Bochum. Speziell Menschen mit hohem Blutdruck, der behandelt werden muss, fragen bei Ärzten immer öfter nach Alternativen zu den täglichen Medikamenten. Und tatsächlich, mit Hypnose gelingt es, gute Erfolge bei der Blutdrucksenkung zu erzielen, so dass Hypertoniker (Hypertonie=Bluthochdruck) oftmals auf lästige Medikamente verzichten können. Das lässt sich zwar nicht pauschal aussagen, aber in bestimmten Fällen trägt die Hypnose zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsbildes bei. Das gilt auch für andere Krankheiten, die man wirkungsvoll durch Hypnose beeinflussen und verändern kann. Viele Menschen haben sich noch nie mit dem Thema Hypnose beschäftigt, deshalb lohnt sich die Auseinandersetzung mit dieser Thematik für jeden.
Die Hypnose ist eines der ältesten und zugleich eines der modernsten Therapieverfahren. Sie verbindet in einzigartiger Weise Körper und Seele. Unsere häufige Denkweise ist rational-wissenschaftlich oder sekundärlogisch ausgerichtet. Die Hypnose nutzt gerade in z. B. emotional angespannten Situationen das prozesshafte oder primärlogische Erleben. Hypnose kann einerseits als besonderer Bewusstseinszustand mit Offenheit und Lernfähigkeit verstanden werden, andererseits auch als ein Ver fahren zur Einleitung dieses Zustandes. Sie kann als veränderter geistiger Bewusstseinszustand aufgefasst werden zwischen Wachsein und Schlaf, erreichbar durch verstärkte und gerichtete Aufmerksamkeit. Sie ist wirksam, um Menschen zu helfen ihre Ziele zu erreichen unter Einbindung des Unterbewusstseins. Hypnose nutzt die Potentiale; es findet ein aktiver Austausch von Ideen statt. Die Patienten sind dabei nicht bewusstlos und behalten die Kontrolle.
Dieser Zustand ist uns allen vertraut, z. B. bei den Erinnerungen an den letzten Urlaub am Strand mit der Bewegung und dem Geräusch der Wellen oder in den Bergen mit dem Rauschen des Windes und den Bewegungen der Bäume. Vielleicht kennen Sie noch das gedankliche Abdriften im Mathematikunterricht bei der pädagogisch sicher wertvollen Herleitung mathematisch ästhetischer Formeln, während Sie in Gedanken ganz woanders unterwegs waren…
Hypnotherapie nach Milton Erickson
Das Prinzip der Kooperation nach Milton H. Erickson ist von zentraler Bedeutung. Es beinhaltet unter anderem, sich auf positive Fähigkeiten zu konzentrieren. Bestimmte Verhaltensweisen werden nicht „weghypnotisiert“ sondern es werden z. B. deren positive Eigenschaften gewürdigt und idealerweise diese Eigenschaften in das neue, gewünschte Verhalten integriert. So entsteht im neuen Verhalten kein Defizitgefühl sondern ein Zugewinn. Dabei wird die Position des „interessierten Beobachters“ eingenommen. Der Klient hat den größeren Teil des aktiven Handelns. Für Erickson ist Hypnose ein erlebnishafter Prozess, bei dem Ideen ausgetauscht werden.
Seine Lehre hat die Grundannahme, dass alle Menschen Entwicklungsressourcen haben. Die Trance stärkt und erweitert diese Ressourcen. Seine Ansätze sind darauf ausgerichtet Lebensweisen individuell anzupassen statt „Fehler“ zu korrigieren. Unbewusste Prozesse werden produktiv in den Heilungsprozess integriert. Die Einzigartigkeit einer jeden Person wird auf unterschiedlichen Ebenen gewürdigt. Hypnotherapeutische Basisstrategien bestehen z.B. in der Umdeutung bestimmter Verhaltensweisen hin zu einer lösungsorientierten oder salutogenetischen (also gesundheitsfördernden) Vision unter Mobilisierung vieler Ressourcen. Nahezu jeder ist hypnotisierbar, jedoch nicht gegen seinen eigenen Willen. Die Intensität der hypnotischen Erfahrung wird verschieden erlebt. Auch bei scheinbar geringer Trancetiefe, die bei Klienten als wenig wirksame Hypnose interpretiert wird, ist eine Wirksamkeit gegeben.
Was geschieht unter Hypnose?
Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass unter Hypnose sogenannte Alpha-Wellen im Gehirn vermehrt auftreten als Hinweis für einen Zustand der ruhigen Aufmerksamkeit. Im Körper findet eine Umstellung auf eine eher regenerative Ruhephase statt. Erkennbar wird dies u. a. an einem erniedrigten Pulsschlag, ebenso sinken der Blutdruck und die Atemfrequenz. Auch die Konzentration von Stresshormonen sinkt messbar. Im Bereich des Bewusstseins wird die Aufmerksamkeit angeleitet fokussiert. Ein häufig auftretendes Phänomen ist das Gefühl der Zeitverzerrung. Üblicherweise wird eine Trance um etwa 50 Prozent kürzer eingeschätzt als sie tatsächlich währte. Klienten schildern die Gefühle während der Hypnose als eine tiefe physische und emotionale Entspannung, empfinden Frieden, Geborgenheit, Euphorie, Leichtigkeit, tiefe Ruhe. Auch räumliche Gegebenheiten können verändert wahrgenommen werden. Im psychosomatischen Bereich können Schmerzen besser bewältigt werden, das Immunsystem wird gestärkt, das Tumorwachstum verzögert, die Blutgefäße erweitert. Nachgewiesen sind auch positive Effekte für erhöhte körperliche Leistungen im Sport (z.B. Biathleten, Skirennfahrer, auch Mannschaftssportarten).
Was ist der Unterschied zur Bühnenhypnose?
Die Bühnen- oder Showhypnose möchte schnelle Effekte erzielen, um das Publikum — positiv formuliert — zu überraschen und zu beeindrucken. Mitunter werden übersinnliche oder übernatürliche Fähigkeiten suggeriert. Insbesondere auf der Suggestion liegt der entscheidende Focus. Die „Kunst“ des Bühnenhypnotiseurs liegt darin, Menschen mit großer Suggestibilität im Publikum zu finden. Rücksicht auf die Würde, die persönliche Integrität oder gar die Gesundheit der Probanden wird dabei nicht genommen. Die medizinische Hypnose hat zum Ziel, die Unabhängigkeit des Klienten vom Hypnotiseur zu fördern. Die Gesundheit der Klienten ist das höchste Ziel. Wie oben genannt, ist auch die aktive Mitarbeit gewünscht — und damit ist der Klient das Gegenteil von willenlos. Zu Beginn einer Hypnotherapie wird ein gemeinsames Ziel definiert. Und es gehört zu einer der ersten Aufgaben der gut ausgebildeten Hypnotherapeuten zu beurteilen, ob die Hypnose und auch man selbst überhaupt für diese individuelle Situation als Therapeut geeignet ist. Es gelten die klassischen medizinischen Grundsätze des „nil nocere“ (Nicht-Schadensprinzip), der Patientenautonomie und des Patientenwohls. Soziale Gerechtigkeit oder Gleichbehandlung aller Patienten ist ebenfalls Inhalt des Ehrenkodex guter Therapeuten.
Wenn man Studienergebnisse der letzten 50 Jahre betrachtet, so finden sich über 70 Studien mit über 5000 Klienten. Es wurden verschiedene Formen von Einzeltherapie, Gruppentherapie und Massenveranstaltungen berücksichtigt, außerdem Einzelstunden bis zu über 50 Sitzungen sowie die Anwendung von direktiven und indirekten Techniken. Bisher wurde die Wirksamkeit bei milder arterieller Hypertonie bestätigt. Nicht alle Studien zeigten diesen positiven Effekt, manche ergaben nach statistischer Auswertung keine signifikante (also deutliche) Blutdrucksenkung. Gleichzeitig konnten bei vielen weiteren Beschwerden wie Asthma, Migräne oder bösartige Erkrankungen positive Effekte erreicht werden. Die positive Wirkung bei hohem Blutdruck wird unterstützt durch das Erlernen von Entspannungstechniken, die eine Kontrolle von Stressfaktoren erleichtern.
Weiterhin wirkt die Hypnotherapie positiv bei der Unterstützung gewichtsreduzierender Maßnahmen, die ebenfalls wichtig sind bei der nicht-medikamentösen Therapie des hohen Blutdrucks. Spezifische hypnotherapeutische Verfahren sind außerdem sehr erfolgreich, um in Zukunft rauchfrei zu leben. Bei Schmerzen wie z. B. Rückenbeschwerden kann die Hypnotherapie zu einer verbesserten Schmerzkontrolle und damit wiederum zu einer günstigen Beeinflussung des Blutdrucks beitragen.
Vorteile, Voraussetzungen und Kontraindikationen
Für eine Hypnotherapie ist meist eine kurze Behandlungsdauer ausreichend, beispielsweise 5 bis 10 Sitzungen über 6 Monate verteilt. Es sind keine weitergehenden technischen Voraussetzungen notwendig. Gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Hypnotherapie sind auf Seiten von Klientinnen und Klienten Offenheit, Neugier auf neue Erfahrungen und eine aktive Grundhaltung. Weiterhin ist Vertrauen zum Therapeuten entscheidend. Dieser sollte neben einer soliden Ausbildung und beruflicher Erfahrung stets auch die persönlichen und professionellen Grenzen beachten. Aus meiner Sicht sind Empathie, Offenheit und eine ehrliche therapeutische Beziehung unabdingbar. Kontraindikationen auf Seiten des Patienten sind endogene und exogene Psychosen, Borderline-Störung, histrionische Persönlichkeitsstörung, passiv-rezeptive Grundhaltung, Sucht- und Abhängigkeitsprobleme, wenn Hypnose als Mittel zur Wahrheitsfindung missverstanden wird, wenn eine symptomorientierte Behandlung trotz Vorliegen eines massiven Krankheitsgewinns gefordert wird und wenn eine somatische Behandlung abgelehnt wird. Kontraindikationen auf Seiten des Therapeuten bestehen bei Schwierigkeiten mit Übertragung und Gegenübertragung, Omnipotenzwünschen, Angst vor oder Bedürfnis nach intensivem Kontakt, Überschreiten der professionellen Grenzen. Wichtig ist auch, in Trance eine völlig normale Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Fazit
Durch die medizinische Hypnose können die therapeutischen Möglichkeiten bei Bluthochdruck sehr wirkungsvoll erweitert werden. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass auch bei stärksten Entgleisungen des Blutdrucks, selbst unter extremen (beispielsweise intensivmedizinischen) Bedingungen, eine hypnotherapeutische Gesprächsbegleitung die Blutdruckwerte günstig beeinflussen kann. Die Hypnose ist jedoch kein Allheilmittel und sollte weder verteufelt noch vergöttert werden. Die häufig geäußerte Vermutung, dass Menschen in Hypnose willenlos werden, ist nicht zutreffend. Im Gegenteil, bei der beschriebenen Methode nach Milton Erickson ist die aktive Mitarbeit erforderlich. Das Ziel ist die gute Zusammenarbeit von bewusstem (linkshemisphärischem) und unbewusstem (rechtshemisphärischem) Denken. Diese Form der Therapie ist individuell und muss daher stets im Einzelfall an die Situationen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst werden.