Die Technische Universität München führte Anfang Juni eine Studie zur häuslichen Gewalt während der Corona-Pandemie durch und kam zu dem Ergebnis, dass rund 3% der Frauen in Deutschland während den Kontaktbeschränkungen Opfer von Gewalt im eigenen Zuhause wurden. Kinder wurden in 6,5% aller befragten Haushalte mit Gewalt konfrontiert.
Bei der Studie wurden 3.800 Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren online befragt. Es wurde nach Erfahrungen in der Zeit zwischen dem 22. April und dem 8. Mai 2020 gefragt, also in der Zeit, in der die Kontaktbeschränkungen am striktesten waren. Die Studie forschte außerdem nach sexualisierter Gewalt während der Ausgangsbeschränkungen und fand heraus, dass rund „3,6% der Frauen von ihrem Partner zum Geschlechtsverkehr gezwungen“ wurden, wie es auf der Website der Universität heißt. Die Zahl der Opfer stieg an, wenn sich die Befragten in Quarantäne befanden und ihr Zuhause nicht verlassen durften. Die körperliche Gewalt gegen Frauen stieg in diesen Fällen auf 7,5% an, bei Kindern sogar auf 10,5%. Weitere risikosteigernde Faktoren waren Probleme wie finanzielle Sorgen, Kurzarbeit oder der Arbeitsverlust aufgrund des Coronavirus, aber auch psychische Krankheiten wie Depressionen steigerten die Zahlen der Haushalte, in denen körperliche Gewalt stattfand. Auch in Haushalten, in denen Kinder im Alter von unter 10 Jahren leben, stieg der Prozentsatz der häuslichen Gewalt auf 9,2% gegen Kinder und auf 6,3% gegen Frauen an.
Die Studie untersuchte außerdem, wie viele betroffene Frauen sich tatsächliche Hilfe geholt haben. Fast die Hälfte der Opfer kannten die Telefonseelsorge, aber nur 3,9% haben dieses Hilfsangebot auch genutzt. Ähnlich verhält es sich mit dem Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Das Elterntelefon kannten 44,3% der Betroffenen und die Hälfte davon hat dieses Angebot auch aktiv genutzt. Laut der eigenen Website richtet sich das Telefon vor allem an Eltern, die in schwierigen Erziehungssituationen überfordert sind und schnelle vertrauliche Beratung benötigen. Doktor Cara Ebert vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erklärt sich die geringe Nutzung der Telefone wie folgt: „Wenn Frauen durch ihre Partner intensiv kontrolliert werden, können sie telefonische Beratungsangebote nur schwer nutzen. Hilfe sollte deshalb auch online angeboten werden, per Chat, Messenger und E-Mail.“
Das Netzwerk Zonta International, ein Zusammenschluss von berufstätigen Frauen, das andere Frauen in jeglichen Lebenssituationen unterstützt, hat sich deswegen ein Projekt ausgedacht, welches kein Internet oder Telefon benötigt. Opfer von häuslicher Gewalt können demnach beim Einkauf in der Apotheke und bei Besuchen in Arztpraxen oder Kliniken einfach das Codewort „Maske 19“ sagen und es wird sofort die Nothilfe gerufen. „Die Polizei wird verständigt und kann so für den Schutz der Betroffenen sorgen. Gegen den Täter wird im Regelfall ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.“, versichert die Website des deutschen Zonta Vereins. Die Initiative richtet sich an Apotheken und Ärzt*innen, da sie der Schweigepflicht unterliegen und allein durch ihren Job schon eine Vertrauensbasis gegenüber den Patient*innen haben. Die Studie der Technischen Universität München fand allerdings heraus, dass nur 5,5% der betroffenen Frauen über das Angebot dieser Hilfsaktion Bescheid wissen, und sie nur von 1,8% wahrgenommen wurde. Cara Ebert erklärt es sich damit, dass nur wenig Betroffene von diesem Hilfsangebot überhaupt wissen: „Die bestehenden Hilfsangebote müssen zudem besser in der Öffentlichkeit beworben werden, zum Beispiel durch große Plakate in Supermärkten und Apotheken sowie durch Onlineanzeigen.“
Aber nicht nur Frauen, sondern auch Kinder leiden stark unter häuslicher Gewalt während der Ausgangsbeschränkungen. Meistens sind Kindesmisshandlungen in der Schule, bei Ärzt*innen oder im Kindergarten aufgefallen, jedoch sind diese Kontakte aber während der Hochphase der Einschränkungen weggefallen. Sind Kinder selber kein Opfer leiden sie mit, wenn sie erfahren, wie ihre Mutter misshandelt wird. Die psychischen Schäden sind verheerend und immer davon abhängig, ob die Kinder am eigenen Körper Gewalt erlebt haben oder häusliche Gewalt mitansehen mussten. Auch für solche Fälle gibt es beispielsweise die „NummergegenKummer“, welche die Kinder anrufen und anonym über ihre Probleme berichten können. Es wäre einerseits wichtig sicherzustellen, dass gewaltbereite Männer bzw. Väter wissen, dass es diese Einrichtungen gibt, und dass diese auch schnell eingreifen, wenn es Vorfälle dieser Art gibt – als präventive Maßnahme – und andererseits müsste man betroffenen Frauen und Kindern Mut machen, sich Hilfe zu holen, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind.