Bonn. Die Schweden können nicht nur IKEA, nein, sie können sich auch um die finanziellen Belange ihrer Bürger kümmern. Nämlich dann, wenn es um das Thema Altersorsorge geht. Da hat man unter königlicher Regie schon vor vielen Jahren darüber nachgedacht, wie man die finanzielle Lücke zwischen Berufsleben und Rente sinnvoll schließen kann und einen staatlichen Fonds gegründet, in den die Berufstätigen von ihrem Lohn automatisch 2,5% abführen müssen. Insgesamt eine hervorragende Alternative zu jahrelangen den Aufklärungskampagnen und unausgereiften Projekten wie die Riesterrente – wie sie in Deutschland praktiziert werden. (Erfahrungen mit Möbel Höffner)
Seit einigen Monaten schon kommt kaum eine Diskussion über die Reform der Altersvorsorge am Finanzplatz Frankfurt ohne Hinweise auf das tolle „schwedische Modell“ aus. Tatsächlich lohnt ein Blick, was genau die Schweden schon vor knapp 20 Jahren mit ihrem Konzept namens „AP7″ eingeführt haben: Ein Teil der Abgaben für die gesetzliche Altersvorsorge – 2,5 Prozent des Bruttolohns — fließt dort automatisch in kapitalmarktbasierte Produkte. Die kann der Arbeitnehmer frei wählen. Tut er dies nicht — wie die meisten Schweden -, landet das Geld automatisch in einem Standardprodukt. Dieses verteilt die Mittel je nach Alter des Sparers in einen staatlichen Aktien- und Anleihenfonds.
Dieses Modell hat immer mehr Fürsprecher. Denn seine Kosten sind mit 0,04 bis 0,13 Prozent pro Jahr niedrig. Die Kapitalmarktorientierung hat mit Renditen zwischen im Schnitt sechs und neun Prozent pro Jahr langfristig funktioniert. Selbst Lobbyisten von Finanzdienstleistern finden das Modell reizvoll, schließlich betrifft es die Säule der staatlichen Rentenversicherung. Für die private Vorsorge über Bemessungsgrenzen hinaus bleibt auch in Schweden noch genug Geschäft übrig. Kein Wunder, dass progressive deutsche Politiker damit begonnen haben, für eine hiesige Variante in Form der „Deutschland-Rente“ zu trommeln. Dummerweise gewinnt die Diskussion nach nunmehr zehn guten Börsenjahren an Fahrt. Es entbehrt nicht einer tragischen Komik, dass das Interesse an mehr Kapital-deckung in der Vorsorge immer erst steigt, wenn jene Märkte viele Jahre lang fantastisch gelaufen sind – ähnlich wie vor Einführung der Riester-Rente 2001. Es folgte ein Crash.
Nun täte mehr Kapitalmarktorientierung den meisten Bürgern gut. Vielleicht sogar sanfter Zwang. Dafür sprechen die verschwundenen positiven Realzinsen, ein in Sicherheitsdenken erstarrtes Anlageverhalten und nicht zuletzt die demografische Herausforderung unseres umlagefinanzierten Systems.
Das Projekt birgt aber auch politischen Sprengstoff. Zwar verweisen Befürworter immer wieder auf die hohen Renditen des schwedischen Modells. Unerwähnt bleibt dabei aber meistens, dass dessen staatlicher Aktienfonds die Rendite über Kredite hebelt. Auch über die Bilanz des Standardfonds in den ersten Jahren nach der Einführung wird selten gesprochen: Er verlor sieben Prozent im Jahr 2000, elf Prozent 2001 und dann nochmals 27 Prozent 2002. In Deutschland wäre der Teufel los, würde das Geld von staatlich Rentenversicherten — und eben nicht nur private Vorsorge — im Falle einer neuerlichen Finanzmarktkrise in diesen Größenordnungen kreditfinanziert umverteilt. Auch deshalb bleibt es vorerst bei Diskussionen. Immerhin: Den Kern der Erfolgsstrategie von Staatsfonds — zu Kosten von 0,1 Prozent pro Jahr den globalen Aktienmarkt kaufen und halten —, den können Kleinanleger dank ETFs inzwischen auch mit überschaubaren Anlagesummen und Sparplänen kopieren. Aber es fehlt tatsächlich die Erkenntnis und das Zugeständnis der Massen, die einfach in die Altersarmut hineintrudeln und sich dann wundern, dass sie auf die staatliche Grundversorgung angewiesen sind.