Die Situation für Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt hat schon bessere Zeiten gesehen. Für viele Menschen reicht ein Job nicht mehr aus. Ende letzten Jahres waren über 3,5 Millionen Multijobber registriert. Gründe seien vor allem finanzielle Schwierigkeiten. Gleichzeitig nimmt die Zahl befristeter Arbeitsverträge zu.
Auf Anfrage der Linkspartei im Bundestag, antwortete die Bundesagentur für Arbeit mit einer alarmierenden Zahl: 3.538.000 Menschen hatten Ende 2019 neben einem regulären Job noch mindestens eine geringfügige Beschäftigung. Im Vergleich zu Juni 2018 entspricht das einem Anstieg von 123.600 Mehrfachjobbern.
Mit fast drei Millionen gab ein Großteil der Multijobber an neben ihrer regulären Beschäftigung noch eine geringfügige Beschäftigung auszuüben. 345.400 Menschen gingen zwei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nach. Die Kombination von zwei oder mehr Minijobs traf auf 260.700 Personen zu. Seit 2003 hat sich die Zahl der Mehrfachjobber mehr als verdoppelt.
Anstieg seit den Hartz – Reformen
Laut Arbeitsmarktexperte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) handele es sich zwar nicht um ein Mehrheitsphänomen, jedoch sei eine große Minderheit betroffen. Insbesondere der Anstieg seit den Hartz-Reformen sei prägnant.
In einem Bericht des IAB finden sich mit knapp 57 Prozent häufiger Frauen unter den Mehrfachjobbern. Auch Teilzeitbeschäftigte haben öfter Nebenjobs als Arbeitnehmer, die einen Vollzeitjob ausüben. Arbeitnehmer zwischen 40 und 50 bilden die größte Gruppe.
Das Geld reicht hinten und vorne nicht
Der Grund für die Nebenjobs? Zu wenig Verdienst – so zumindest die Annahme. Denn Mehrfachjobber verdienen in ihrer Hauptbeschäftigung knapp 500 Euro weniger als die Einfachbeschäftigten. Es liegt also nahe, dass das Hauptmotiv für mehrere Jobs finanzieller Natur ist.
Die Hans-Böckler-Stiftung bestätigt diese Annahme. In einer Studie ihres Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts gaben
53 Prozent der Befragten finanzielle Nöte als ausschlaggebenden Grund an.
Weitere Gründe für Nebentätigkeiten sind Verwirklichung einer Leidenschaft, die
Zusammenarbeit mit anderen Menschen, lukrative Einkommen oder soziale
Absicherung.
Minijobs sind für Arbeitnehmer besonders attraktiv, da sie komplett von allen
Steuern und Abgaben befreit sind. In dem Zusammenhang ist es auch egal, wieviel
die Person in ihrem Hauptjob verdient. „Durch die starke Begünstigung von
Minijobs hat man Anreize geschaffen, die diese Entwicklung provozierten“,
sagt Weber vom IAB. Doch macht das heutzutage überhaupt noch Sinn? Enzo Weber
sieht das kritisch. Minijobs führten weder zu sozialer Absicherung, noch wäre
so eine berufliche Entwicklung oder eine bessere Integration auf dem
Arbeitsmarkt möglich. Er hält eine Investition in die qualitative Entwicklung
von Beschäftigungsverhältnissen für sinnvoll – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
Die Linke pocht auf eine Erhöhung des Mindestlohn. „Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht mehr aus“, sagte die Abgeordnete Sabine Zimmermann und fordert eine Erhöhung von 9,35 Euro pro Stunde auf zwölf Euro. Zudem seien Befristungen der Arbeitsplätze eine weitere Belastung für Arbeitnehmer, die abgeschafft werden müssten.
Das Ausnutzen der Frist
Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kam zu dem Ergebnis, dass Betriebe befristete Arbeitsverträge als eine Verlängerung der Probezeit ausnutzten. Rund 45 Prozent der befragten Unternehmen hätten angegeben, dass sie die Befristungen nutzen würden, um Beschäftigte über die Probezeit hinaus zu testen und zu motivieren. Die DGB-Studie kommt dahingehend zu gegenteiligen Ergebnissen. Die Motivation und Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten mit befristeten Verträgen sei deutlich geringer als bei unbefristet Beschäftigten. Kein Wunder, ist doch das Risiko arbeitslos zu werden bei befristet Angestellten vier Mal so hoch wie bei Beschäftigten mit unbefristetem Vertrag. Zudem sei ein häufiger Wechsel zwischen befristeten Stellen ein großer Risikofaktor für das Abdriften ins Hartz-IV-System.