Bill Gates oder Steve Jobs kennen viele von uns, eigentlich jeder, aber dass Ralph Dommermuth aus Deutschland ebenfalls das Internet- und Mobilfunkzeitalter mit eingeläutet hat, wissen nur wenige. Dabei war der Start ins Online-Business für den smarten Unternehmer, der sich mittlerweile als Gönner und Wohltäter einen Namen gemacht hat, überhaupt nicht wie gewollt, sondern äußerst schwierig und steinig. Sein Mobilfunkunternehmen drohte zu scheitern, doch dann drehte Dommermuth den Spieß um und konnte mit einer zündenden Idee den Grundstein für eine geniale Karriere legen.
Wir beschreiben das Jahr 1988: Abends beim Italiener im Tennisklub nebenan kann ihn sein Partner Wendelin Abresch (65) nur mit Mühe überreden, wenigstens eine Nacht drüber zu schlafen. Am nächsten Morgen kommt Dommermuth in Abreschs Büro und hat die rettende Idee. Er pfeift auf Gewinn und Karibik. Stattdessen wandelt er die Schulden der Kunden zu zwei Drittel in Gutschriften um — und die stornieren ihre Kündigungen. Dommermuths Geschäft in den jungen Jahren des PC-Zeitalters, durch Anzeigenbeilagen für Softwarefirmen in Zeitschriften Kunden wie Apotheker oder Zahnärzte zu akquirieren, wird zu einer Goldader. „Wenn es eng wird, hat Herr Dommermuth stets die besten Ideen“, sagt sein früherer Partner Abresch heute.
Dass Dommermuth später einen der erfolgreichsten heimischen Internetkonzerne aufbauen konnte, verdankt er vor allem den Gewinnen aus dem analogen Geschäft mit Printanzeigen. Inzwischen setzt United Internet 4,2 Milliarden Euro im Jahr um, der Bruttobetriebsgewinn kratzt an der Milliardenmarke, an der Börse ist die Firma elf Milliarden Euro wert. 40 Prozent der Aktien gehören dem Gründer noch selbst, das macht ihn zu einem der 25 reichsten Deutschen. Nach den Erbauern des Walldorfer Softwareriesen SAP um Hasso Plattner (74) und Dietmar Hopp (78) ist Ralph Dommermuth der erfolgreichste deutsche IT-Unternehmer. Geschafft hat er das mit jener Mischung aus Schollentreue und Wagemut, die auch viele andere deutsche Mittelstandschampions auszeichnet — bei Dommermuth allerdings gepaart mit dem unbedingten Willen, sich stets an den Größten seiner Branche zu orientieren. Der Multimilliardär stammt aus einem gut situierten Haushalt. Sein Vater war Immobilienmakler. Woher sein enormer Siegeswille stammt, sei ihm selbst ein Rätsel, sagt er. Geld jedenfalls sei es nicht: „Da hätte ich schon 1995 aufhören können.“ Damals stieg ein Investor bei seiner ein, Dommermuth bekam 14 Millionen D-Mark: „Für ein Ferienhaus und zwei schöne Autos hätte das gereicht.“ Tatsächlich aber reicht es ihm nie. Zwei Eigenschaften treiben ihn schon als jungen Mann an: Frei will er „in, und groß will er denken. Die Prüfung am Ende seiner Lehre bei der Deutschen Bank legt er morgens ab, mittags fängt er bereits als Vertreter bei einem örtlichen PC-Händler an — als freier Mitarbeiter: „Ich wollte nie Angestellter sein“, sagt Dommermuth, „ich wollte kein Fixgehalt, nur Provisionen, und das mit täglicher Kündigungsfrist: Das war fi.ir mich die Übersetzung von Freiheit.“ Als ersten Firmenwagen gibt es einen Ford Fiesta. Dommermuth verkauft: vom Westerwald aus bis nach München und Hamburg, und sogar nach Berlin — seine erste Flugreise. Seinen Kompagnon Abresch lernt er kennen, als er ihm einen 286er-Rechner samt Drucker für dessen Werbeagentur verkauft.
Dass dieser junge Mann groß denkt, wird Abresch klar, als sie eines Abends ihren Firmennamen 1&1 auf einem Bierdeckel ausknobeln. Und das Logo? Egal, Hauptsache blau, sagt Dommermuth — blau wie das von IBM, damals der mit Abstand erfolgreichste IT-Konzern der Welt. Als die beiden ihren Businessplan in ein paar Zahlen auf einem Flipchart skizzieren, schreibt Dommermuth für 100 000 Mark Umsatz nur „0,1″. Er hat noch keinen Heller verdient, rechnet aber schon in Millionen, nicht in Zehntausendern. Früher als viele andere hat er erkannt, welche Gewinnmöglichkeiten im IT-Geschäft schlummern, wenn man ein erfolgreiches Modell gekonnt ausrollt. Der Gedanke, dass sich eine einmal geschriebene Software fast kostenlos x-mal kopieren und immer aufs Neue verkaufen lässt — Microsofts Bill Gates (62) lässt grüßen —, fasziniert ihn früh. Das heutige Mantra ungezählter Online-Start-ups hat Jungunternehmer Dommermuth instinktiv begriffen: Wer nicht skaliert, verliert.
Den Blick nur nach vorne gerichtet
Eine neue Technik scheint ihm dafür das perfekte Vehikel zu sein: das Internet. Als er seinen Beiräten davon vorschwärmt, reagiert manch einer empört, dort herrsche doch Anarchie! Dommermuth lässt sich nicht beirren. Zum Skalieren braucht er Zugang zu Netzen, und die hat damals nur die Telekom. Mit dem Ex-Monopolisten muss er also auskommen, auch wenn die Bundesnetzagentur die Preise für die Nutzung festlegt. Gute Kontakte nach Bonn helfen: Nach dem Börsengang 1998 wird Ex-Telekom-Vorstand Carl-Friedrich Meißner (79) erster Aufsichtsratsvorsitzender von 1&1. Zwei Jahre später tauft Dommermuth seine Holding recht unbescheiden auf den Namen United Internet. Mit dem Konkurrenten Telekom verbindet ihn eine Hassliebe. Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke (56) sitzt im Aufsichtsrat von United Internet. Mit dessen Nachfolger René Obermann (55) ist Dommermuth sogar befreundet. Aber wenn es um den Streit über den Ausbau des Breitbandnetzes im Land geht, schaltet er auch mal landesweit Anzeigen, in denen er Telekom-CEO Tim Höttges (55) persönlich angreift. Noch wilder geht es zu, als er mit an die Börse geht. Das IPO-Geld steckt Dommermuth in diverse Zukäufe. Längst nicht alle laufen wie erhofft. Aber als dann der Dotcom Boom im Jahr 2000 platzt — auch wird zum „Pennystock“ setzt Dommermuth ziemlich zielsicher auf jene Geschäftsideen aus der New Economy, die später dann wirklich rentabel werden.
Er konzentriert sich auf das, was noch heute den Kern von United Internet ausmacht: werbe-finanzierte E-Mail-Konten (Web.de oder GMX.de), Internetzugänge und Mobilfunk (beide etwa unter der Marke 1&1) sowie das Hosting, den Betrieb von riesigen Servern. 2014 kommt mit Versatel noch ein vierter Geschäftsbereich hinzu, ein eigenes Glasfasernetz für Geschäftskunden. DSL-Router, Handyverträge, Serverfarmen, 23 Millionen Abonnenten: Dommermuths Geschäft ist so bodenständig wie seine Heimat Montabaur. Aus dem Städtchen an der A3 zwischen Köln und Frankfurt mit dem Schlösschen auf dem Hügel und den Fachwerkhäuschen zu seinen Füßen regiert der Westerwälder sein Reich. Disruption? Nein, sondern strategisches und zupackendes Management — im Fall von Dommermuth geprägt von einer Liebe zum Detail, die schon manche Führungskraft verschreckt hat. Nicht alles glückt. Früh investiert er mit den Gebrüdern Samwer in Start-ups. Als die ihr Konstrukt Rocket Internet 2014 an die Börse führen, bringt Dommermuth die gemeinsamen Investments ein. Heute ist United Internet mit gut 9 Prozent einer der größten Rocket-Aktionäre. Doch weil der Kurs lange fiel, musste Dommermuth hohe Abschreibungen schlucken.
Bei United Internet läuft es dafür umso besser, auch dank „Dealmaker“ Dommermuth. Beim Netzbetreiber Versatel steigt er 2007 erst mit 20 Prozent ein, um ihn 2014 ganz zu übernehmen. Ähnlich läuft es beim Konkurrenten Drillisch, dem Discounter für Internetzugänge und Mobilfunk. 2017, zehn Jahre nach seinem Einstieg, übernimmt Dommermuth die Kontrolle von Marken wie Yourfone oder Smartmobil. Die nächste Übernahme scheint bereits vorbereitet: 2016 sicherte sich Dommermuth quasi über Nacht 25,1 Prozent am Berliner Netzbetreiber Tele Columbus — mit einem Börsenwert von 844 Millionen Euro eine eher kleine Beute für den Jäger aus dem Westerwald. Dommermuth ist noch lange nicht fertig. Und Co-Gründer Abresch? Dem ward der Elan seines Partners bald zu viel. 1994 verkauft der Werber dem Kompagnon seine 50 Prozent an – „zu einem sehr fairen Preis“, wie Abresch sagt. Spätestens seitdem ist Ralph Dommermuth das, was er immer sein wollte: frei.