Also was denn nun? An der Berliner Charité streiten sich die Gelehrten, ob Corona-Lockerungen entgegen vieler anderer Meinungen möglich sind, oder nicht. Selbst Angela Merkel sagt, dass es eine Illusion sei, dass schon bald zur Normalität zurückgefunden werden könne, weil die Fallzahlen der Epidemie wieder ansteigen. Dagegen steht nun ein brisantes Papier der Top-Experten des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin von Professor Stefan Willich und der Leiterin des Instituts für Hygiene- und Umweltmedizin, Frau Professor Petra Gastmeier, welches besagt: „Wenn in Konzert- und Opernsälen ein einfacher Mund-/Nasenschutz getragen würde, sei eine Vollbesetzung der Sitzplätze möglich.“ Ein riesiges und wichtiges Signal für die deutsche Kulturlandschaft und ein Paukenschlag für die gesamte Branche. Denn bis dato musste ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden, wenn Zuschauer bei Konzerten dieser Art anwesend waren. Da die Konzerthäuser sowieso ums Überleben kämpfen, ist diese Aussage natürlich ein Hoffnungsschimmer für alle Beteiligten. Doch in den Chor der Jubelarien will der Chef der Charité nun gerade gar nicht mit einstimmen- im Gegenteil, dieser mahnt seine Fachkollegen öffentlich ab und wehrt sich gegen diese Aussage.
Die Begründung der Charité-Experten hört sich schlüssig und einfach an: Bei klassischen Kulturveranstaltungen zeichne sich das breite Publikum durch eine disziplinierte Verhaltensweise sowie die sorgfältige Einhaltung von Vorgaben aus. Das bedeutet, dass Gesang, Gebrüll oder auch Verstöße gegen die Maskenpflicht, wie man sie beispielsweise aus Fußballstadien kennt, bei klassischen Konzerten eher unwahrscheinlich sind, da das Publikum einfach disziplinierter und einsichtiger sei. Dadurch sei die Ansteckungsgefahr eher niedrig. Eine Ohrfeige für alle anderen Veranstaltungsbesucher, die offenbar nicht über derartige Einsicht und eine Bereitschaft zur Einhaltung von Vorgaben und Geboten verfügt. Zumindest den Berichten zufolge, dass sogenannte Corona-Parties oder ähnliches immer wieder ohne Abstand und ohne Schutzmasken stattfinden, ist an dieser Aussage einiges Wahres dran. Gestützt wird die These der Professoren, dass man in „disziplinierter Runde“ keine Ansteckung zu befürchten habe durch die Nachricht, dass sich die Anzeichen verdichten, dass das Virus mutiert und schwächer wird, und Corona irgendwann in nächster Zukunft nur noch als Erkältung wahrgenommen werden wird.
Professor Ulf Dittmer ist Direktor der Virologie am Klinikum Essen und spricht von mehreren Anzeichen, die darauf hinweisen, dass das Virus seinen Schrecken verliert: „Eine Abschwächung des Virus‘ durch Mutationen, also genetische Veränderungen, sorgt für einen schwächeren Krankheitsverlauf.“ Das spräche dann auch für Lockerungen im Umgang mit der Pandemie, die der Chef der Berliner Charité keinesfalls unterschreiben will. Er versuchte stattdessen, seine Experten zurückzupfeifen und behauptet, dass Thesenpapier sei „nicht abgestimmt“ und gebe nicht die Position des Charité-Vorstands wieder. Stattdessen kontert der Klinik-Chef mit der Aussage: „Der Entwurf berücksichtigt nicht die aktuelle Dynamik des Infektionsgeschehens und der damit verbundenen Risiken.“ Also was nun: Sind jetzt Lockerungen möglich, eventuell wieder Fußballspiele vor großem Publikum, oder nicht? Irgendjemand sollte jetzt einmal für Klarheit sorgen. Denn Professor Willich steht zu seiner Vermutung, dass die epidemiologische Belastung in Deutschland als „gering bis moderat“ zu bewerten sei und daher eine Gesichtsmaske ausreicht, um andere nicht anzustecken.
Wie es aktuell vermittelt wird, sind es hauptsächlich die Reiserückkehrer bei uns, die das Virus immer wieder ins Land einschleppen und die Menschen anstecken. Quasi hausgemachte Infektionsverbreitungen sind unter Kontrolle, während die Pflichttest an den Flughäfen mangelhaft sind und Rückkehrer, die mit dem Auto kommen, so gut wie gar nicht kontrolliert werden, wenn sie nicht freiwillig zur Kontrolle gehen. Damit wird einer neuen Ansteckungskette Tür und Tor geöffnet. Dieser Umstand an sich ist besorgniserregend und sollte umgehend verbessert werden. Auch wenn Jens Spahn nun den Karneval, Deutschlands 5. Jahreszeit, für nächstes Jahr komplett absagen will, reichen solche Maßnahmen bei weitem nicht aus, um die Virus-Ausbreitung gering zu halten. Das Übel muss man an der Wurzel packen, und das ist die Einschleppung durch Auslands-Reisende, die dringend strukturiert verhindert werden muss.