Guam, Palau, Samoa und auch Amerikanisch-Samoa: Das klingt nach Südseeschönheiten, das klingt nach Paradies, das klingt nach viel Sonne und Meer und wenig Störpotenzial für den Urlaub. Das ist es auch. Ihren paradiesischen Ruf genießen die abgelegenen Inseln und Inselstaaten im Pazifik nicht nur für ihren Urlaubswert. Sie stehen auch auf der Schwarzen Liste der EU. Die kennzeichnet jene Staaten, die aus EU-Sicht nicht genug unternehmen, um Steuerflucht zu bekämpfen. Die EU-Liste war die Reaktion auf die Veröffentlichung der Panama Papers 2016.
Laut Analysen sollen 90 Prozent der 200 größten Unternehmen Ableger in Steueroasen halten. Eine konservative Schätzung geht zudem davon aus, dass 21 Billionen US-Dollar in Steueroasen untergebracht sind, 9,8 Billionen allein von den weltweit wohlhabendsten 100.000 Vermögenden.
Der Begriff Steueroase ist nicht definiert. Die Einordnung differiert, je nachdem ob die Europäische Union oder nichtstaatliche Akteure wie Attac oder Hilfsorganisationen sie vornehmen. Je nach Definition sind das Golfstaaten, Inselstaaten – aber auch Mitgliedsländer der Europäischen Union oder OECD stehen immer wieder im Fokus. Oft handelt es sich um ehemalige britische Kolonien, um aktuelle Überseegebiete Großbritanniens, aber auch um Länder wie Panama oder Liechtenstein.
Die Steueroase Hongkong, als ehemalige britische Kolonie und mit jetzt direkten Zugang zu chinesischen Kapital, gilt als Verbindungselement zu Steueroasen in Mittelamerika. Auch Länder, die aufgrund ihrer Rohstoffexporte hohe Einnahmen erzielen (beispielsweise Bahrain), erheben oft keine oder sehr niedrige Steuern. Typisch für Steueroasen ist eine hohe Anzahl von Briefkastenfirmen. Großbritannien mit der City of London und der Insel Jersey gelten als weltweiter Türöffner für Steueroasen und Offshore-Geschäfte. In den USA sind dafür vor allem dünn besiedelte Bundesstaaten wie Delaware oder Wyoming bekannt. Sie locken mit eigener liberaler Gesetzgebung gezielt Steuerflüchtlinge und Steuervermeider als Anleger an. In den Wettbewerb gehen sie mit ihren anonymen Mantelgesellschaften, stiftungsähnlichen Anlageformen, Formfreiheit der Verträge und mangelnder internationaler Kooperation. Zunehmend wird auch im arabischen Raum Geld gewaschen. In Asien gelten neben Hongkong vor allem Singapur und zunehmend Bali als Steueroasen. Der staatliche Kampf um Austrocknung von Steueroasen bleibt ein Kampf gegen Windmühlen. Stets bleibt eine ausreichende Vielzahl von Kleinststaaten übrig.
Steueroasen fallen zunächst auf durch die sehr niedrige oder gar nicht vorhandene Steuerbelastung für Rechtspersonen. Gängige Gründe dafür sind, dass die betreffenden Staaten oder Gebiete entweder einen sehr kleinen Staatshaushalt haben, oder ausreichend hohe Einnahmen aus anderen Quellen, wie etwa Rohstoffe. Manche wollen so gezielt ausländische Direktinvestitionen anlocken. Unternehmen oder Einzelpersonen eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, durch die Verlagerung von Vermögen, Wohnsitz oder Betriebsstätte dorthin, andernorts ihre Steuerlast zu verringern. Zu den weiteren tragenden Säulen für eine Steueroase zählen zudem Rechtssicherheit und die politische Stabilität, um die Sicherheit des angelegten Kapitals zu gewährleisten. Dazu gehören Good Governance und niedrige Steuersätze. Bisweilen wird ein Bankgeheimnis hinzugerechnet.
Liberale Formvorschriften für Rechtsgeschäfte erlauben dann in Steueroasen, einfaches und diskretes Verschieben von Kapital und Unternehmensanteilen. In den meisten Fällen sind Steueroasen kleine Länder mit geringer Wirtschaftsaktivität. Zudem verfügen sie über eine wenig regulierte Wirtschaftspolitik – gemessen am Verhältnis zu den dort stattfindenden finanziellen Transaktionen und dem vorhandenen Kapital. Hervorragend entwickelt ist in diesen Ländern ein Netz von Rechtsdienstleistern, oft allein auf Offshore-Business spezialisiert. Diese helfen ihren Kunden systematisch, ihr Vermögen nicht in ihrem Heimatland zu veranlagen oder die Herkunft zu verschleiern. Zu den Arbeitsmethoden gehören Re-Invoicing, Redomiciliation, Anonymisierung, Briefkastenfirmen und Vintage Companies. Ziel ist, Steuern zu hinterziehen oder Schwarzgeld beziehungsweise Schmiergeld zu verstecken.
Mitunter gründen Unternehmen eine Tochterfirma für Auslandsgeschäfte in einer Steueroase, um so Steuern zu vermeiden. Ein Unternehmen kann dann Investitionen in Hochsteuerländern mit Krediten von Töchtern in Niedrigsteuerländern finanzieren. So fallen im Hochsteuerland weniger Gewinne an, da Zinszahlungen an die Tochter zu leisten sind. Konzernintern erbrachte Leistungen können so verbucht werden, dass Gewinne aus Hochsteuerländern abgezogen werden. Darüber hinaus können Waren und Dienstleistungen zwischen Teilen desselben Konzerns gehandelt werden. Laut dem „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ würden jährlich weltweit zirka zehn Billionen US-Dollar konzernintern gehandelt, was den größten Volumenanteil des Welthandels ausmacht. In diesem Bereich besteht ein erhebliches Potential für Missbrauch.