Sacramento. Das Traumziel Kalifornien in den USA, an der spektakulären Küste, mit seinen malerischen Orten und seinen vielen Stars, die dort wohnen, verliert mehr und mehr seine Magie. Die Erdbebengefahr ist sowieso allgegenwärtig, aber nun kommen regelmäßig flächendeckende Brände dazu. Diese zerstören große Regionen mit hunderten Häusern darauf und niemand weiß so recht, warum diese verheerenden Feuersbrünste jedes Mal so mächtig zuschlagen. Ist es die himmlische Rache wegen des Klimawandels und der Erderwärmung, oder stecken Brandstifter dahinter?
Apokalyptisch. Mit diesem Wort beschreibt die „Los Angeles Times“ die Stimmung. Seit Wochen brennt Kalifornien an beiden Enden: Mehr als 30 Menschen kamen bei Feuern im nordkalifornischen Örtchen Paradise und weiter südlich in der Großregion Los Angeles ums Leben, mehr als 200 Personen wurden am Montag noch vermisst. Rund 7000 Gebäu de gingen in Flammen auf, eine Viertelmillion Menschen raffte in Panik ihre Siebensachen zusammen, entfloh der Glut in ihren Autos und zu Fuß, verbrachte bange Nächte in Notunterkünften und vor Fernsehgeräten, in denen abwechselnd röhrende Löschflugzeuge und schmorende Häuserfundamente gezeigt wurden. Die Feuerwehr evakuierte den gesamten Küstenort Malibu, als dort das Feuer aus den Bergen brach und zum Pazifik rollte — prominente Bewohner verließen überstürzt ihre Villen, etliche flüchteten in die Luxushotels von Beverly Hills, andere retteten sich mit ihren Hunden und Pferden und Lamas an den Strand, hinter und über ihnen gewaltiger Qualm.
Filmstars in filmreifen Szenen
Die Bilder des brennenden Westküstenstaats wirken erschreckend vertraut. Kalifornien, das weiß jedes Kind, brennt jedes Jahr. Die Einwohner von Los Angeles kennen den eigenartigen Neuschnee, der sich regelmäßig auf ihre Autos und Palmen legt: Asche von einem „brush fire“, vom Wind aus der brennenden Vorstadt in meilenweit entfernte Gärten getragen. Früher wurde gewitzelt, dass das allzeit sommerliche Kalifornien sehr wohl über vier Jahreszeiten verfüge: nämlich Erdbeben, Dürre, Überschwemmungen und Waldbrand. Aber nun weiß man, dass Feuer immer Saison hat. Und dass es immer gefährlicher, unberechenbarer wird. In Paradise — der Ort mit dem romantischen Namen liegt etwa vier Autostunden nördlich von San Francisco — brach das sogenannte „Camp Fire“ so schnell über die 27.000 Einwohner herein, dass im Chaos auf der Hauptstraße sieben Menschen in ihren Autos verbrannten; von der Siedlung ist kaum noch etwas stehen geblieben. Vom „Woolsey Fire“ im Süden heißt es, dass es etwa jede Sekunde eine Fläche von der Dimension eines Football-Felds versengt hat. Es verdoppelte seine Größe über Nacht, loderte tagelang völlig unkontrolliert. Fernsehen und Internet zeigen atemberaubende, surreale Bilder von einem Armageddon, das besonders unwirklich erscheint, weil Hollywoodstars darin herumstiefeln.
Der Schauspieler Martin Sheen musste mit seiner Frau aus seinem Haus in Point Dume fliehen und die Nacht im Auto verbringen, wie er berichtete. Der Action-Held Gerard Butler zeigte sich fassungslos in den Ascheresten seiner Malibu-Villa. Die Sängerin Miley Cyrus schreibt bei Twitter: „Ich bin eine der Glücklichen. Meine Tiere und die Liebe meines Lebens haben es sicher herausgeschafft, und das ist alles, was im Moment zählt. Mein Haus steht nicht mehr, aber die Erinnerungen bleiben, die ich mit Familie und Freunden geteilt habe.“ Die Schauspielerin Alyssa Milano teilte mit, sie sei „mit Kindern, Hunden, Computer und Doc-Martens-Boots“ aus ihrem Haus geflohen, und der Regisseur Guillermo del Toro konnte noch seine Notebooks und einen kleinen Koffer mit wenigen Fotos und Büchern aus seinem Haus retten. Sängerin Cher teilte auf Twitter nur ein knappes „Fire is closer“ mit, genauso wie Orlando Bloom, der auf Instagram ein Foto von der glühenden Luft und Flammen im Hintergrund zeigte: „Meine Straße“. Auch Kim Kardashian und Lady Gaga bangten um ihre Villen und bedankten sich via Twitter bei Feuerwehr und Polizei für die Einsätze. Die Schauspielerin Rosanna Arquette war angesichts der Flammen vor der Tür so fassungslos, dass sie meinte, im Rauch ein Gesicht erkannt zu haben, „das aussah wie der Teufel“. Typisch amerikanisch wohl, dass alle Stars Bilder und Kommentare in die weite Welt hinausposaunen, wo sie doch sonst allergisch auf jeden Fan oder Papparazzo reagieren.
Und es traf auch Deutsche: Das Anwesen von Thomas Gottschalk nahe der malerischen Bucht Paradise Cove ist vernichtet, seine Frau Thea konnte sich mitsamt ihren Katzen noch retten. Ganz in der Nähe musste auch Dana Schweiger, Ex-Frau von Til Schweiger, ihr Haus verlassen. Tochter Emma Schweiger schrieb: „Es fühlt sich an, als würde die Welt enden.“ Einer der Gründe dafür, dass die Feuerwalze die Gebäude genauso schnell niederbrennt wie Bäume, liegt in der Bauart kalifornischer Häuser: Sie sind meist aus Holz gebaut, selbst Backsteinwände an Luxusvillen sind nur Dekor. Die leichten Konstruktionen sind sicherer im Fall von Erdbeben: Sonst würden die Bewohner unter tonnenschwerem Schutt begraben, Flucht unmöglich.
Eine Million Häuser im Risikogebiet
Der Pacific Coast Highway, auf dem sich am Wochenende Zehntausende Wagen in Richtung Sicherheit schoben, wurde vorübergehend dichtgemacht. Polizei- und Feuerwehrwagen blockieren die Kreuzung direkt an der Touristenfalle „Gladstones“, einem Strandlokal, in dem normalerweise Hummerscheren geknackt und Instagram-Bildchen vom Meer gemacht werden. Jetzt ist es dort menschenleer, die Luft dick und beißend. Weiter in den Bergen hinter Malibu ballen sich Rauch und Ruß und Dreck. Auch die „Rehab Riviera“ ist wie ausgestorben: So nennt man die exklusiven Drogenkliniken entlang des Highways in Malibu, in denen Patienten aus der ganzen Welt ausnüchtern, vorwiegend jedoch einheimische Schauspieler und andere Filmindustrie-Größen. Die wohlhabende Klientel wurde rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht, doch einige Gebäude fielen den Flammen zum Opfer. Die kalifornische Regierung geht davon aus, dass sich gut eine Million Häuser in Risikogebieten befindet: also dort, wo es leicht brennt oder in der Vergangenheit gebrannt hat — und wo keine Versicherung ihre Hand ins Feuer legen möchte. Die Unternehmen kündigen Hausbesitzern gnadenlos die Policen, wenn ihnen die Sache zu riskant wird. Zwischen 2010 und 2016 hat sich die Zahl derer, die aus ihren Versicherungen geflogen sind, verdreifacht, die Beiträge sind um mehr als 200 Prozent gestiegen. So sitzen nun die Feuer-Opfer von Thousand Oaks und Malibu in ihren Ruinen und rechnen: Viele von ihnen sind unterversichert; manche gar nicht. Zwar ist Feuer ein großer Gleichmacher, es ruiniert Mega-Mansions ebenso wie Wohnmobile. Aber, natürlich: Wer genügend Asche hat, steht besser da.
Aber warum brennt es überhaupt dauernd in Kalifornien?
Präsident Donald Trump seine Antwort auf diese Frage offenbar bereits gefunden. Die kalifornischen Behörden, befand er per Twitter, hätten keine Ahnung, wie man Wälder handhabt, und müssten daher ihre verheerenden Brände selbst verantworten. Für diese Aussage wurde er heftig kritisiert, auch von vielen Prominenten. Die Sängerin Katy Perry bezeichnete seinen Tweet als „herzlos“. Und der Sänger Neil Young, der das Haus verlor, in dem er mit seiner Frau Daryl Hannah wohnte, nannte Trump einen Klimawandel-Leugner. Auch der Klimaforscher Park Williams von der Columbia-Universität hat eine andere Antwort als Trump auf die Frage, warum es an der Westküste so oft brennt. In Kalifornien liege „das perfekte Rezept für Feuer“ vor, erklärte er in der „New York Times“. Los Angeles ist eine riesige Ansammlung von Menschen, in der ständig Feuerherde entstehen, mit und ohne Absicht — schließlich werden etwa 90 Prozent aller Waldbrände in den Vereinigten Staaten von Menschen ausgelöst. Ein geplatzter Reifen entzündete das nordkalifornische „Carr Fire“ im Juli, die Felgen schlug Funken auf dem heißen Asphalt. Im Dezember 2017 vergaßen Obdachlose im Stadtteil Bel-Air, dass ihr Grillfeuer noch schmorte, und eine Feuerwalze fraß sich bis zum Getty-Museum. Und zwar in Windeseile: Kaum eine Naturerscheinung macht die Angelenos so nervös wie die Santa Anas. Das sind jene „Teufelswinde“, die vor den ersten Regenfällen im Winter aus Amerikas „Great Basin“ trockene Luft nach Los Angeles blasen und das von der Sommerhitze ausgedörrte Land noch weiter triezen. Auch die Erderwärmung spielt eine Rolle, sagt Park Williams: „Es herrschen heute Temperaturen, die zwei bis drei Grad Fahrenheit höher sind.“ So fachen die Santa-Ana-Winde die großen Brände an. Sie lassen „fire whirls“ entstehen, Tornados, die im Feuer geboren sind und Feuer gebären, tausend Grad heiße Luftwirbel. „Das sind extreme Bedingungen, die wir nie zuvor gesehen haben“, sagte ein Feuerwehrmann über das heiße Wochenende in Los Angeles. Meist ist der Spuk nach ein paar Tagen vorbei. Die Santa Anas schweigen, die Feuer schwächeln. Bis zur nächsten Runde.