Der Bundeswirtschaftsminister will einen umfassenden gesellschaftlichen Konsens für den Klimaschutz anstoßen. Er sprach von einem historischen Kompromiss für einen parteiübergreifenden Klimapakt und räumte ein, damit von bisherigen Positionen abzurücken.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will im kommenden Jahr ein Klimapakt abschließen, der nicht nur die Regierung und Opposition umfasst, sondern „weitere Teile der Klimabewegung, Wirtschaft, der Kirchen und der Religionsgemeinschaften“. Er sprach von einem „historischen Kompromiss“, der notwendig sei, um den Klimawandel zu stoppen. „Ich bin der Auffassung, dass wir Klimaschutz als zentrale und vorrangige Aufgabe unserer Generation begreifen müssen und entsprechend handeln müssen“, so Altmaier. Bereits 2019 betonte Altmaier in einem Interview, dass Verzichtsdebatten allein nicht ausreichen. „Innovationen und Veränderungen wurden auch in früheren Zeiten nicht durch Anweisung von oben beschlossen. Vor 35 Jahren hätten Sie keine Mehrheit dafür gefunden, die Telefonzellen abzuschaffen. Heute ist fast jeder mit modernen Mobilgeräten unterwegs. Der Staat muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Entscheiden werden am Ende die Verbraucher“, erklärte er.
Er will damit aber nicht nur das Klima schützen, sondern auch die Wirtschaft für einen Wandel wappnen, da dies bislang „nicht entschieden und nicht ausreichend genug angegangen“ worden war. Die Transformation der Wirtschaft muss so gelingen, dass die Wirtschaft nicht sinke und die Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteige. Der „historische Kompromiss“ soll zugleich verhindern, dass der Klimaschutz durch die anstehenden Wahlkämpfe nicht in den Hintergrund rückt. Altmaier hofft auf eine Einigung vor der parlamentarischen Sommerpause im kommenden Jahr.
Bundestag und Bundesrat sollen eine Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft verbindlich beschließen, die zunächst auf freiwilliger Grundlage für die Wirtschaft dienen soll. Konkret stellt sich der ehemalige Umweltminister deutlich stärkere Anreize für Unternehmen vor, etwa durch entsprechende Verträge oder CO2-Auktionen. Insgesamt schlug er einen 20-Punkte-Plan vor. Er forderte nicht nur die Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2050, sondern für jedes einzelne Jahr konkrete Reduktionsziele festzusetzen. Weiterhin sprach er davon einen bestimmten Anteil des Bruttoinlandsproduktes für den Klimaschutz und die Wirtschaftsförderungen bereitzustellen, wie es bereits in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Verteidigung der Fall ist.
Entsprechend den ehrgeizigen Klimazielen der Bundesregierung bis 2030 „mit der „Bepreisung des klimaschädlichen CO2, Fördermaßnahmen und gesetzlichen Standards für mehr Innovationen und Investitionen … 65 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990“ zu verzeichnen, müsse der europäische Emissionshandeln entsprechend angepasst werden. Ein Preis von 25 Euro pro Tonne CO2 soll erstmals ab 2021 für Benzin, Gas und Heizöl eingeführt werden. Die EEG-Umlage soll „weiter abgesenkt und stabilisiert werden“, so Altmaier. Besonders umweltfreundliche Unternehmen sollten nach dem 20-Punkte-Plan des Bundeswirtschaftsministers durch zusätzliche Hilfen über sogenannte „Contracts for Carbon Difference“ unterstützt werden.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sieht in dem „Klimaschutzpakt“ ein Ablenkungsmanöver. „Wir unterstützen jeden Schritt, der das Pariser Klimaschutz-Abkommen umsetzt, und stehen mir Rat und Tat bereit, aber nicht für Ablenkungsmanöver“, teilte Baerbock dem „Spiegel“ mit. „Klimaschutz heißt machen, nicht ankündigen“, so die Grünen-Politikerin in Bezug auf Altmaiers Ankündigung. Sie fordert ihn auf, in der Union Überzeugungsarbeit zu leisten, da es Zweifel an seinem Vorstoß seitens der Grünen gibt. Grund dafür ist unter anderem die bisherige Klimabilanz der Bundesregierung. „Die Große Koalition mit Herrn Altmaier hat gerade den historischen Kohlekompromiss gebrochen. Letztes Jahr hat sie vollmundig ein Klimapaket angekündigt, dann hat sie wirkungslose zehn Euro als CO2-Preis präsentiert“, sagte Baerbock und fügte hinzu: „Daher habe ich große Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorstoßes.“ Bundeswirtschaftsminister Altmaier müsste zunächst „in den eigenen Reihen Überzeugungsarbeit leisten“, so Baerbock.
Altmaier räumte ein, dass er mit seinem Vorhaben seine bisherige Position ändere und Fehler gemacht habe. „Vieles hätte schneller und früher geschehen können“, teilte er mit. Ein Beispiel dafür sei der „Green Deal“ der EU-Kommission. In der Vergangenheit warnte er davor, die Automobilindustrie durch zu hohe CO2-Auflagen zu überfordern. Nun sagt er, der Green Deal seit die „möglichweise letzte Chance unserer Generation“. Nach eigenen Aussagen handele es sich bei dem Vorstoß nicht um ein parteiübergreifendes Vorhaben. Es handele sich vielmehr um einen „persönlichen Vorschlag“.