Neuss. Mancher Besuch im Krankenhaus beginnt überraschend. Und stößt die Besucher in eine neue Welt, ein paralleles Universum. Schneidet multimediale Profis spontan ab von der Welt, wenn die nach der Operation eingeschränkt gehen, kommunikationstechnisch zurück geworfen auf Schwesterklingelknopf, die dürre Stationsbibliothek und das Fernsehprogramm. Handys verboten, kein Internet. So funktionierten noch vor 10 Jahren zahllose Krankenhäuser. Operation, Wiederherstellung, Beobachtung, zwei Wochen Ruhe. Was zunächst gut klingt, zerrt an den Nerven. Nur unter größten Schwierigkeiten können die aus dem Leben gegriffenen Patienten ihre temporäre Handlungsunfähigkeit kommunizieren, per Telefonzelle aus dem Krankenhaus. Rechnungen und Mahnungen halten jene fit, die nicht an ihr Konto kommen, denn außerhalb des Ruhepols tobt das Leben weiter. Keine Fahrkarte in den Urlaub buchen; trotz endloser Zeit müssen elementarste Hausaufgaben liegen bleiben. 3 Minuten Arztvisite bleiben der tägliche Höhepunkt: Das Wort „WLAN“ oder „Internetzugang“ hingegen fehlt in sämtlichen medizinischen Fachbüchern.
Informationsmangel bedeutet für die Patienten ein weiteres Problem. Ansprechbare Patienten sind klar im Vorteil, können ihren Namen nennen, warum sie da sind und was ihnen fehlt. Die Unterlagen zur Krankengeschichte verwahren verschiedene Haus- und Fachärzte. Folge ist ein Rundlauf durch die Stationen, wiederholte Erstuntersuchungen, vermeidbare Röntgenbilder und alles was dazu gehört.
Zahlreiche Kliniken haben heutzutage so genannte Bedside-Terminals angeschafft. Die stellen Patienten vor die Wahl: Fernsehen, oder im Internet surfen. Selbstverständlich kann der Patient mit dem Gerät auch die Verwandten anrufen, Filme on demand abrufen, eBooks und Hörbücher oder das Radioprogramm. Jugendliche freuen sich über Spiele, auch interaktiv. Darüber hinaus bieten die Terminals Krankenhausluxus von Schwesterklingelknopf bis zur Essensbestellung.
Röntgenbilder, Krankenakte, Hinweise zu anstehenden Operation, Diätplan oder Besprechungsgrundlage für die Zeit nach der Operation: Hier findet auch die elektronische Krankenakte Platz, Bericht der Ärztin und das Protokoll des Stationspflegers. Eine Magnetkartenabfrage stellt sicher, dass nur die jeweils berechtigten Nutzer an die für sie relevanten Daten kommen. „Da drehe ich den Bildschirm mit dem Röntgenbild grade mal zu dem Patienten und kann daran mit dem Patienten die Lage besprechen“, schwärmt Professor Patrick de Coster vom belgischen Mont Godinne Universitätskrankenhaus in Yvoir.
Allerdings mangelt es in Deutschland für den letzten Schritt noch an der elektronischen Krankenakte, die Allergien und Unverträglichkeiten benennt, und die auf der Krankenkassenkarte gespeichert sein könnte. Solche Daten können vor allem bei bewusstlos eingelieferten Patienten eine große Hilfe sein.
Bei ClinicAll im niederrheinischen Neuss ist man einen weiteren Schritt voraus. Deren Bedside-Terminal soll künftig auch mit einer Handy-App gesteuert werden können. Handys haben heutzutage fast alle.