Die Videoapp TikTok ist eines der beliebtesten sozialen Netzwerke überhaupt. Im vergangenen Jahr wurden die App, und die chinesische Version Douyin, weltweit zwei Milliarden Mal runtergeladen. Allein im April dieses Jahres konnte sie einen Umsatz von 78 Millionen US-Dollar erwirtschaften, womit sie noch vor den alteingesessenen Riesen YouTube und Netflix liegt. Doch kritische Stimmen gegen TikTok werden immer lauter. Die Regierungen verschiedener Länder, wie die von Deutschland, Indien oder den USA haben Bedenken. Auch der Onlineshopping-Gigant Amazon hat sich jetzt eingeschaltet und äußert Kritik an der App, die vor allem von Jugendlichen genutzt wird. Doch was genau hat es mit der App überhaupt auf sich und wie kritisch ist diese tatsächlich zu betrachten? Was sagt der eigene Vorstand von TikTok zu den harschen Vorwürfen gegen das soziale Netzwerk und wie frei ist die Erstellung von Videos wirklich?
Im September 2016 wurde die TikTok von dem Chinesen Zhang Yiming, dem Gründer des Technologieunternehmens ByteDance, ins Leben gerufen. 2017 kaufte das Unternehmen die Videoapp musical.ly auf und benannte diese kurzerhand in TikTok um. Auf der App können die Nutzer*innen kurze Musikvideos mit Lippensynchronisation aufnehmen oder andere Videoclips erstellen, die von teilweise Musik unterlegt werden. Die App bietet aber auch Funktionsweisen von sozialen Netzwerken an, indem die Videos kommentiert oder verschickt werden können. Laut der Analyse von AppAnnie sind 69% der Nutzer*innen zwischen 16 und 24 Jahren alt. Die Anzahl der Downloads steigt rasant, so wurde die App im März 2020 rund 315 Millionen Mal runtergeladen. Das ist natürlich auch der Langweile während der Corona-Ausgangssperren zu verdanken.
Parallel zu den steigenden Downloads, steigt aber auch die Kritik an der App. Indien hat TikTok bereits aufgrund von Sicherheitsbedenken verboten. Der App wird vorgeworfen, dass sie Nutzerdaten sammle und auf Server außerhalb des Landes weiterleite. Die USA will die App und andere chinesische soziale Netzwerke jetzt prüfen. Amazon hat nach eigenen Angaben seine Mitarbeiter*innen versehentlich dazu angehalten TikTok von ihren Smartphones zu löschen. In einer E-Mail wurden „Sicherheitsrisiken“ angeführt, die rechtfertigen sollten warum die App von Smartphones gelöscht werden soll, die Zugang zu Amazon E-Mail-Konten hatten. Noch am selben Tag sei die Aufforderung wieder zurückgezogen worden, wie genau es zu dem ganzen Vorfall kam ist unklar. TikTok reagiert verwundert und erklärt in einer Mitteilung, dass sie sich einen Dialog zwischen ihnen und Amazon gewünscht hätten. „Wir verstehen ihre Bedenken immer noch nicht“, erklärte das chinesische Unternehmen.
Doch nicht nur der Umgang mit Daten ist ein bekanntes und umstrittenes Problem. Bereits im Jahr 2019 wurde TikTok vorgeworfen durch seine internen Moderationsregeln politisch kontroversen Inhalt zu blockieren. Die Nachrichten-Website Netzpolitik.org hat die App genauer unter die Lupe genommen und erklärt: „TikTok betreibt ein ausgeklügeltes System um Inhalte zu identifizieren, zu kontrollieren, zu unterdrücken und zu lenken. Die Plattform kann nach ihren Regeln Videos von Protesten und Demonstrationen drosseln“. Laut der Recherche werden politische Meinungsäußerungen wie beispielsweise zu den Protesten in Hongkong zensiert. Die Regeln und Grenzen für die Einschränkungen sind unklar und abstrus, was „viel Spielraum für Interpretation“ lässt. Unter viralen Hashtags, die sich auf die Proteste in Hongkong beziehen, wie beispielsweise #hongkongprotest, gibt es nur Suchergebnisse, die Videos anzeigen, welche nichts mit den politischen Demonstrationen zu tun haben. Auch LGBTQI Content wird markiert und somit für einige, vorrangig islamische, Regionen geblockt. TikTok beteuerte, sie müssten sich an den lokalen Gesetzen orientieren. Die Sprecherin der Videoapp erklärte netzpolitik.org: „Nutzer klicken auf TikTok, da die App ihnen eine positive, lustige Erfahrung bietet, bei der sie ihre Kreativität einbringen können. Kurzformatige, unterhaltsame Videos sind, was unsere Nutzer überwiegend auf TikTok hochladen und ansehen. TikToks Moderation folgt unseren Richtlinien und Nutzungsbedingungen und entfernt keine Vidoes rund um die Proteste in Hongkong“. Der Sprecherin zufolge gibt es also keinen Content, der politischer Natur ist. Ein einfacher Beweis dagegen bietet ein Video einer Amerikanerin, die sich auf TikTok zu den chinesischen Internierungslagern für die verfolgten Uiguren äußert. Das Video wurde rund 1.5 Millionen Mal gesehen, bevor TikTok die Nutzerin sperrte.
Der Erfolg von TikTok ist nicht zu bestreiten oder kleinzureden, aber dennoch ist es wichtig sich als Nutzer*in über die Problematiken bewusst zu sein. Wer sich Videos auf der App anschaut wird nicht mit kontroversen und politischen Themen konfrontiert werden, sondern kriegt nur Content, der „positiv“ und „lustig“ ist, wie die TikTok Sprecherin selber erklärte. Beiträge zu zensieren, zu steuern und zu verstecken ist allerdings nie ein gutes Zeichen und sollte weder seitens der Regierungen, noch seitens der User einfach so toleriert werden. Empfehlenswert wäre, gleiche Maßstäbe wie bei der Bewertung von Facebook anzusetzen, denn das soziale Netzwerk wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Datenmissbrauch und der Veröffentlichung kritischer Beiträge gerügt, was dann zu einer Verbesserung der Facebook-Nutzerbedingungen geführt hatte.