Die von einem Polizisten ausgeführte brutale und rassistisch motivierte Tötung am Afroamerikaner George Floyd hat das randvolle Fass der Frustration und Ungerechtigkeiten zum Überlaufen gebracht: Überall auf der Welt gehen Menschen auf die Straße, um für die sogenannte „Black Lives Matter“ Bewegung zu kämpfen. Vor allem in den USA werden die Stimmen gegen Polizeigewalt und gegen Rassismus deutlich lauter. Doch wie sieht es eigentlich in Deutschland und Europa aus?
Der 46-jährige George Floyd wurde am 25. Mai 2020 verdächtigt mit Falschgeld Zigaretten bezahlt zu haben, woraufhin die Polizei gerufen wurde, um ihn festzunehmen. Während der Festnahme wurde der fünffache Familienvater von einem weißen Polizeibeamten der Stadt Minneapolis mit dem Knie brutal auf den Boden gedrückt. 8 Minuten und 46 Sekunden lang kämpfte George Floyd daraufhin um sein Leben, sagte mehrmals er könne nicht mehr atmen, doch vergebens. Sein Herz hörte noch im Krankenwagen auf zu schlagen. Der gesamte Tathergang wurde in einem Video aufgenommen, welches sich in Sekundenschnelle auf der ganzen Welt verbreitete. Alle vier Polizisten, die Vorort waren, wurden aus dem Polizeidienst entlassen und angeklagt. Der Polizeibeamte Derek Chauvin wegen Mordes und die anderen drei Polizisten wegen Beihilfe zum Mord. Wie sich am 11. Juni herausstellte wurde einer der Mitangeklagten bereits auf Kaution wieder entlassen. Der Polizist Thomas Lane, angeklagt wegen Beihilfe zum Mord zweiten Grades, wurde gegen eine Summe von 750.000 US-Dollar freigelassen. Das Geld wurde über eine Fundraising-Website gesammelt, die jetzt aber offenbar offline ist. Die Kaution für Derek Chauvin, den Hauptangeklagten, beträgt eine Million Dollar.
Die brutale und entwürdigende Tötung zieht eine lange Kette an Folgen nach sich. Die Polizeiwache von Minnepolis wird aufgelöst und soll neu organisiert werden, da, wie ein Ratsmitglied der Stadt twitterte, die Polizeistation nicht mehr reformierbar sei. Lisa Bender, die Vorsitzende des Stadtrats, sagte außerdem, die Polizei wird abgebaut und ein „neues Modell der öffentlichen Sicherheit“ soll erschaffen werden. Der Bürgermeister hingegen hatte sich für Reformen und gegen eine Auflösung der Polizei positioniert. Auf einer Demonstration wurde er dafür ausgebuht, bis er den Protest verließ. US-Präsident Donald Trump verurteilte die Tötung als eine „Schande“, aber sympathisiert gleichzeitig mit der Polizei: „Die meisten Polizisten sind wirklich gut Leute.“, sagte er in einem Interview mit Fox-News. Ebenfalls will er die Polizeibehörden des Landes finanziell stärken und nicht wie viele fordern, das Budget reduzieren.
Die Tötung des Afroamerikaners George Floyd zieht aber auch weltweit in der breiten Gesellschaft einen großen Wandel nach sich. In den USA finden seither ununterbrochen Proteste unter der Initiative „Black Lives Matter“ statt. Seien es New York, Los Angeles oder Washington, in zahlreichen Städten gehen die Bürger*innen auf die Straße und kämpfen für mehr Gerechtigkeit. Aber auch Europa wurde von einer Protestwelle überrollt: In Athen, London oder Rotterdam gingen tausende von Demonstranten auf die Straßen. Auch in Deutschland wurde eine neue Debatte über Rassismus im eigenen Land angestoßen. In Berlin waren es 15.000 Protestierende, in München sogar 20.000. Deutschland und USA kann man in Sachen Polizeigewalt wohl schwierig miteinander vergleichen, aber dennoch gibt es auch in Deutschland Rassismus und Gewalt aus den Reihen der Polizei. Die Ruhr Universität Bochum hat in dem Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte“ herausgefunden, dass rund 54% der rechtswidrigen polizeilichen Gewaltausübungen bei Demonstrationen oder anderen politischen Aktionen stattfanden. Der Grund für das polizeiliche Einschreiten war für 31,8% der Personen nicht ersichtlich. Die bundesweite Kampagne „Death in Custody“ verweist auf 159 rassistisch motivierte Todesfälle, ausgeübt von der deutschen Polizei – zwischen 1990 und 2020. Der wohl bekannteste Fall ist der von Oury Jalloh, welcher 2005 im Polizeirevier in Dessau ums Leben kam, nachdem er vor seinem Tod massiv misshandelt wurde. 2018 starb der Nordsyrer Amad Ahmad nach einem Brand in einer Zelle der Justizvollzugsanstalt, nachdem er unrechtmäßig festhalten wurde, da er mit einem Straftäter verwechselt wurde. Zum Vergleich: In den USA wurden allein im Jahr 2019 rund 1.099 Menschen durch die Polizei getötet. Davon waren 24% Schwarze, obwohl diese nur 13% der Gesamtbevölkerung ausmachen.
Auch in Deutschland gibt es also rassistisch motivierte Straftaten von der Polizei. Zu dem Problem des sogenannten Racial Profiling soll laut Bundesjustizministerium eine Studie durchgeführt werden. Beim Racial Profiling handelt es sich um Polizeikontrollen, die nur aufgrund äußerlicher Merkmale stattfinden. Trotz Schutz durch Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes, welcher sich für Gleichheit und Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ausspricht, gibt es immer wieder Vorwürfe gegen die Polizei wegen des racial profilings.
In Deutschland gibt es also auch Rassismus in den polizeilichen Dienstbehörden. Weder in Deutschland noch in den USA kann bei der Masse an Fällen von Einzelfällen die Rede sein. Der Tod von George Floyd hat Massenproteste ausgelöst, welche auf die Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen seitens der Polizei, aber auch auf alltäglichen Rassismus aufmerksam machen. Es bleibt die Hoffnung, dass diese (friedlichen) Proteste weiter andauern, bis sich die Politik verändert und für mehr Gerechtigkeit sorgt.