronavirus verschoben werden. Wann er stattfinden soll ist noch unklar. Brasilien leidet am zweit stärksten unter dem Coronavirus, gleich hinter den USA. Insgesamt kann das südamerikanische Land rund 139.000 Todesfälle und mehr als 4,5 Millionen Infizierte verzeichnen.
Der Karneval, welcher jedes Jahr im Februar stattfindet, soll kommendes Jahr aber erst einmal ausbleiben, wie die Organisator*innen Ende September mitteilten. „Wir sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das Ereignis verschoben werden muss“, sagte Jorge Castanheira, der Chef des Sambaschulen-Verbandes, welcher den Karneval regelmäßig organisiert. Er bestätigte außerdem, dass ein neuer Termin davon abhängt, wann es einen Impfstoff gegen das Coronavirus geben wird. Die Situation sei derzeit zu instabil und die Tanzschulen hätten weder genug Zeit noch genug „finanzielle wie organisatorische Ressourcen, um die Karnevalsparaden bis Februar vorzubereiten“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach Aussage Castanheiras. Normalerweise wären die Organisatoren und Organisatorinnen mittlerweile schon im Endstadium der Vorbereitungen, denn sobald eine Parade vorbei ist, wird schon die nächste geplant. Doch besonders die Stadt Rio de Janeiro ist hart von der Pandemie getroffen. Sie verzeichnet mehr als 100.000 Infizierte und 10.000 Corona-Tote. Auch die große Silvesterparty an dem berühmten Stand Copacabana wurde für dieses Jahr abgesagt.
Das letzte Mal, dass der Karneval ausgefallen ist, ist über hundert Jahre her. Im Jahr 1912 wurde der Festumzug zwei Monate nach hinten verschoben, da der Außenminister Brasiliens kurz vorher verstorben war. Die heutige Art des Karnevalumzugs wurde durch die Portugiesen im Jahr 1840 nach Brasilien getragen. Hauptsächlich geht es beim Karneval um den zweitägigen Wettstreit aller Sambaschulen gegeneinander, aber er fungiert auch immer mehr als politische Plattform. Im Jahr 2019 gewann die Gruppe Mangueria, welche in ihrem Auftritt die rechte Regierung von Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro kritisierte. „Ihre Parade erzählt die Rückkehr von Jesus in eine der verarmten Favelas von Rio – mit schwarzem Gesicht, dem Blut der Ureinwohner und dem Körper einer Frau.“, so die tagesschau. Besonders bei der katholischen Kirche gab es für dieses politische Statement große Empörung und den Ruf nach einem Boykott des Festumzugs. Doch nicht nur seitens der Kirche, sondern auch seitens der Politik wird der Umzug kritisiert. Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Marcelo Crivella, der „ebenfalls Bischof einer der größten evangelikalen Gemeinden Brasiliens ist“, streicht dem Karneval regelmäßig finanzielle Zuschüsse, so die tagesschau. Im Jahr 2019 erhielten die teilnehmenden Tanzschulen das erste Mal überhaupt keine staatlichen Finanzierungen. Doch die Teilnehmenden sehen darin sogar einen Vorteil, wie Aydano Motta, Karnevalsexperte erklärt: „In den vergangenen Jahren ist der Karneval politischer geworden. Da sie keine öffentlichen Gelder mehr bekommen, müssen sie sich auch nicht mehr anbiedern. Gleiches gilt für große private Sponsoren. Ergebnis: Die Schulen lassen ihren künstlerischen Direktoren freien Lauf und damit begann die Kritik.“
Der Karneval ist nicht nur ein optisches und musikalisches Meisterwerk, sondern bietet vielen Aktivisten und Aktivistinnen eine Plattform, um sich in einer künstlerischen Art und Weise gegen die rechte Regierung Brasiliens zu stellen und sie auf diese Art und Weise zu kritisieren. Die Entscheidung, die Parade nächstes Jahr erst einmal zu verschieben, ist sehr vorrausschauend und vorsichtig aber angesichts der massiven Probleme, die durch das Coronavirus verursacht wurden, eine notwendige Maßnahme. Obwohl Brasiliens Präsident einen eher lockeren Umgang mit dem Virus bevorzugt, haben die Organisator*innen klug entschieden und umgehen somit eine weitere Ausbreitung des Virus. Präsident Bolsonaro wurde zu Anfang der Pandemie stark kritisiert, da er weder eine Maske trug noch sich an die Abstandsregelungen hielt. Seine Beliebtheit im eigenen Land scheint aber wieder zu steigen, da er monatliche Soforthilfen für rund 40% der erwachsenen Brasilianer erteilt hat und er somit gerade den ärmeren Teilen der Bevölkerung unter die Arme greift. In wieweit sein Einfluss auf die Entscheidung des Karneval-Komitees von Bedeutung ist, wird sich zeigen. Er könnte ja als politisches Oberhaupt doch noch die Erlaubnis zum Karneval erteilen. Das wäre dann neuer Zündstoff im politisch aufgewühlten Brasilien.