Am Abend des 8. Septembers 2020 ist das wohl größte Flüchtlingslager in Europa auf der griechischen Insel Lesbos, nahe dem Dorf Moria, abgebrannt. Das Lager ist eigentlich für rund 3.000 Menschen ausgelegt, zum Zeitpunkt des Brandes waren allerdings mehr als 12.000 Geflüchtete dort untergebracht. All diese Menschen wurden nun aus ihrem vorübergehenden Obdach gerissen und haben all ihr Hab und Gut verloren. Das Lager hatte zuvor schon stark mit der Corona-Pandemie zu kämpfen und befand sich unter einem Lockdown.
Wer oder was den Brand verursacht hat, ist noch unklar. Laut dem „Spiegel“ beschuldigen die griechischen Behörden die Flüchtlinge, selbst das Feuer gelegt zu haben, um gegen die Corona-Einschränkungen zu protestieren. Die Reglungen, die aufgrund des COVID-19 Virus getroffen werden mussten, haben schon vor dem Brand in Moria für große Unruhen gesorgt. Die Geflüchteten stehen stark unter Stress und Angst, da der nächste Schritt für sie unklar ist. Auch die Bürger und Bürgerinnen von Moria sind verängstigt und fordern „die Evakuierung aller Flüchtlinge“, so der Spiegel. Unter ihnen haben sich bereits Bürgerwehren formiert, die die verheerende Lage ausnutzen, um ihr rechtes Gedankengut zu verbreiten. Laut der griechischen Regierung ist eine Evakuierung ausgeschlossen, da es für die Flüchtlinge auf dem Festland „keine Plätze“ gebe, so ebenfalls der Spiegel. Die deutsche Bundesregierung hat Griechenland und den geflüchteten Menschen seine Hilfe zugesprochen. Steve Alter, der Sprecher des Bundesinnenministeriums, erklärte: „Unsere Priorität ist jetzt die, dass wir vor Ort Hilfe leisten, im Rahmen dessen, was Griechenland braucht.“ Viele Bundesländer und Kommunen wollen bereits seit längerer Zeit Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, doch bisher ist das am Innenminister Horst Seehofer gescheitert. Auch in dieser inhumanen Lage ändert dieser nichts an seiner Entscheidung, wie ein Sprecher mitteilte: „Die aktuelle Situation stellt uns vor Herausforderungen, aber das ist kein Grund, unsere bisherige Rechtsordnung infrage zu stellen.“ Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europaparlaments bewertet es als „zynisch“ und „absurd“, wenn nicht auf die Angebote der Gemeinden eingegangen werde. Außenminister Heiko Maas fordert ebenfalls eine Aufnahme der Flüchtlinge und eine gemeinsame europäische Lösung. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller fordert von der Bundesregierung ein „Zeichen der Humanität“ zu setzen „und nicht auf eine EU-weite Lösung zu setzen“, so die Welt.
Doch nicht nur die Politik hat sich deutschlandweit größtenteils für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Bereits am Tag nach dem Brand in Moria sind Tausende Menschen auf die Straßen gegangen, um für ebenfalls für die Aufnahme zu protestieren. In Berlin waren es rund 3000 Demonstrierende, in Leipzig 1800 und in Hamburg 1200. Die „Seebrücke“ hat schnell reagiert und spontan über soziale Medien zu den Versammlungen aufgerufen. Julia Solbach von der Organisation Seebrücke fordert eine sofortige Handlung der Bundesregierung: „Eine europäische Lösung ist nicht in Sicht, das heißt, einzelne Staaten müssen vorangehen.“ Die EU-weite Aufteilung scheitert beispielsweise schon an Österreich und den Niederlanden. Die beiden Länder haben sich gegen eine Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen, da sonst „eine Kettenreaktion“ ausgelöst werden könnte, so der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg. Selbst wenn die Flüchtlinge auf die EU-Staaten aufgeteilt werden würden, wäre das Lager schnell wieder mit weiteren Menschen gefüllt, so der Minister zum ORF. „Wir müssen die Debatte de-emotionalisieren, wir müssen sie rationalisieren.“
Anders als Österreich oder die Niederlanden haben sich aber beispielsweise Baden-Württemberg, Berlin und andere Bundesländer öffentlich dazu bereit erklärt, geflüchteten Menschen einen neuen Platz zum Leben zu geben. Doch das Bundesinnenministerium sträubt sich weiterhin gegen diese Angebote. Auf die von Horst Seehofer geforderte europäische Einigung ist zu warten. Doch was bei einer Katastrophe derart nicht vorhanden ist, ist Zeit. Es handelt sich hier nicht um Güter, sondern um Menschen, die jetzt auf der Straße schlafen müssen, ohne Dach über dem Kopf, ohne jegliche Besitztümer und ohne Perspektive. Diese Debatte muss nicht „de-emotionalisiert“ werden, sondern mit mehr Empathie betrachtet werden. Auch unter einer empathischen Sichtweise ist es noch möglich, handfeste Reglungen aufzustellen und die Menschen auf die EU-Staaten und Bundesländer aufzuteilen, die sich bereits vor dem Brand dazu bereit erklärt haben.