Nach Ansicht des Chefs der Union-Investment-Gruppe Hans-Joachim Reinke sollen Sparer sich endgültig von ihren Sparbüchern trennen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte am 18. Juni in einer Rede angedeutet, auch Minuszinsen könnten noch niedriger fallen. Der Vorstandsvorsitzende des Fondshauses der Volks- und Raiffeisenbanken rät deshalb zur Investition in Aktien oder Immobilien. Dennoch ging heute wieder eine Meldung durch die Agenturen, laut der die Sparer wieder mehr Geld auf die hohe Kante legen.
Raus aus den Anleihen, rein in die Substanzwerte: Aktien und Immobilien. 2,6 Billionen Euro haben deutsche Sparer irgendwo geparkt, die sie leicht flüssig machen können, 80 Prozent davon in Zinspapieren und Liquidität. Nach Reinkes Meinung ist es höchste Zeit, Zinsanlagen und Liquidität sinnvoller einzusetzen.
Mario Draghi verfestigte in seiner Rede die Fakten, die schon seit einigen Jahren den Hintergrund bilden: Mutmaßlich ist der sehr niedrige Zins nicht nur Status quo, vielmehr wird er die Sparer noch lange Zeit begleiten. Ob das bis 2030 oder 2050 sein soll, kann niemand sagen. Abgeflachtes Wachstum und schlechte Konjunkturdaten geben Draghi in seinen Aussagen indes recht. Fast alle Alternativen versprechen ein sehr viel höheres Ergebnis. Wer also außer Bestandschutz bis zur Rente auch noch etwas Vermehrung anstrebt, sollte handeln und sein greifbares Geld besser anlegen.
So konnten Anleger in den 1990ern ihr Kapital dank Zinseszins mit Bundesanleihen noch innerhalb von 10 Jahren verdoppeln. Nach Draghis Rede sackte die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen auf minus 0,3 Prozent.
Im sehr kleinen Rahmen ist diese Erkenntnis im vergangenen Jahr schon bei einigen Sparern angekommen. Reinke berichtet von Bewegung in Altersvorsorge und Geldanlage. 2018 haben Privatkunden bei den Volks- und Raiffeisenbanken 7,5 Milliarden Euro angelegt. 5,5 Milliarden davon flossen in Fonds-Sparpläne, fast ausschließlich Aktienprodukte.
Ansonsten beklagt der Union-Chef eine in Deutschland weit verbreitete Behäbigkeit. „Die Deutschen haben an Finanzthemen ohnehin wenig Interesse.“ Im Minuszins sieht er eine schleichende Enteignung. Rechne man die Inflation hinzu, fiele die Bilanz noch schlechter aus. Das Wort Enteignung verstehe allerdings kein Kunde. Dennoch sehe er seine Aufgabe in der Aufklärung. Es gelte der Satz: „Das achte Weltwunder ist abgeschafft: Der Zinseszins.“
Seit Draghis Rede ist diese Erkenntnis bereits mit einem Aufwind für das Aktiengeschäft angekommen. Dennoch bleibe eine Unwägbarkeit: Machtpolitiker Trump will sich Europa vorknöpfen, wenn er mit China fertig sei – das hat er per Tweet schon angekündigt. Das könnte einen kurzfristigen Einbruch bei den Aktien bedeuten. Gerade die europäischen und deutschen Automobilaktien dürften davon betroffen sein.