Auch wenn es 42 Ehejahren waren, so ist das Leben und sich Trennen bei Thomas und Thea Gottschalk (T +T) wahrlich kein nationales Ereignis gewesen, dennoch wurde viel und schrill über diese Normalität berichtet. Warum, weiß keiner. Zumindest von denen, die keine Klatsch-Blätter lesen und in ihrem Leben noch einen anderen Sinn sehen, als sich um die Belange anderer Menschen, sogenannter Promis, zu kümmern. Es wurde viel philosophiert über deutsche Beständigkeit, die nun einen kleinen Riss erhalten habe, weil T + T sich tatsächlich getrennt haben – und das als Vorzeige-Ehepaar in Deutschland. Gräßlich, aber wahr, man kann froh sein, dass kein Hahn mehr danach kräht und die „schnatternden Weiber“ bei der Tupper-Runde oder im Friseursalon endlich nach neuen Themen Ausschau halten müssen. Wie doof muss Deutschland sein, um seine Beständigkeit an der Ehe von T + T festzumachen?
Es war im Herbst vergangenen Jahres, als sein Haus im kalifornischen Malibu in den Flammen des Waldbrandes zu Asche wurde und dabei auch das handgeschriebene Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke verbrannte. Und seltsamerweise wurde diese Nachricht an einem Montag wieder hervorgeholt, als Thomas und Thea Gottschalk ihre Trennung bekannt gaben. Also, erst verbrannte das Haus, und Thea rettete nur die Katzen und nicht den Rilke, und Thomas war gar nicht da — und dann folgte das Ende einer Ehe? Im Nachhinein ist das natürlich alles sehr symbolisch. Schrieb doch Rilke auch über eine Katze, eine Raubkatze, und die Zeilen, die Thomas Gottschalk jeden Tag in dem gerahmten Gedicht lesen konnte, gingen so: „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“
Nun könnten wir natürlich einem Gottschalk auf den — wie immer charmanten — Leim gehen und ihm, dem neuerdings im Fernsehen als Literatur-Moderator tätigen Denker, folgen, wenn er in der ,Süddeutschen Zeitung“ zwei Tage vor Bekanntgabe seiner Trennung sagt: „Rilke hat eine offensichtlich reiche Dame angeschleimt, weil er Kohle brauchte. Da habe ich mir gesagt, dieser gedankenschwere Rilke ist auch nicht anders gewesen als ich, er hat halt versucht, sich durchzuwurschteln.“ Bitte nicht: 42 Jahre Ehe mit Thea, „durchgewurschtelt“? Nein, das glauben wir nicht, auch wenn ebenjener Rilke außerdem sagt: „Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir, wie der Winter, der eben geht.“
Wenn man ihn ein bisschen besser kennt, diesen Gottschalk, den bekanntesten und irgendwie auch besten Grund, in Deutschland noch den Fernseher einzuschalten, dann weiß man, dass es noch andere Dichter gab, die sein Leben lenkten, sie hatten lange Bärte und spielten in einer Band namens „ZZ Top“. Wenn die Gerüchte stimmen, kann Gottschalk jeden Song auswendig, auch diesen hier, der „I thank you“ heißt: „Du hättest mich nicht so lieben müssen, wie du es tatest, aber du hast es getan. Und dafür danke ich dir.“ Erdige Rocker wie die von „ZZ Top“ wird es vielleicht noch ewig geben, aber die erdige Ehe von Thomas und Thea, T+T, gibt es nun nicht mehr. Sie ist, soweit wir wissen, nicht mit einem Knall, einer Affäre, einer „Jüngeren“ oder einem „Jüngeren“ explodiert, nein, es hat wohl nicht einmal gekracht. Sie hat sich wohl einfach nur auseinandergelebt.
Nur ein Blick in die Scheidungsstatistik beunruhigt etwas, denn bei den über 153000 geschiedenen Ehen in Deutschland 2017 ist der Anteil der Seniorenscheidungen gestiegen und steigt weiter, weil, so die Fachleute, die Lebenserwartungen immer mehr steigen — was bedeutet, dass man auch mit Ü65 noch Chancen auf neue Lieben sieht. Mag sein, dass Thomas Gottschalk die Angel wieder in die Fluten wirft oder, um es mit Rilkes „Panther“ zu sagen, „der Vorhang der Pupille sich lautlos aufschiebt“. Einige vermuten, das sei schon passiert. Wenn man den Pressefotos und Bildunterschriften glauben darf, hat er eine jüngere (auch schon Ü 50) gedatet.
Allen Ernstes hat ein „Schreiberling“ eines Wochen-Journals getextet: „Das Traurige an der Nachricht für uns ist der Verlust einer weiteren bundesdeutschen Gewissheit, von denen es nur noch wenige gibt. Merkel Kanzlerin — ungewiss, oder bald auch weg. Jogi Löw Bundestrainer — nun ja. Deutsche Bank und Commerzbank — geht das gut? Ganz abgesehen von den Paarungen und Hochzeiten, deren Halbwertszeit an zehn Fingern zu zählen ist — nicht wahr, Heidi Klum?“ Man musste schon in die niederen Etagen der Unterhaltung steigen, um ein Lebenslänglich zu ahnen, wie zum Beispiel: Dieter Bohlen wird immer im Fernsehen sein. Immer. Auch wenn es keine Fernseher mehr gibt. Und eine wirklich nicht wichtige, aber dennoch schöne Gewissheit war eben immer, dass Thomas und Thea Thomas und Thea bleiben. Und dass Thomas wirklich immer alles angezogen hat, was Thea ihm rauslegte, egal, ob das aussah wie der komplette Nachlass von Rudolf Mooshammer oder wie aus dem Kostümfundus der Karl-May-Spiele. Beim Zuschauer formte das die Gewissheit: Das muss Liebe sein, Mode kann es nicht sein.
Ein Lebenslauf, wie der Millionen anderer
1972 haben sie sich kennengelernt, auf einem Ball in München, „da war sie ein Geschoss, und das ist wohl hochdeutsch nur als Granate zu übersetzen«, sagte er einmal. 42 Jahre Ehe, zwei Söhne, 1996 Umzug nach Malibu, eine, soweit man weiß, skandalfreie Ehe. Groupies, sagte Michelle Hunziker, habe es für den Thomas genug gegeben, aber der Thomas sei eben eine treue Seele. „Ich übertreibe nicht, dass ich ohne meine Frau und meine Söhne nicht der wäre, der ich bin“, schrieb Gottschalk in seiner Biografie: Gottschalk ist jetzt 68. Vielleicht hat er den Rilke an der Wand zu oft gelesen, wenn der vom „weichen Gang geschmeidig starker Schritte“ erzählt, „wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht“. War das also Thomas Gottschalk, ein Panther, ein betäubter großer Wille? Aber gilt das nicht für jeden von uns? Wetten, dass!
Richtig schäbig wird es, wenn Thomas Gottschalk demnächst seine neue Literatur-Sendung moderieren wird, wo es nach dem Beispiel von Reich-Ranicki tatsächlich um fundiertes, jahrzehntelang angelesenes Fachwissen gehen wird – was man T. Gottschalk beim besten Willen nicht zutrauen mag. Selbst wenn er Rilke kennt und gelesen hat, und dieser am Ende seine Ehe ins „AUS“ bugsiert hat. Armes Deutschland…