Nach wochenlangen Geschäftsschließungen war es Ende April soweit: Endlich wieder Klamotten anprobieren, die neusten Trends entdecken, gleich kaufen und mit nachhause nehmen. Natürlich alles mit Maske und weiteren Abstandsreglungen, um dem Covid-19 Virus weiter entgegenzuwirken. So langsam öffnen alle Geschäfte wieder und auch die Welt der Fashion Industrie nimmt wieder so etwas wie seinen gewohnten Gang. Doch auch die Modebranche hat sichtlich unter den Folgen der Sicherheitsmaßnahmen und Ausgangssperren gelitten. Inditex, einer der größten Modekonzerne der Welt, meldet aus dem ersten Quartal von Februar bis April 2020 rund 44% Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahr.
Das spanische Textilunternehmen Inditex muss durch die Einschränkungen und vorübergehenden Schließungen seiner Filialen aufgrund der Corona-Pandemie einen Betrag von 409 Millionen Euro einbüßen. Zu Inditex gehören unter anderem Zara, Massimo Dutti, Pull & Bear und Bershka. Aber nicht nur die Corona-Krise ist schuld an dem großen Verlust, sondern auch die einmalige Bezahlung von Strukturen zum Konzernumbau haben dem Unternehmen Millionen von Euro angelastet. Im Vorjahr 2019 hatte der Textilproduzent noch einen Gewinn von 734 Millionen Euro erwirtschaften können.
Um die diesjährigen Verluste einzudämmen und entsprechend auf die Krise zu reagieren, will der Konzern in diesem und im kommenden Jahr 1.000 bis 1.200 Filialen schließen. Es soll vor allem auch auf den vermehrten online-Handel gesetzt werden, weswegen der Konzernchef Pablo Isla in den nächsten zwei Jahren 900 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren will. Der online-Umsatz stieg während der Covid-19 Lockdowns sogar um 50% an, aber konnte dennoch nicht genug Einnahmen sichern. Der Gesamtumsatz beläuft sich also auf 3,3 Milliarden Euro und somit auf 44,3% weniger als im Vorjahresquartal. Auch dem schwedischen Konkurrenten H&M geht es nicht sonderlich besser: Zwischen März und Mai sanken die Einnahmen um die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr, auf ca. 2,7 Milliarden Euro. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen mussten bis Ende April 80% der Filialen vorübergehend schließen.
Die Corona-Pandemie hat der Fast Fashion Industrie also einen Denkzettel verpasst: Die Kundschaft bleibt zwangsweise aus, die bereits produzierte Ware bleibt übrig und muss dennoch vom Auftraggeber bezahlt werden. Durch die von der Fashion Industrie selber gepredigte Schnelllebigkeit der Trends, sind diese Klamotten bereits wieder out, bevor die Kund*innen ohne Bedenken über mögliche Infektionen in die Läden gehen können. Die Händler können sich auf keine spontanen Impulskäufe in der Mittagspause mehr verlassen. Auch die Verbraucher*innen merken durch das Ausbleiben der Ausflüge zu Zara oder H&M, dass es auch ohne das wöchentlich neue Kleidungsstück geht.
Die sogenannte Fast Fashion Industrie lebt von niedrigen Preisen und dem Überangebot an Artikeln. In der Regel bringt jede Fast Fashion Modekette 16 bis 24 Kollektionen pro Jahr auf den Markt. Doch die Nachteile dieser Produktions- und Verkaufsweise sind gravierend. Vor allem die Umwelt und die Arbeiter*innen leiden unter diesem Konzept. Hergestellt wird vor allem in China, Bangladesch oder Kambodscha unter massiven Verletzungen der Menschen- und Arbeitsrechte. Auch die Umwelt leidet mit: Die Textilindustrie sorgt dafür, dass jährlich 1,2 Billionen Tonnen CO2 freigesetzt werden, das ist mehr als in der gesamten Flug- und Kreuzfahrtindustrie zusammen. Die Herstellung von Polyester, dem am häufigsten verwendeten Material für Kleidung, braucht zwar im Vergleich zur Baumwolle weniger Wasser, aber dafür Erdöl. Polyester besteht aus Kunstfasern, welche sich beim Waschgang in der Waschmaschine lösen und so letztendlich im Meer landen. Aber auch die Herstellung von Baumwolle ist nur in geringem Umfang besser für die Umwelt. Der hohe Wasserverbrauch und die beim Anbau häufig verwendeten Pestizide belasten die Natur enorm.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die endlose, schnelle Produktion von Kleidung auch für den Auftraggeber nach Hinten losgehen kann. Das gesamte Konzept ist fragil und nur von der Nachfrage der Kund*innen abhängig. Die großen Modekonzerne werden zum Umdenken gezwungen, um ihre Verluste wieder reinzuholen. Aber auch die Verbraucher*innen haben Zeit, um über ihr Konsumverhalten reflektiert nachzudenken, denn das Virus hat gezeigt, dass es auch wichtigeres als den nächsten kurzlebigen Modetrend gibt.