Barcelona. In Barcelona findet im November der Smart City Expo World Kongress statt, wo Unternehmen aus der ganzen Welt Ideen für die smarte Stadtplanung präsentieren. Denn die Zukunft heißt, intelligente Lösungen zu schaffen, um die Städte dieser Welt lebenswerter und umweltfreundlicher zu gestalten, also nachhaltig zu verbessern. Ideen für die „smart cities“ werden aus der ganzen Welt gesammelt, Projekte, die sich in anderen Städten also schon bewährt haben und nun praktisch „serienreif“ gemacht werden sollen.
Winston ist deutlich dünner als sein berühmter Namenspate Churchill, mehr Haare hat er auch, ein bisschen grau und struppig, aber das ist Winston, Alter unbekannt, egal. Er hüpft in seine Hütte, macht es sich gemütlich auf der rosa Plastikunterlage und schleckt seinem Frauchen Alex Tosti noch einmal über die Hand, bevor sie vorsichtig die durchsichtige Tür schließt. Alex Tosti greift zum Smartphone, über eine App kann sie sich nun mit der Box verbinden: Die „Puppy Cam“ zeigt, wie es Winston geht, auch die Temperatur in der Hütte wird angegeben und wie lange Winston schon darin sitzt. 40 solcher vernetzten Hundehütten hat Alex Tosti im New Yorker Stadtteil Brooklyn aufgestellt, Hundebesitzer sollen ihren Hund für 20 Cent pro Minute sicher und bequem vor dem Café oder für einen kurzen Einkauf vor dem Laden parken können, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob das Hündchen gerade abhaut, geklaut wird oder sich mit der Leine stranguliert. Daher auch der Name der Box: Dog Parker.
Auf den ersten Blick vielleicht eine skurrile Idee, doch der Dog Parker ist nur ein Beispiel dafür, wie mithilfe digitaler Technologien das Leben in der Stadt neugestaltet werden kann – im besten Fall sozialer, sicherer, komfortabler und umweltfreundlicher. Smart City heißt der Sammelbegriff für solche Lösungen. Doch wie werden Städte intelligenter? Welche Technologien sind sinnvoll? Und wie werden Menschen befähigt, sie zu nutzen ohne selbst zum „gläsernen Bürger“ zu werden? Darüber wurde vergangene Woche auf einer der weltweit größten Messen für Smart-City-Lösungen diskutiert – ausgerechnet in einer Stadt, die sich zumindest politisch zuletzt ganz und gar nicht von ihrer smarten Seite gezeigt hat: in Barcelona.
Doch von den Unruhen, die durch das illegale Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens ausgelöst worden sind, war auf dem Smart City Expo World Congress (SCEWC) wenig zu spüren. Mit 675 Ausstellern kamen nach Angaben der Veranstalter sogar noch einmal 14 Prozent mehr als im Vorjahr, dazu präsentierten 700 Städte von Atlanta bis Zheijhang, wie sie schon heute das Netz nutzen, um ihre Infrastruktur intelligenter zu machen. Sensoren an Straßenschildern unterstützen einen reibungsloseren Verkehrsfluss, elektrische Autos kurven emissionsarm durch die Stadt, Drohnen übernehmen die Abwasserinspektion – das allein macht eine Stadt aber noch lange nicht schlau. „Eine Stadt kann immer nur so smart sein wie die Menschen, die in ihr wohnen“, betont Tim Franke, der bei Siemens an smarten Mobilitätslösungen arbeitet. Wenn eine Stadt zahlreiche Apps entwickeln lasse, diese aber keiner nutze, werde sich nichts bewegen. Dafür müssten vielmehr auch die Gewohnheiten der Bürger geändert werden.
Wie schwierig das bereits in analogen Dimensionen ist, zeige ein Beispiel aus Indien. Dort sei in einer Stadt ein neues Parkhaus gebaut worden, um die chaotische Parksituation auf den Straßen in den Griff zu bekommen. Umgerechnet einen Dollar sollte die Nutzung kosten – doch das Parkhaus sei leer geblieben, die Straße weiterhin in fünfter, sechster Reihe verstopft, einfach, weil es die Menschen gewohnt seien, fürs Parken nichts zahlen zu müssen, nicht mal einen Dollar, erklärt Franke. „Technologien für Städte sollten deshalb nicht einer Blaupause folgen, sondern die soziokulturellen und politischen Begebenheiten müssen miteinbezogen werden, wenn wir einen Beitrag für die Lebensqualität der Menschen liefern wollen.“
Doch wer schon als Kind darauf konditioniert wurde, dass am Ende des todlangweiligen Spaziergangs immer ein Eis gewartet hat, der wird sein Verhalten auch in Zukunft nicht ohne Aussicht auf Belohnung ändern. Das wissen auch Thomas Hornig und Carsten Recknagel. „Zeitmeilen“ heißt die App, die die beiden Berliner auf der Messe präsentieren. Ähnlich wie im Supermarkt können die Nutzer Bonuspunkte sammeln und gegen Prämien eintauschen, wenn sie sich „intelligent“ durch die Stadt bewegen. Nicht also beim kleinsten Regentropfen allein ins Auto steigen und fluchend neben tausenden anderen Einzelfahrern im Stau stehen, sondern jeweils das Verkehrsmittel oder die Route wählen, die die App als beste Alternative empfiehlt. Machen das aber nicht schon längst Dienste wie Google Maps und Co? „Die zeigen vielleicht den schnellsten Weg an, der führt dann aber vielleicht mitten durchs Wohngebiet, was weder im Sinne der Anwohner noch der Stadt sein kann“, erklärt Hornig. Zeitmeilen wirbt deshalb für einen ganzheitlichen Ansatz: Fahrer, Arbeitgeber, Stadt und Umwelt sollen profitieren, in dem die Berufspendler pünktlicher und entspannter durch die Stadt kommen, es weniger Staus und Verkehr gibt und damit Schadstoffe wie C02 , Feinstaub und Stickoxide reduziert werden. Die „intelligenteste“ Route kann an einem Tag deshalb vielleicht die U-Bahn sein, an einem anderen Tag vielleicht eine Fahrt zum Park-and-Ride-Parkplatz, von dem aus es dann mit einem Mietrad in die Innenstadt geht. „Dafür muss aber auch die Infrastruktur vorhanden sein“ betont Hornig. „Denn wenn der Nutzer kommt und es nicht ausreichend Plätze auf dem Park-and-Ride-Parkplatz gibt, dann wird er die App so schnell nicht wieder nutzen.“ In Stuttgart wird die App gerade in einem Pilotprojekt getestet, in Berlin, wo Zeitmeilen seinen Sitz hat, gebe es bisher keine Kooperation. Die Hauptstadt setzt derweil auf andere Lösungen, um schlauer zu werden. 2015 hat der Senat eine so genannte SmartCity-Strategie verabschiedet, demnach soll Berlin unter anderem bis 2050 klimaneutral werden. Dazu beitragen sollen auch die Projekte der Berliner Agentur für Elektromobilität, die sich neben anderen Unternehmen und Initiativen auf dem Messestand von Berlin Partner in Barcelona präsentierte. Entlang der Straße des 17. Juni entsteht beispielsweise ein digitales Testfeld für automatisiertes und vernetztes Fahren. Ein offenes Portal mit Berliner Stadtdaten, derzeit gefüllt mit rund 1.300 Datensätzen, soll Programmierern dazu dienen, die Anwendungen für eine smarte City zu entwickeln. Dieses Portal soll künftig noch weiter ausgebaut werden, sagte Staatssekretär Christian Rickerts bei seinem Besuch in Barcelona.
Aber nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Luft wird es zunehmend enger. Drohnen surren am Himmel, Unternehmen wie Amazon wollen sie künftig einsetzen, um Pakete auszuliefern. Dubai hat deshalb nach eigenen Angaben als weltweit erste Stadt angefangen, Drohnen in Echtzeit zu überwachen. Am Flughafen war es zu mehreren Zwischenfällen gekommen, an einem Tag habe er sogar für fast eine Stunde gesperrt werden müssen, was einen Schaden in Millionenhöhe verursacht habe, erzählt Bader Mohammed Belselah vom Dubaier Amt für Luftsicherheit. Nun müssten alle Drohnen registriert und mit einem Tracker ausgestattet werden. Fliegt der Pilot in einen sensiblen Bereich wie in die Nähe des Flughafengeländes, bekommt er eine Warnung. Automatisch vom Himmel würden die Drohnen aber nicht von der Behörde geholt, zu groß sei die Gefahr, dass sie abstürzen und einen Unfall verursachen. Zumal künftig noch ein weiteres Flugobjekt hinzukommt: Der Volocopter, ein neuartiger Hubschrauber, der elektrisch und vollautomatisch fliegt, soll Passagiere auf festgelegten Routen durch die Stadt transportieren eben wie ein Taxi, nur in der Luft und ohne Fahrer. Zwei Passagiere haben in dem Modell Platz, das von einer Firma im deutschen Bruchsal entwickeln worden ist. Im September wurde der Jungfernflug – noch ohne Passagiere an Bord – erfolgreich absolviert. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll der Volocopter dann zum regulären Verkehrsmittel werden“, erklärt Mohammed Al Khayat von der zuständigen Verkehrsbehörde. Denn Dubais ambitioniertes Smart-City-Ziel: Bis 2030 sollen 25 Prozent aller Transportmittel autonom fahren – also auch U-Bahnen, Autos, Busse, Drohnen und die Luft-Taxis.
Für Haustiere ist an Bord des Volocopters vorerst allerdings kein Platz. Doch vielleicht expandiert Alex Tosti mit ihrer vernetzten Hundehütte ja nach Dubai.