Über Mobilität wird im Rahmen des Klimawandels derzeit heiß diskutiert. Tempolimit, Dieselfahrverbot, Elektroantrieb: es gibt viele Baustellen in der Bundesrepublik. Jetzt hat die Regierung ein neues Ziel im Visier. Deutschland soll „die Nummer eins“ in der Wasserstofftechnologie werden.
Bis 2022 will die Große Koalition eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bringen. Um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, müssen Verbrennungsmotoren zu Auslaufmodellen werden. Elektrisch betriebene Fahrzeuge werden als zukunftsfähiger Ersatz gehandelt.
Fast alle großen Hersteller setzen inzwischen auf den Batterieantrieb. Der weltweit größte Autohersteller VW nutzt fast all seine Forschungsgelder für die batteriebetriebene Elektromobilität. Derzeit ist die Massentauglichkeit allerdings noch nicht in Sicht, da es noch viele Einschränkungen für den Kunden gibt: Die Anschaffung eines Elektroautos ist vergleichsweise teuer, die Reichweite ist gering, die Lademöglichkeiten begrenzt und zeitaufwändig. Auch die Klimabilanz ist aufgrund des deutschen Energiemix noch nicht besser als bei Verbrennungsmotoren.
Nichtsdestotrotz setzt die Bundesregierung auf die Förderung von batteriebetriebenen E-Autos und will den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit einem „Masterplan“ vorantreiben. Laut des Präsidenten des Verbandes für Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, soll bis 2030 die Lade-Infrastruktur so ausgebaut sein, dass auf den Straßen sieben bis 10,5 Millionen elektrisch betriebene Fahrzeuge fahren könnten. Rund 47,1 Millionen Pkws sind aktuell in Deutschland angemeldet, davon sind lediglich 400.000 E-Autos.
Wasserstoff: Klimaneutral mit hohen Reichweiten
VDA-Präsident Mattes forderte hinsichtlich der Klimaziele nicht nur eine
stärkere Konzentration auf die Elektromobilität. Auf lange Sicht müsste auch
ein Ausbau von Alternativen wie Wasserstoffantriebe stattfinden.
Im Gegensatz zum Benzinmotor, werden beim Antrieb mit Brennstoffzellen keine
Emissionen freigesetzt und die Reichweite ist mit der von einem Dieselfahrzeug
zu vergleichen. Getankt wird Wasserstoff, der aus Erneuerbaren Quellen gewonnen
wird. „Die Produktion von Wasserstoff erfolgt dezentral aus überschüssigem
Strom unserer Windkraftanlagen“, sagt Gerard Meindertsma, Geschäftsführer des
Windkraftbetreibers WestWind
Energy.
Derzeit ist die Versorgung mit Wasserstofftankstellen aber noch rar – es existieren in Deutschland weniger als 100. Im Vergleich zum Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für batteriebetriebene Elektroautos wäre der Ausbau von Wasserstofftankstellen recht einfach zu realisieren, meint WestWind-Chef Gerard Meindertsma: „Wasserstofftankstellen kosten etwa 500.000 Euro und lassen sich in die bereits existierende Tankstelleninfrastruktur optimal integrieren.“
Japan setzt auf Wasserstoff
Bisher sind nur 600 Autos mit Brennstoffzelle in Deutschland zugelassen. Ganz anders sieht die Situation hingegen in Japan aus: Der Autobauer Toyota investiert massiv in die Zukunft von Wasserstoff. Alain Uyttenhoven, Deutschland-Chef von Toyota, erwähnte im ARD-Morgenmagazin, dass vor allem für größere Fahrzeuge der Antrieb mit Brennstoffzellen rentabel sei. Er gehe davon aus, dass Fahrzeuge mit dieser alternativen Antriebsmethode in den kommenden Jahren günstiger werden. Bisher kostet ein Fahrzeug noch um die 80.000 Euro – viel zu teuer, um konkurrenzfähig zu sein.
Auch die Bundesregierung ist an der alternativen Antriebstechnologie interessiert und will die Brennstoffzellentechnologie fördern. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht in Wasserstoff den „Schlüsselrohstoff einer langfristig erfolgreichen Energiewende“ und will mit deutscher Wasserstofftechnologie „die Nummer eins“ weltweit werden. Für dieses mehr als optimistische Ziel wird die Zukunftsaussicht des Ganzen in einem Thesenpapier der Ministerien für Wirtschaft, Verkehr, Forschung und Wirtschaftliche Zusammenarbeit allerdings sehr schwammig dargestellt: „In der Industrie kann perspektivisch bei vielen Prozessen CO2-frei erzeugter Wasserstoff zum Einsatz kommen.“
Perspektivisch ist noch nichts Konkreteres als die Vorstellung einer „Wasserstoff-Strategie“ bis Jahresende geplant. Verkehrsminister Scheuer zeigte sich dennoch optimistisch und erwartet in drei Jahren bereits 60.000 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen. In der Pflicht sieht er jedoch die Autoindustrie: „Jetzt muss die Automobilindustrie bezahlbare Fahrzeuge auf den Markt bringen und den Menschen zeigen, dass die Technik zuverlässig funktioniert.“
Gerard Meindertsma, Geschäftsführer des Windkraftbetreibers WestWind Energy, sieht in Wasserstoff ebenfalls eine Schlüsseltechnologie für die Verkehrs- und Energiewende: „Die Technologie ist marktreif, lässt sich leicht in die bestehende Infrastruktur integrieren und löst eine Vielzahl anderer Probleme der Elektromobilität, wie den schleppenden Ausbau der Stromnetze.“ Beim Wasserstoff gebe es weder Reichweitenängste noch Einschränkungen wie lange Tankpausen oder fehlende Lademöglichkeiten für „Laternenparker“. Zudem diene Wasserstoff als Speicher für Erneuerbare Energie, werde dezentral produziert und erhöhe die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen, erklärt WestWind-Chef Meindertsma.