Es sind 29 Staatschefs, die alle ihre eigenen Vorstellungen haben, die sich nicht immer unter einen Hut bringen lassen. Aber in einem Punkt sind sich alle noch so verschiedenen Charaktere einig: Im Kriegsfall heißt es – Einer für alle, alle für einen. In einer gemeinsamen Beistandsklausel wurde diese Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfe in einer Abschlusserklärung bretthart bekräftigt. Das dürfte ein beruhigendes Gefühl für alle sein, denn die Welt verändert sich, überall schwelen Konflikte und unangenehme Staaten wie China oder Süd-Korea oder auch Russland könnten schnell zu Aggressoren werden. Ansonsten gibt es nicht unbedingt viel Konsens, denn Erdogan oder Trump sind Außenseiter, die sich schwertun, mit ehrlicher Gesinnung den anderen die Hand zu reichen.
Gut gewählt war London als Tagungsort, hat doch auch Queen Elizabeth ihr Domizil in Englands Hauptstadt, und so kam sie in den Genuss, den ganz Großen dieser Welt bei einem Treffen im Buckingham Palast die Hand zu schütteln. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg jedenfalls als Organisator des Ganzen war sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Gespräche und des „Get- Togethers“, obwohl kritische Stimmen alsbald vermeldeten, dass Trump und Erdogan die Nato zerlegt hätten. Mit abstrusen Forderungen und provokanten Aussagen. Trump drohte mit Sanktionen, falls Deutschland die Militärausgaben nicht erhöhen würde, Erdogan verlangte allgemeine militärische Unterstützung im Kampf gegen die Kurden.
Die vielen kleinen Brandherde, die in Europa schwelen und die ungebremste chinesische Expansion, der Bau der russischen Pipeline Nordstream 2 und die allzu defensive Rolle der Deutschen bei Kriegseinsätzen in der Welt waren Störfeuer, die den Nato-Gipfel beeinflussten. Ein genervter Donald Trump, der ohne Abschluss-Pressekonferenz aus London abgereist war, weil er über eine Äußerung von Canadas Premier Trudeau erbost gewesen sein soll und die Aussage Macrons, die Nato sei hirntot, waren kontraproduktive Details, die in Zukunft das Zusammenwirken der Natostaaten nicht mehr behindern sollen. Ein sogenannter neuer Reflexionsprozeß soll dazu beitragen, dass die Nato in den kommenden Jahren über grundsätzliche politische Fragen und eine bessere Abstimmung beraten soll. In der „Londoner Erklärung“ beschlossen die Partner außerdem, dass die Bedeutung der transatlantischen Bindung zwischen Europa und Nordamerika unterstrichen wird. Bevor in Konfliktsituationen vorschnell agiert wird, beispielsweise in Bezug auf Russlands Bedrohungen, stehen Dialog und offene Beziehungen, wie es so schön heißt. Auch Angela Merkel zog eine positive Bilanz – so wie man das von ihr kennt – speziell auch im bilateralen Treffen mit Trump. Es gäbe Gemeinsamkeiten, die es zu pflegen und zu hegen gelte. So gut, so schön.
Allerdings wussten alle Beteiligten sehr genau, dass China das Bündnis und seine Staaten herausfordern könnte und das Trumps Aussagen nicht immer in Stein gemeißelt sind – der politische Kit ist brüchig, eine gewisse Ratlosigkeit muss man der Nato durchaus unterstellen, denn die Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse verändert das Selbstverständnis der Allianz. Europa ist aufgefordert, unabhängiger und offensiver zu agieren. Der „große Bruder USA“ kann und will nicht bei jedem Konflikt den Kopf hinhalten, so dass zwangsläufig die Verteidigungsausgaben steigen müssen. Denn was wäre, wenn die Amerikaner sich aus dem Staatenbündnis verabschieden würden? Diese Gefahr schwebt weiter über Europa, deshalb sollte man tunlichst darauf achten, Donald Trump nicht unnötig zu provozieren. Denn wenn er eine zweite Amtszeit antreten würde, bleibt die Nato den Launen des amerikanischen Querkopfes weiter ausgesetzt.